Ufomammut-Interview: Hexenküche Of Doom

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Ufomammut sind eine Traumkombo: Sie mischen psychedelisch verdaddelte Pink Floyd mit monumentalem, die Balken biegendem Doom, dass es einem die Plomben aus den Zähnen haut. Seit 1999 widmen sich Poia (Gitarre), Urlo (Bass) und Vita (Schlagzeug) aus dem Piemont dem musikalischen Slow Food.

Aus vergleichsweise simplen Zutaten (Riffs, wiederholt und aufgedoppelt, bis sie den Raum füllen; unheilvolles Synthieblubbern, das aus ‘Alien’ stammen könnte; dazu eine winzige Prise Vocals) köcheln sie Psychedelic Sludge mit Tiefgang – oft entlang von Konzepten, die rätselhaft bleiben.

Bei Ufomammuts jüngstem Werk, dem auf zwei Alben angelegte ORO (Teil 1, OPUS PRIMUM ist soeben erschienen, Teil 2, OPUS ALTER kommt im September) dreht sich alles um alchemistische Verwandlung. Aber keine Angst: Man kann das auch ohne Überbau genießen. ORO ist dann  reine Projektionsfläche – ein Goldrahmen, den man selbst zu füllen hat.

Melanie Aschenbrenner unterhielt sich mit Bassist Urlo und Gitarrist Poia.

Mit ORO begebt ihr euch auf eine Reise mit ungewissem Ausgang – ein Projekt, das (fast) alle Sinne anspricht. Neben der Wucht seiner (gefühlten) Handvoll Noten beschreibt ORO aber auch einen philosophischen Weg: Für die Alchemisten der Neuzeit war Gold, „oro“, das Ziel einer langwierigen Transformation, von „ niedriger“ Materie zu einem höheren Zustand…

Urlo: ORO ist das Ergebnis eines Prozesses, der dreizehn Jahre gebraucht hat. Als wir zuerst darüber nachdachten, hatten wir gerade EVE fertig, ein Album, das eine Menge Kraft und zwei Jahre Arbeit verschlungen hat. Das war eine verdammt lange Platte, ein einziger Track, dazu zahllose Konzerte; EVE ist uns in Fleisch und Blut übergegangen. Das mussten wir einfach weiterführen, es weiterentwickeln, nach Gold suchen! Gegen Ende haben wir uns dann wirklich wie Alchemisten gefühlt, die aus Schwingungen und Klängen Neues schaffen. ORO steht im Italienischen für Gold, auf Latein heißt es „ich bete“, und beidem eingeschrieben ist „or“, das hebräische Wort für Licht. Da sind ganz unterschiedliche Konzepte am Werk. Aber im Grunde geht es um Wissen und Erkenntnis.

Poia: Neben den wörtlichen und alchemistischen Annäherungen an ORO kann das natürlich jeder so interpretieren, wie es für ihn Sinn ergibt. ORO ist eine musikalische und konzeptionelle Weiterführung von EVE. EVE handelte von der Rebellion des Individuums gegen ein Dogma, und statt „Dogma“ kannst du hier dein Lieblingswort für alle erdenklichen Formen von Fremdbestimmung einsetzen, egal ob durch eine Religion, Partei oder Musikgenres. ORO handelt von den Folgen dieser Rebellion. Es ist harte Arbeit, eigenes „Wissen“ – eine Mischung bekannter Zutaten – in einen kreativen Prozess zu überführen, aus dem Neues entsteht. Die Musik zeichnet dieses Auf und Ab nach, genau wie in einem alchemistischen Röhrensystem, von Destille zu Destille. Das soll so geheimnisvoll bleiben wie die Alchemie, die Wurzel der modernen Chemie.

ORO lebt von hypnotischer Wiederholung, von Schwerkraft und Resonanz. Es scheint, als hättet ihr eure melodische Bandbreite zugunsten der kumulativen Wirkung noch weiter beschränkt. Nur mein Eindruck – oder ist da was dran?

Poia: Melodische Bandbreite? Ich weiß ja nicht… Vielleicht sollten wir „Masters of Melody“ sein, schließlich kommen wir aus Italien, haha! Nein, eher treibt ORO unsere Lust am Crescendo auf die Spitze: Wir haben versucht, den Sound satter und satter zu machen – chaotischer auch -, indem wir immer neue Ebenen von Sounds, Effekten und Stimmen einziehen. Unser Ansatz war, den Hörer mit etwas zu konfrontieren, das er nicht auf Anhieb versteht. Das so faszinierend und gefährlich ist wie der Weg der Erkenntnis. Wie die Büchse der Pandora: du öffnest sie auf eigene Gefahr.

Urlo: Ja, wir haben versucht, bewusst mit Schichten und Wiederholungen zu arbeiten. ORO lebt von der Wiederkehr sich stetig wandelnder Riffs.

Auf dem Album taucht auch die mysteriöse „Tabula Smaragdina“ auf, eine antike hermetische Schrift, die sich mit den Gesetzen von Mikro- und Makrokosmos beschäftigt. Einer ihrer bekanntesten Leitsätze ist, „Das Oberste kommt vom Untersten, und das Unterste vom Obersten; ein Werk der Wunder von einem Einzigen.“

Urlo: Wie gesagt, ORO ist stark von Alchemie beeinflusst, und da wollten wir in paar „Ostereier“ verstecken. Also haben wir Lorenzo Stecconi (er ist unser Soundlord im Studio und hat super Arbeit abgeliefert, muss ich sagen!) einen Auszug aus der „Tabula Smaragdina“ des Hermes Trismegistus lesen lassen, zu hören im letzten Teil von ‘Aureum’. Das gab dem Track eine magische Atmosphäre – ein Tribut an das Wissen.

Diese mystischen „Smaragdtafeln“ haben Künstler und Denker von der Renaissance bis zu den Surrealisten des 20. Jahrhunderts fasziniert; auch ‘The Emerald Law’, Winos Beitrag zu Dave Grohls „Probot“-Allstarprojekt handelt davon. Was hat euch daran angesprochen? Und: hat das erste Video zu ORO, ‘Empireum’, nicht ein gewisses surrealistisches Etwas?

Urlo: Lu aus dem Malleus-Künstlerkollektiv hat die visuelle Umsetzung von ORO übernommen, und sie hat die Videos entlang von Konzept und Lyrics entwickelt. Trotzdem sind es freie Interpretationen der Musik. ‚Empireum‘ steht für den Moment, in dem das menschliche Wesen aus seinen Träumen aufwacht und beginnt, Erkenntnisse zu sammeln. Der Mensch nimmt die Natur in ihrer Reinheit wahr, und im Chaos erahnt er Gold – was unser Symbol für Wissen ist.

Poia: Die „Tabula“ ist tatsächlich sehr mysteriös. Sehr alt. Dieses Unerklärliche, das gewisse Etwas, ist unser Motor, unsere Hirnnahrung sozusagen, der Grund, warum wir Kunst mögen, warum wir uns verlieben. Der Grund, warum sich Künstler zu allen Zeiten mit dem Unbekannten beschäftigten.

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