Auf der Alm da kannst du leben, mit Kaiserschmarrn vom Berge schweben! Wenn der Müllers-Seppel solche Sprüche hört, drückt er vor lauter Urgemütlichkeit die Hand der Hofers-Maria noch ein wenig fester. Für William Joseph „B.J.“ Blazkowicz ist das nichts. Er hasst seifigen Alpenkitsch. Und er hasst Bayern. Dummerweise muss er ausgerechnet dort hinauf: ins Gebirge über den Wipfeln zur Burg Wolfenstein. Mal wieder. Dem Müllers-Seppel läuft er dort zwar nicht über den Weg, dafür trifft er andere Spaßvögel wie Rudi Jäger und seine Panzerhunde oder die einbeinige Helga von Schabbs. Klingt nach einem spaßigen Wochenende!
Bloß nicht ernst nehmen!
Richtig, Sie merken schon, den schrägen Humor schmeißt die uralte Shooter-Reihe mit „Wolfenstein – The Old Blood“ nicht über Bord. Es handelt sich hierbei um eine Erweiterung im besten Sinne, denn das Hauptspiel benötigen Sie zum Zocken nicht. Ursprünglich hatten die Macher von Machineames „nur“ ein Add-on für das umstrittene „Wolfenstein – The New Order“ geplant, dann entschieden sie sich für ein eigenständiges Produkt.
Die Dreingabe setzt chronologisch vor den Ereignissen von „The New Order“ an und manövriert Sie zurück ins Jahr 1946. Nazi-Deutschland – im Spiel nur „das Regime“ genannt – ist drauf und dran, den Weltkrieg zu gewinnen. Im Krieg gegen die alliierten Truppen setzen sie dabei immer mehr experimentelle Waffen ein und erlangen sogar übernatürliche Kräfte. Sie versuchen, das zu verhindern und schlittern ungebremst in eine Résistance-Liebesgeschichte mit der Seriosität eines C-Actionfilms von Dolph Lundgren. Die Story beinhaltet zwei Kampagnen und insgesamt acht Kapitel. Zum Vergleich: Das Hauptspiel „The New Order“ umfasst 16 Kapitel.
Ein Fundament aus Superbeton
Unter der Karosserie gleicht „The Old Blood“ seinem im Mai 2014 veröffentlichten großen Bruder fast bis aufs Haar: Das Waffenfeedback ist dank dicker Sounds und abwechslungsreichen (teilweise extrem brutalen) Animationen hervorragend. Und die ansprechenden Levels schicken Sie immer wieder in offene, hübsch ausstaffierte Areale, in denen es nur rudimentär um Deckung und Ducken geht. Denn „Wolfenstein – The Old Blood“ zelebriert Bewegung, den Positionswechsel, den frontalen Angriff und höchst intensive Gefechte mit brachialer Feuergewalt. Lautlose Attacken aus dem Verborgenen vereinfachen die Missionen hin und wieder, sind jedoch nicht die Kernkompetenz des Traditions-Shooters.
Gleichzeitig ist es bei Beschuss immer noch zwecklos, sich in einer Ecke zu verschanzen und zu warten, bis sich die Lebensenergie wieder auflädt und der Bildschirm nicht mehr rot flimmert. Sie müssen Heilpakete suchen und manuell per Sammelknopf aufheben. Zudem gibt es kein Waffenlimit. Manchem Gamer mag das etwas hölzern und nicht mehr zeitgemäß erscheinen. Aber genau darum geht es dem schwedischen Entwickler MachineGames bei seinen aktuellen „Wolfenstein“-Titeln: um einen launigen Spagat zwischen Retrokult und hochmoderner Technik. Das gelingt auch „The Old Blood“.
Was ist neu?
Frisches Spielzeug gibt es natürlich trotzdem. Insbesondere das neue Stahlrohr ist hervorzuheben, weil Sie damit nun Wände erklimmen können – ein Detail, das im hügeligen Berg-Gelände von „The Old Blood“ sehr praktikabel ist. Die Feinde bestehen im Großteil aus alten Bekannten, die allerdings technologisch noch nicht so weit entwickelt sind, wie im zwanzig Jahre später spielenden Hauptgame. So sind etwa die mächtigen Maschinensoldaten noch auf Stromkabel angewiesen. Und Sie ballern mit antiquarischen Waffen wie dem Repetiergewehr, der Kanonenpistole oder einer abgesägten Schrotflinte auf Ihre Gegner.
Der Ober-Bösewicht Rudi Jäger liebt Schädel, Skelette und seine tollwütigen Panzerhunde. Doch Menschen sind Ihr kleinstes Problem, denn es lauern untote Feinde auf Sie.
Apropos Gegner: Ein echtes Novum sind Zombies. Richtig gehört, im Laufe der Handlung verwandeln sich die herrlich überzeichneten Nazi-Schergen in schlurfende Untote. Keine Überraschung: Schon in früheren Teilen fuhr die „Wolfenstein“-Serie schon allerhand Monster und übernatürliche Gestalten auf, um Spielern die Hölle heißzumachen. Freuen Sie sich also schon mal: In „The Old Blood“ bricht eine hübsche Apokalypse aus! Spätestens jetzt logiert „Wolfenstein“ direkt neben trashigen Nazi-Klamotten à la „Iron Sky“.
Fazit: Wolfenstein – The Old Blood
Mit „Far Cry – Blood Dragon“ hat Ubisoft vorgemacht, wie ein Stand-alone-Spin-off eines großen Actionspiels aussehen muss. Schön, dass dieses Kunststück auch hier gelingt: „Wolfenstein – The Old Blood“ ist wie sein großer Bruder „The New Order“ ein Shooter, der viele der inzwischen üblichen Genre-Konventionen bewusst ignoriert und trotzdem blitzsauber von der Hand geht. Für faire 19,99 Euro bekommen Sie etwa sechs Stunden höchst kurzweilige Actionkost zwischen augenzwinkerdem Alpenkitsch, bissigen Panzerhunden und mutierten Nazi-Zombies. Ein guter Deal.
Quelle: Computer Bild Spiele. Mehr bei computerbild.de
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