Niemand sieht ihn, keiner hört ihn. Lautlos bewegt er sich durch die Schatten der Nacht – immer auf der Suche nach Gold und Geschmeide. Blitzschnell entreißt er seinen Opfern hinterrücks ihre Wertsachen, leert ihre Taschen und Geheimfächer, um im nächsten Moment unerkannt in der Dunkelheit zu verschwinden. Garrett aus „Thief“ ist kein Held mit edlen Motiven, aber auch kein gemeiner Taschendieb. Der stets schwarz gewandete Einzelgänger ist ein Meisterdieb mit erstaunlichen Fähigkeiten, der in ein Abenteuer wider Willen verstrickt wird.
Rundum erneuerter Klassiker
Seit „Thief – Deadly Shadows“ sind neun Jahre vergangen, seit vier Jahren arbeitet Eidos Montreal an Garretts Rückkehr. COMPUTER BILD SPIELE besuchte das kanadische Studio, schaute sich erste Szenen aus dem Spiel an und sprach mit den Entwicklern. Die haben sich eine Menge vorgenommen: „Thief“ wird keine Fortsetzung und kein Prequel, sondern ein kompletter Neustart. Mit Playstation 4 und anderen „Next-Gen-Konsolen“ betreten die Macher zudem technisches Neuland.
Stadt des Grauens
Einige Veränderungen stehen an, die Fans brauchen aber keinen kompletten Kurswechsel zu befürchten. Das Spielprinzip besteht weiter aus „Infiltrieren, stehlen, flüchten“, wie Produzent Stephane Roy erläutert. Auch der Demo-Level „House of Blossoms“ beginnt mit einem vertrauten Szenario: Garrett kauert versteckt in einem Planwagen, dringt damit ungesehen in die namenlose Stadt ein. Er hat alles im Blick – doch seinen Augen offenbart sich Schreckliches. Vor einem schwarzen Himmel zeichnen sich die Konturen vom Galgen baumelnder Leichen ab, Henker knüpfen einen Unglücklichen direkt vor Garretts Nase auf. Bewaffnete Männer patrouillieren auf den vom Regen aufgeweichten Straßen. Sie gewähren Garretts Wagen nur widerwillig Durchlass.
Für Sekundenbruchteile blitzen zwischendurch farblose Flashbacks auf: der Umriss eines Kindes vor einem Fenster, Soldaten. Erinnerungen an Garretts Kindheit? Vielleicht erste Hinweise auf die wahren Motive seines Handelns? Die Entwickler wollten noch nichts verraten. Doch eines ist klar: In dieser Stadt regiert der Hass zwischen Arm und Reich. Eine dekadente Oberschicht beutet das kranke, hungernde Volk brutal aus. Extreme Gegensätze sind ein Kennzeichen von Garretts neuer Spielwelt, in der das Mittelalter auf die Neuzeit und die Industrialisierung trifft.
Klettern und sprinten
Nach dem Betreten des düsteren Straßenlabyrinths hat Garrett ein Gespräch zwischen zwei Wachen über den Architekten Eastwick belauscht. Der ist einer der reichsten Männer der Stadt und will sich heute Abend in einem Freudenhaus vergnügen, dem „House of Blossoms“. Also hastet der Dieb durch die Gassen, um sein potentes Opfer auf dem Weg ins Bordell abzufangen. Erste Station: Ein Aussichtspunkt auf einem Hausdach. So geschickt wie jeder „Assassin’s Creed“-Held erklimmt er die Fassade. Oben angelangt, nutzt er die Spezialfähigkeit „The Eye“ (das Auge), um das House of Blossoms ein paar Straßen weiter auszumachen – und sprintet los.
In dunklem Gebiet ist er fast unsichtbar. An einem hell erleuchteten Wachposten setzt Garrett mit dem Bogen seine wichtigste Waffe ein. Per Trockeneispfeil löscht er einen Feuerkorb auf der Straße, um den Wachen die Sicht zu nehmen – er passiert gefahrlos. Doch Eastwick ist inzwischen an seinem Ziel angekommen. Also sucht Garrett sich einen eigenen Weg ins Bordell. Mit einem Pfeil bringt er eine Wache dazu, einen vergitterten Raum zu öffnen und zu betreten. Dann überwältigt er die zweite Wache hinterrücks und betritt unerkannt das House of Blossoms.
Schleichen und klauen
Im Freudenhaus feiert der Transvestit Xiao Xiao eine bizarre Geburtstagsfeier. Zwecks Diskretion sind überall Wachen platziert. Betäubt vom Opiumgenuss liegen einige Gäste regungslos auf Diwanen herum, während kniende Schönheiten auf der Harfe spielen. Geduckt schleicht Garrett von einer Deckung zur nächsten, steckt nebenbei ein, was ihm Wertvolles unter die Langfinger kommt. Er durchwühlt Schubladen, beklaut berauschte Opiumraucher und nimmt einer Dame blitzschnell von hinten Ohrringe und Kette ab – ebenfalls eine Spezialfähigkeit des Meisterdiebs.
Im Gästebuch findet er schließlich die gesuchte Information über Eastwicks Aufenthaltsort. Da nähert sich auf einmal der Gastgeber – gerade noch rechtzeitig versteckt sich der Dieb in einer dunklen Ecke. Xiao diskutiert mit einem seiner Mädchen und versperrt den Ausgang, während der Langfinger seine diebischen Blicke durch den Raum schweifen lässt. Auf einem Bücherregal entdeckt er den Mechanismus für einen Geheimgang. Nachdem er den betreten hat, lugt er durch ein Loch in der Mauer – und erblickt den reichen Architekten. Der ist offenbar mehr an den seltsamen Symbolen auf der Wand als an dem Mädchen interessiert, das er brutal aufs Bett geschleudert hat. Garrett nutzt die Chance, um schnell den Raum zu betreten und das achtlos von Eastwick abgelegte Amulett an sich zu nehmen. Die Zeichen auf dem Schmuckstück ähneln denen an der Wand. Ähnliche Symbole erspäht er in den Nachbarräumen. Passend zu den Symbolen bringt er die Ringe des Amuletts in die richtige Reihenfolge, setzt so einen geheimen Mechanismus in Gang …
Flucht durch die Opiumhöhle
Inzwischen haben die Bestohlenen Alarm geschlagen – Garrett tritt die Flucht an. Im Opiumraum sabotiert er die Lüftung, sodass sich die Räume mit sinnesbetäubenden Dämpfen füllen. Während die Wachen ins Taumeln geraten, hält Garrett die Luft an. Doch dann fällt er auf: Gleich vier Wachen stürmen am Ausgang auf ihn zu. Jetzt musst er handeln: Garrett schießt einen Seilpfeil auf eine Statue über dem Haupteingang und zieht mit einem kräftigen Ruck an der Leine. Die schwere Steinfigur saust auf die ersten beiden Angreifer nieder, den anderen stellt er im Nahkampf. Dabei kommt ihm eine weitere Spezialfähigkeit zugute, die dem Spieler Schnelligkeit und Präzision abverlangt: Helle Kreise markieren ungeschützte Körperbereiche der Widersacher, auf die der Spieler blitzschnell ein Zielkreuz bewegen muss. So kann er einen gezielten Schlag mit dem Blackjack landen, einer Art Totschläger. Kaum sind die Kontrahenten erledigt, stürzt Garrett aus der Tür, springt über die Brüstung und seilt sich spektakulär mit seiner Kletterklaue in die Kanalisation ab.
Meisterdieb auf Tour
Die Präsentation von „Thief 4“ kommt gut: Das düstere Szenario beeindruckte ebenso wie das Spiel mit Licht und Schatten, plastischem Feuer und Rauch. Wie Technical Art Director Jean-Normand Bucci betont, setzen die grafischen Highlights aber moderne PCs oder Konsolen voraus, auf PS3 und X360 sind sie in dieser Form nicht möglich. Aber nicht nur die Grafik soll von der Next-Generation-Power profitieren, so verspricht Stephane Roy lange Spielabschnitte ohne Ladezeiten. Für jeden Auftrag soll es verschiedene Lösungen geben. Die angedeutete große Hintergrundgeschichte bleibt vorerst unter Verschluss.
Prognose: Thief 4
Die PS4 und Microsofts neue Xbox sind die große Chance für „Thief 4“, mit einer besonders stimmungsvollen düsteren Atmosphäre zu punkten. Welche spielerischen Möglichkeiten der Titel letztlich bietet, deutete die fesselnde, aber recht kurze Demo nur an. „Dishonored“ hat die Messlatte für Abwechslungsreichtum und Komplexität sehr hoch gelegt. Vielleicht gelingt es Garrett ja noch, seine mangelnden kämpferischen Fähigkeiten durch ähnlich interessante gewaltlose Künste auszugleichen. Dann braucht sich der Meisterdieb auch nicht vor den so erfolgreichen Assassinen der Moderne zu fürchten.
Quelle: Computer Bild Spiele. Mehr bei computerbild.de
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