Wer oder was sind Thrice? Diese vermeintlich simple Frage ist nicht so einfach zu beantworten, denn das Quartett aus Kalifornien ist ein musikalisches Chamäleon. Kein Album gleicht dem anderen, was speziell für die zwischen 2007 und 2008 veröffentlichte ALCHEMY INDEX-Reihe gilt: vier EPs, die im Zeichen von Feuer, Erde, Wasser und Luft stehen und dementsprechend divergent ausfallen. Keine leichte Kost, doch für Schlagzeuger Riley Breckenridge hat sich das Risiko gelohnt: „Es war eine echte Herausforderung, unsere musikalischen Grenzen auszuloten und ich denke, dass wir viel davon gelernt haben. Ohne diese Erfahrung würde es unser neues Album BEGGARS in dieser Form nicht geben, daher stellt sich die Frage nach dem kommerziellen Erfolg überhaupt nicht.“
Riley deutet es schon an: Das anspruchsvolle Alchemie-Experiment ging an der breiten Mehrheit vorbei und erfolgstechnisch in die Hose. Sind Thrice jetzt so arm, dass sie ihr neues Album BEGGARS („Bettler“) nennen mussten? „Hähä, der Gedanke ist naheliegend, aber falsch. Der Titel bezieht sich im Prinzip auf alle Menschen, denn egal, nach welchen Antworten wir suchen und egal, woran wir glauben – im Endeffekt bleiben wir alle nur Bettler. Das spiegelt sich auch im Cover-Artwork: Zwei Menschen stehen inmitten eines Ozeans und werfen ihre Netze aus. Ebenso ist das Leben ein riesiger, unerforschter Platz, in dem wir ziemlich hilflos nach Antworten fischen. Das steht ein bisschen für uns als Band, denn wenn wir an einem Album arbeiten wissen wir auch nie, was im Endeffekt dabei rauskommt.“
Womit wir bei der Musik von BEGGARS wären, die einmal mehr schwer einzuordnen ist. Am ehesten kann man sie mit dem letzten Dredg-Album THE PARIAH, THE PARROT, THE DILUSION (2009) vergleichen: „Artrock“ trifft es annähernd, aber nicht ganz. Die Mixtur aus relativ harten Stücken und herrlich ruhigen Melancholiebrocken ist wie die Quintessenz der ALCHEMY INDEX-Werke. „Genau das war unser Ziel. Wir haben durch die Arbeit mit unterschiedlichen Musik-Stilen so viel gelernt, dass es ein Wahnsinn wäre, diese Erkenntnisse nicht zu nutzen. Jeder einzelne Song auf BEGGARS hat einen eigenen Sound und ein komplett anderes Feeling, eingespielt mit jeweils unterschiedlichen Instrumenten. Es sind im Prinzip lauter eigenständige Werke auf einem Album, das jedoch im Gegensatz zu den EPs etwas stringenter und Band-orientierter ausgefallen ist. Die musikalische Vielfalt ist übrigens kein Zufall, denn in Thrice gibt es vier verschiedene Songwriter, die alle unterschiedliche Stile bevorzugen.“
Entfernt auch mit Betteln verbunden ist ein Brauch, den Thrice in der Vergangenheit stets gepflegt haben: sie haben immer einen Teil ihrer Einnahmen an karitative Einrichtungen gespendet. „Das machen wir immer noch, diesmal aber ein bisschen anders. In der Vergangenheit haben die Fans mit den Kauf unserer CDs nie gewusst, wen sie da eigentlich unterstützen. Diesmal haben wir uns Invisible Children ausgesucht, für die wir Benefizkonzerte spielen und die wir auch auf Tour mitnehmen, wo sie direkt ihr Merch verkaufen und Spenden sammeln können.“
Hoffentlich wird man sie auch in Deutschland sehen, denn das würde bedeuten, dass Thrice endlich mal wieder in Europa spielen. „Das ist so eine Sache, denn hier in Amerika fahren wir eine ziemlich aufwändige Produktion – wir können uns beispielsweise gar nicht leisten, alle unsere Instrumente nach Europa mitzunehmen. Trotzdem haben wir vor, 2010 rüber zu kommen, denn wir wissen, dass wir uns viel zu lange rar gemacht haben. Wenn wir dann halbwegs bei Null aussteigen, wäre ich persönlich schon glücklich.“
Das sind doch mal Ansagen, über die sich Fans freuen können.
Wolfgang Kuhn
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