Aus dem FortaRock Festival wurde dieses Jahr das FortaRock XL, und passend dazu haben die Veranstalter ordentlich nachgelegt: Größere Location, und statt zwölf spielen ganze 18 Bands an einem Tag, wovon viele bei anderen Festivals als Headliner durchgehen würden. Ist dadurch aber alles noch besser geworden?
In den letzten Jahren hat sich das FortaRock in Nijmegen zu einem echten Geheimtipp unter den Outdoorfestivals gemausert: Das Line-Up des Eintagesfestivals in Nijmegen nahe der niederländisch-deutschen Grenze war stets hochklassig, und die schöne Location im Park Brakkenstein mit dem alten Baumbestand vermittelte eine angenehme Wohlfühlatmosphäre.
Dieses Jahr ist alles ein paar Nummern größer: Davon zeugt nicht nur der Name der Veranstaltung – FortaRock XL – und der Umzug in den größeren Goffertpark, in dem in der Vergangenheit bereits Konzerte der Stones, U2 oder Metallica stattfanden. Auch das Line-Up ist angewachsen, von zwölf auf 18 Bands, die dort in gut zwölf Stunden ihr Stelldichein geben: Angeführt vom Headliner Rammstein tummeln sich dort auf drei Bühnen Größen wie Amon Amarth, Hatebreed, Motörhead, Volbeat, Opeth und Heaven Shall Burn. Das aufgeblasene Line-Up hat allerdings ungeliebte Überscheidungen zur Folge, und schon im Vorfeld stellen sich existentielle Fragen: Amon Amarth oder Kreator? Heaven Shall Burn oder Entombed? Opeth oder Hatebreed?
Nicht zuletzt ist die Besucherzahl kräftig angestiegen: Waren es im letzten Jahr noch 8.000 Metalfans, sollen es diesmal gleich 48.000 sein. Und das hat bereits bei der Anfahrt negative Auswirkungen: Folgt man der vom Veranstalter empfohlenen Route zum Goffertpark, findet man sich bereits auf der Autobahn rund um Nijmegen in einem Rückstau wieder, der sich gewaschen hat: Über zwei Stunden mehr Stop als Go, während das Festival mit den Belgiern Amenra, Audrey Horne und Delain startet. Geduldsprobe auf der Straße, verspätete Ankunft auf dem Gelände. Trotz Geländeplans fällt die Orientierung etwas schwer: Alles ist weitläufiger. Und alles ist voller und gedrängter als im letzten Jahr. Landmarken wie die von einem Energydrink-Hersteller gesponserte Aussichtsplattform gibt es aber immer noch, Stände mit Essen, Getränken und Tabak an jeder Ecke. Bevor man sich allerdings versorgen kann, muss man sich mit Wertbons eindecken, die es diesmal ausschließlich an Automaten gibt.
Deswegen direkt erstmal weiter zur Zeltbühne, wo die Norweger Enslaved angekündigt sind. Beginn mit ‘Thoughts Like Hammers’ vom neuen Album RIITIIR, das sofort eins deutlich zeigt: Auch wenn das Progressive immer weiter in die Klangwelt von Enslaved Einzug gehalten hat und die Songs Überlänge haben, live rocken die Stücke ordentlich. Sinnbildlich dafür steht Gitarrist Arve Isdal, der wie gewohnt mit freiem Oberkörper, lässiger Haltung und Rockstarposen die rechte Bühnenseite bearbeitet. Sein Gitarristenkollege Ivar konzentriert sich eher auf das Spielen der Stücke und beschränkt sich auf dezentes Headbangen, während Frontmann Grutle Kjellson immer wieder sehr präsent wirkt und Stücke mit seiner typischen Gestik und Mimik untermalt. Weiter geht es mit ‘Ethica Odini’ und ‘Roots Of The Mountain’. Keyboarder Herbrand Larsen sorgt mit seinem Klargesang für die nötige Eingängigkeit, trotz der Sperrigkeit einiger Stücke, wie dem älteren ‘Convoys To Nothingness’. Beim finalen Song versucht sich der Frontmann einem kleinen Ratespiel: Ein Song mit drei Buchstaben… ‘Eld’… oder ‘Isa’, wie einige richtig zurückschreien. Natürlich wird das Stück in bester Livemanier in die Länge gezogen. Guter Auftritt, und dem Publikum hat es gefallen, wenngleich der Applaus eher höflich denn euphorisch ausfällt.
Setlist:
Thoughts Like Hammers
Ethica Odini
Roots Of The Mountain
Convoys To Nothingness
Isa
Bevor die letzten Klänge verhallt sind, stehen auf der Hauptbühne Textures bereit, die kurzfristig für Five Finger Death Punch eingesprungen sind. Die Prog-Tech-Deather Textures sind beim FortaRock alte Bekannte: Bereits 2007 waren sie bei einem der FortaRock-Vorläufer mit dabei, genauso wie 2010. Und natürlich ist das hier so etwas wie ein Heimspiel. Jedenfalls ist es vor der Bühne ordentlich voll, und nicht nur einmal bildet sich in der Meute ein Moshpit.
Derweil wird die Bühne im Zelt für Heaven Shall Burn umgebaut, und hier muss die erste Entscheidung getroffen werden: Heaven Shall Burn oder Entombed, die zehn Minuten später auf die kleinere Freilichtbühne rocken werden? Egal wie, wer im Zelt bleibt, hat keine schlechte Wahl getroffen: Heaven Shall Burn haben nicht nur eine schicke neue Bühnendeko im VETO-Design, sondern präsentieren sich gewohnt agil und haben einen massiven Sound. Und sie sind natürlich auch in den Niederlanden jedermanns Darling – jedenfalls lassen die Reaktionen des Publikums diesen Rückschluss zu. Wobei die Band nach dem sanften Intro ‘Awoken’ auch den Vorschlaghammer rausholen und sich im Publikum ein erster Moshpit bildet. Das Zelt ist vollgepackt, und sogar von draußen versuchen viele Metalheads, einen Blick auf die Show von HSB zu erhaschen. Und natürlich kennt Frontmann Marcus Bischoff alle Posen, um eine Show auch sehenswert zu machen. Es folgt ein schöner Mix aus neueren und älteren Songs, von denen insbesondere ‘Voice Of The Voiceless’ abgefeiert wird. Den Abschluss bildet das Edge Of Sanity-Cover ‘Black Tears’ bei dem sowohl Band als auch Publikum noch einmal alle Energiereserven mobilisieren. Mächtiger Auftritt.
Komplett anderes Bild auf der Hauptbühne: Dort machen sich die Rotzrocker Airbourne bereit, die erst kürzlich ihr drittes Album BLACK DOG BARKING veröffentlicht haben, dessen Coverabbildung das riesige Backdrop ziert. Gegen die gefletschten Zähne und die Marshall-Wände wirken die Musiker fast winzig, aber durch ein hohes Energielevel und viel Bewegung schaffen es die vier Australier, die Bühne größtmöglich auszufüllen. Allen voran Gitarrist und Sänger Joel O’Keeffe, der während der Stücke von links nach rechts über die Bühne rennt. Und das Publikum wird direkt beim Opener ‘Ready To Rock’ mit Mitsingspielchen animiert. Als bei Joel O’Keeffes erster Ansage die Sonne durchkommt, setzt spontaner Jubel ein. Vielleicht hat das den Frontmann angespornt, später in einer halsbrecherischen Aktion den Bühnenaufbau hochzuklettern, um dort ein Solo zu spielen?! Wahnsinn! Von der Songauswahl lassen die Australier nichts anbrennen und bringen einen gelungenen Querschnitt durch ihre drei Alben, der zumindest innerhalb des „Golden Circle“, der Sicherheitsabsperrung, enthusiastisch gefeiert wird. Trotzdem, wenn Joel O’Keeffe ins Publikum ruft: „This is a rock’n’roll festival!“ ist das frech und stimmt nur zur Hälfte.
Setlist:
Ready To Rock
Chewin‘ The Fat
Diamond in the Rough
Back In the Game
Raise the Flag
Cheap Wine & Cheaper Women
Black Dog Barking
Live It Up
Too Much, Too Young, Too Fast
Runnin‘ Wild
Zurück im Zelt: Dort entern Mastodon aus Atlanta, Georgia, die Bühne, um ihr außergewöhnliches Soundgebräu zu zelebrieren: Ein bisschen Hardcore, ein bisschen Hardrock im weiteren Sinne, luftig, mit psychedelisch und progressiv geprägten Songs, die trotzdem sehr kompakt gehalten sind: Einstieg mit ‘Black Tongue’ vom aktuellen Album THE HUNTER, dann ‘Crystal Skull’. Der Gesang wechselt reihum von Bassist Troy Sanders über den kunstvoll tätowierten Brent Hinds bis hin zu Schlagzeuger Brann Dailor. Vor der Bühne gehen Arme in die Luft, Haare werden geschüttelt. Die ganz große Begeisterung will aber nicht aufkommen, da der Songs im Zelt häufig nur als Soundmischmasch in den Ohren ankommt – obwohl die Musik von Mastodon sehr vielschichtig ist. Schade. Dafür ist es eine Freude, der Band zuzusehen, insbesondere wenn sich Zauselbartträger Troy Sanders beim Spielen um seine Achse dreht und dabei mit einem Bein auf den Boden stampft. Zum Abschluss gibt es noch das sanft beginnende ‘The Sparrow’, das immer wieder heftig anschwellt und genügend Raum für ausgedehnte Gitarrensoli bietet.
Auf der kleinen Freilichtbühne spielen derweil Finntroll. Also schnell die Aussichtsplattform erklommen, auf die aus Sicherheitsgründen immer nur eine bestimmte Anzahl von Fans gelassen wird. Doch leider macht der Wind einen Strich durch die Rechnung, denn von den Songs kommt so gut wie kein Ton oben an, weswegen man den Gig zwar sehen, aber nicht hören kann. Soll aber toll gewesen sein. Na toll!
Einem Motörhead-Gig eine gewisse Routine zuzusprechen, ist natürlich nicht verkehrt. Du weißt im Grunde genommen vorher, was du bekommst. Das beginnt bei der Ansage „We are Motörhead, and we play rock’n’roll“ und endet bei Klassikern der Liga ‘Ace Of Spades’ und „Overkill“, die einfach gespielt werden müssen. Dazwischen gibt es ein Programm, das immer irgendwie gut, aber eben auch vorhersehbar ist. Mit dem Opener ‘I Know How To Die’ arbeitet das Trio die jüngste Vergangenheit ab, und sonst gibt es einen Mix aus bekannten Stücken der Klassikeralben: ‘Stay Clean’, ‘Metropolis’, ‘Killed By Death’… Die größte Unbekannte ist Lemmys Stimme, und hier zeigt sich, dass Mister Kilmister am heutigen Tag etwas schwachbrüstig klingt. Seine Ansagen sind teilweise kaum zu verstehen, und vielleicht fällt ihm Gitarrist Phil Campbell deshalb einmal in die Parade: „Thank you, motherfuckers! Make some noise!“ Richtig Stimmung will aber erst bei Mikkey Dees Drumsolo aufkommen, als sich einige Unentwegte an einer Wall Of Death light versuchen. Motörhead hat man insgesamt schon besser gesehen, und bei einem Hallenkonzert vor eigenem Publikum reißen die Rocker deutlich mehr.
Setlist:
I Know How To Die
Damage Case
Stay Clean
Metropolis
Over The Top
Doctor Rock
The Chase Is Better Than The Catch
Rock It
The One To Sing The Blues
Going To Brazil
Killed By Death
Ace Of Spades
Overkill
Nächste Gewissenfrage: Amon Amarth oder Kreator. Wer denkt sich bloß solch einen Schedule aus? Die Entscheidung fällt zugunsten von Amon Amarth aus, die im rappelvollen Zelt spielen. Intro aus der Konserve, aufbrandender Jubel, als die Bandmitglieder nacheinender die Bühne betreten. Einstieg mit ‘War Of The Gods’, und direkt anschließend kommt der wohl größte Gassenhauer der Schweden, ‘The Pursuit Of Vikings’, dessen Riff lauthals mitgesungen wird. Das Publikum ist euphorisch, aber was die Schweden dort auf der Bühne bringen, ist ebenfalls beeindruckend. Angefangen bei der Bühnenpräsenz, die maßgeblich von Fronthüne und Rauschebart Johan Hegg bestimmt wird. Der hat das Frontmann-Einmaleins studiert und weiß, wie er das Publikum animieren muss (anfeuerndes Klatschen, Publikum abzählen, Hand hinter Ohr etc. pp.) und nutzt alle Freiräume, die ihm sein Status als Sänger bringt. Und seine Erdbebengrunzer sind sowieso massiv. Seine Mitstreiter der Saitenfraktion stehen ihm in puncto Bewegung in nichts nach und lassen die blonden Mähnen kreisen. Bei den Songs hat das Quintett sowieso genügend starkes Material in der Hinterhand. Mit ‘Deceiver Of The Gods’ spielt das Quintett sogar einen Track vom brandneuen Album. Abschließend gibt es noch ‘Twilight Of The Thunder God’ und ‘Guardians Of Asgaard’, und die Meute bleibt geplättet zurück.
Setlist:
War Of The Gods
The Pursuit Of Vikings
For Victory Or Death
Destroyer Of The Universe
Free Will Sacrifice
Deceiver Of The Gods
Asator
Runes To My Memory
Death In Fire
Twilight Of The Thunder God
Guardians Of Asgaard
Auf dem Weg zur Hauptbühne noch schnell einen Blick auf Kreator geworfen. Die spielen zum Abschluss ihres Gigs ‘Flag Of Hate’ und ‘Tormentor’ und sollen insgesamt richtig gut gewesen sein. Schade, dass es diese Zeitplanüberschneidungen gibt, aber Amon Amarth waren definitiv keine falsche Entscheidung.
Als nächste Band steht Volbeat auf dem Programm, die sich nach dem Abgang von Gitarrist und Mädchenschwarm Thomas Bredahl mit Rob Caggiano verstärkt haben. Der stand übrigens letztes Jahr schon beim FortaRock auf der Bühne, damals noch in den Reihen von Anthrax. Optisch hat sich bei ihm nichts geändert (Wollmütze, Hammerkoteletten, schelmisches Grinsen), musikalisch dafür umso mehr: Statt Thrash Metal eine Mixtur aus groovendem Metal, Country und Western. Einstieg mit ‘Hallelujah Goat’, und direkt vor der ersten Strophe stoppt die Band und Frontmann Michael Poulsen ruft in die Menge: „I can’t hear you!“. Jubel im Publikum, Grinsen auf der Bühne. Dort kommt Bassist Anders Kjølholm die Rolle des Herzensbrechers zu, der den Damen im Publikum unentwegt zuzwinkert und Grimassen zieht. Michael Poulsen wiederum sieht ein wenig übernächtigt aus und trifft nicht jeden Ton, aber dem Publikum scheint’s zu gefallen – nicht erst, als der Frontmann zur Westernklampfe greift und Johnny Cashs ‘Ring Of Fire’ anspielt: Konsens unter den Zuschauern und eifriges Mitsingen. Als die Band Slayers ‘Raining Blood’ anspielt, bildet sich sogar ein ordentlicher Moshpit. Was fehlt noch zum Glück? Klar: Der Rausschmeißer ‘ Pool of Booze, Booze, Booza’, und passend dazu kommt ein weiteres Mal die Sonne zum Vorschein.
Wohin gehen? Bei Opeth und Hatebreed, die ungefähr zeitgleich spielen, ist die Frage schon einfacher zu beantworten: Die Damenschaft geht zu Opeth – jedenfalls lässt die erste Reihe diesen Schluss zu, denn dort stehen unzählige weibliche Fans mit Kamera im Anschlag, die offensichtlich Frontmann Mikael Åkerfeldt vor die Linse bekommen wollen. Der unterhält die Anwesenden in seinen Ansagen mit seinem feinen und trockenen Humor. Nach dem Einstieg mit ‘The Devil’s Orchard’ stellt er die Band erstmal vor: „Thank you very much! [Pause] We’re called Opeth. [Pause] We’ve come all the way from Sweden to play to you guys. [Pause] I guess maybe like three fourth of the crowd will leave once Rammstein starts, but whatever.“ So weit ist es zum Glück noch nicht (und beim Rammstein-Gig gibt es eh keine Überschneidungen im Zeitplan), und somit kommt man in den Genuss eines Sets, das Stücke aus den letzten zehn Jahren enthält: ‘Ghost Of Perdition’, ‘Heir Apparent’, ‘Hope Leaves’… Mikael Åkerfeldt hat also genügend Raum, um zu zeigen, welch großartige Growls er vom Stapel lassen kann – wobei es für ihn scheinbar keine Mühen bereitet, so unangestrengt, wie er ins Mikro grunzt. Der Rest der Band wirkt ebenso lässig: Da steht Bassist Martín Méndez fast unbeteiligt auf der Bühne, um dann wieder punktgenau einzusetzen. Brillant – und ein großartiger Gig mit Gänsehautgarantie. Zum Abschluss noch ein Bonmot von Mikael Åkerfeldt, als er ‘The Lines In My Hand’ ankündigt: „An odd song, but we like it. It’s inspired by The Scorpions.“
Setlist:
The Devil’s Orchard
Ghost Of Perdition
Heir Apparent
Hope Leaves
The Lines In My Hand
Deliverance
Auf der kleinen Freilichtbühne geben derweil US-Boys Hatebreed mit ihrer Mischung aus Hardcore und Metalcore Vollgas – genauso wie das Publikum: Jedenfalls fliegen beim ersten Song ‘Tear It Down’ reihenweise Bierbecher in die Luft, es werden Fäuste gereckt und vor der Bühne ist ordentlich Bewegung. Und trotz generellen Verbots auf dem FortaRock gibt es einzelne Crowdsurfer, die auf den Armen der Meute die Musik und die letzten Sonnenstrahlen genießen.
Um 22:10 Uhr beginnt dann die große Show von Rammstein. Mittlerweile dämmert es, und das passt natürlich bestens dazu, dass Rammstein ein ganzes Arsenal an optischen Effekten auffahren. Die Bühne ist verhangen, und mit den ersten Takten von ‘Ich tu dir weh’ werden Raketen gezündet. Dann fällt der Vorhang und gibt den Blick auf die Band und vor allem Sänger Till Lindemann frei, der auf einer Art raketenbetriebenen Hebebühne zur Erde hinabgelassen wird. Die Haare wasserstoffblond und gekleidet in einem rosafarbenen Felljäckchen, sieht er reichlich bizarr aus, getoppt vielleicht nur von Keyboarder Flake in seinem Glitzeranzug.
Weiter mit dem Uralt-Stampfer ‘Wollt ihr das Bett in Flammen sehen’ sowie punktgenau abgeschossenen Böllern. Es folgt eine perfekte Show mit zahlreichen Gassenhauern (wenngleich einer vorhersehbaren Setlist), und auch sonst feuern Rammstein aus allen Rohren. Fast bei jedem Song gibt es Spezialeffekte – von Pyros über Feuerwerk, Raketen und Böller bis hin zu einem Flammenwerfer. Bei ‘Benzin’ feuert Till Lindemann aus einer Zapfpistole und setzt einen Komparsen in Brand. Netter Effekt. Für manchen stellt sich natürlich die Frage, ob man als eingefleischter Metaller Rammstein gut finden darf. Wenn aber Tausende Niederländer bei den Stücken lauthals und textsicher mitsingen und sogar ein LG Petrov (Entombed) mitnickt, dürfte diese Frage beantwortet sein. Außerdem ist es kalt geworden, und da bleibt keine andere Wahl, als sich zu bewegen und zur Musik abzuzappeln.
Nach ‘Ich will’ ist der reguläre Set erstmal zu Ende, aber Rammstein kommen noch mal für einen Nachschlag auf die Bühne: ‘Mein Herz brennt’ in einer etwas lahmen Klavierversion (wie gesagt: es ist kalt geworden), dann ‘Sonne’. Danach entzündet sich ein großes Rammstein-Logo. ‘Pussy’ mag nicht der größte Hit von Rammstein sein und damit nicht der schmissigste Abgang, aber wenn Till Lindemann mit einem überdimensionierten Dildo weißen Schaum ins Publikum spritzt, sorgt das natürlich für angemessene Heiterkeit. So gesehen haben Rammstein alles richtig gemacht und mit einer perfekten, maßgeschneiderten Show ihren Headliner-Posten mehr als würdig ausgefüllt.
Setlist:
Ich tu dir weh
Wollt ihr das Bett in Flammen sehen?
Keine Lust
Sehnsucht
Asche zu Asche
Feuer frei!
Mein Teil
Ohne dich
Wiener Blut
Du riechst so gut
Benzin
Links 2-3-4
Du hast
Bück dich
Ich will
—
Mein Herz brennt (Piano Version)
Sonne
Pussy
Was bleibt als Fazit? Beim FortaRock XL war dieses Jahr alles größer: Größere Headliner, größeres Billing, größeres Gelände, deutlich mehr Zuschauer. Nicht zu vergessen ein höherer Eintrittspreis (75,00 € gegenüber 59,50 € im Jahr zuvor), was zu einem nicht geringen Teil der Verpflichtung des Headliners Rammstein geschuldet sein dürfte. Ob das FortaRock XL dadurch aber besser geworden ist, sei mal dahingestellt. Natürlich gab es richtig tolle Gigs von Heaven Shall Burn über Amon Amarth und Opeth bis hin zu Rammstein. Das Stauchaos zu Beginn und die nervigen Zeitplanüberschneidungen bleiben aber ebenfalls in Erinnerung. Und mancher mag bemängeln, dass sich das Billing zu sehr von dem eines reinen Metalfestivals entfernt hat. So gesehen hat das FortaRock das Flair, das das Festival in den letzten Jahren ausgezeichnet hat, ein Stück weit eingebüßt. Mal sehen, ob das Festival im kommenden Jahr wieder zu alter Stärke zurückfinden wird.