Drückend-schwer liegt die schwüle Spät-Mai-Luft über München, schwitzen ist angesagt. Beste Voraussetzungen, um am endlich abkühlenden Abend in einem für subtropische Temperaturen bekannten Club ein Konzert zu besuchen? Nicht wirklich. Wen wundert es da, dass der kleine Raum des 59to1 lange leer bleibt.
Als Graveyard um 21.40 auf die Bühne kommen, sieht es zwar etwas besser aus, aber nicht viel. Vielleicht 50 Retro-Rock-Freunde stehen rum, warten auf Bier und Unterhaltung. Die Motivation der jungen Schweden Graveyard ist entsprechend relativ flach – doch das ändert sich. Großartige Songs wie ‘Thin Line’ oder ‘Evil Ways’ ihres selbstbetitelten Debüts reißen mit, die ständig flitzenden Finger schrauben ununterbrochen Retro-Harmonien zusammen, das Publikum zollt Respekt und die Musiker geben die Energie sofort mit mehr Bühnen-Action zurück. Nach und nach heizen sich beide Seiten gegenseitig soweit auf, dass am Ende des rund 45-Minuten-Gigs eine Zugabe unausweichlich ist. Bassist Rikard Edlund hat sich zwar schon Richtung Bar verabschiedet, kommt aber schnell wieder zurück, stöpselt ins Equipment ein, das älter als die Musiker selber ist, und es setzt einen finalen Song. Wer auf Retro-Rock mit schönstem 70s-Flair steht, sollte sich Graveyard auf keinen Fall entgehen lassen.
Können Witchcraft das toppen? Sie sind immerhin seit Jahren eine der heißesten Retro-Bands im Rock-Bereich und werden entsprechend vom mittlerweile bestens gelaunten Publikum begrüßt. Man merkt gleich die größere Live-Routine der ebenfalls aus Schweden kommenden Musiker – doch irgendwie wirken die Posen etwas lieblos und gelangweilt. Sie ziehen ein gutes Programm runter, das dank der prima Songs ihrer drei Alben auch Spaß macht, doch Graveyard haben zu weit vorgelegt. Nicht nur technisch wirken Witchcraft flacher als die Vorgänger, die sich so zum Gewinner des Abends mausern – wenn auch nur knapp, denn den Auftritt von Witchcraft kann man einfach nicht schlecht finden. Gerade die Song-orientierter geschriebenen Titel ihres noch aktuellen Albums THE ALCHEMIST (2007) kommen prima an. Der Klassiker ‘Witchcraft’ vom gleichnamigen Debüt ist sowieso kaum topbar.
So steht dem Publikum, das nach dem Retro-Doppelschlag noch verschwitzter geht, als es gekommen ist, die leicht bierselige Freude ins Gesicht geschrieben, als kurz vor 0h Schluss ist. Diese Zeitreise in eine Ära, in der Rock Musik noch als modefreie Parallelwelt idealisiert werden kann, war ein Ausflug mit Seltenheitswert.