Während die einen mit Superlativen um sich werfen und die Niederländer als musikalische Heilsbringer abfeiern, kontert die Gegenseite mit Schlagworten wie „altbacken“ oder „überbewertet“. Und wie so oft steckt auch hier in jeder der unterschiedlichen Meinungen ein Fünkchen Wahrheit.
Nachdem sich die Gemüter nun ein wenig beruhigt haben, ist es Zeit für ein Resümee: Wer sind The Devil’s Blood, was können und was wollen sie? Und warum bezeichnen sie sich selbst als Kult und ihre Konzerte als Rituale? Um das zu erfahren, fragt man am besten beim Kult-Mastermind persönlich nach, Gitarrist und Songwriter Selim Lemouchi, der sich vor dem Ritual mit Schweineblut bepinselt, auf der Bühne von Satan besessen sein will und den Tod als Lebensziel begreift. „We Have Chosen the Satan against creation! We Have Chosen the Chaos behind existence! We Have Chosen the Death above life!“, lautet ein Mantra des Kultes – und dass es den Teufelsblütern ernst damit ist, stellt Selim schnell klar. „Während du dein Ritual performst, schaust du sehr tief in dich hinein, holst alles aus dir heraus and versuchst, die Verbindung so kraftvoll wie möglich werden zu lassen. Das ist der Moment, in dem man von Satan besessen wird, weil der Geist der Auflehnung, der Opposition und des Antagonismus zum einzigen Fokus deiner Energie wird.“
Sätze wie diese, die der sympathische Verrückte wie am Fließband ausspuckt, mögen vielleicht etwas anstrengend intellektuell klingen, setzen sich letztlich aber erfreulich vom angesagten Hobby-Satanistentum ab, das sich weiß bepinselte Böse-Gucker so gern auf die Fahne schreiben. Wer wirkt authentischer: der, der Clown-Schminke im Gesicht trägt, oder der, der sich mit gerinnendem Lebenssaft beschmiert? Man entscheide selbst.
The Devil’s Blood definieren sich jedenfalls nicht über Hass auf Christen, sondern darüber, im okkulten Ritus satanischen Prinzips eine höhere Ordnung zu erfahren – in einer schwachsinnig gewordenen Welt fordern sie selbständiges Denken und proklamieren das Chaos. Was zählt mehr bei ihnen – das Leben oder der Tod? „Dadurch, dass wir den Tod akzeptieren und ihn zum höchsten Ideal erheben, bekommt das Leben, das wir führen müssen, bevor wir dieses Ziel erreichen, mehr Sinn. Lebensbejahend oder lebensverneinend ist somit eine knifflige Angelegenheit, denn wenn du wahrhaft lebensverneinend bist, musst du ja auf der Stelle Selbstmord begehen. Für mich persönlich ist der Tod das stärkste Ideal für das, was keinen Sinn macht, und für das, was vollkommen Sinn macht. Lebensbejahend? Ich denke nicht, dass das Leben etwas ist, das man bejahen muss, da es schon da ist. Der Tod ist es, der Bestätigung erhalten muss.“
Dennoch: Das mit dem Blut ist schon irgendwie merkwürdig – und nebenbei auch alles andere als neu. Immerhin holen sich The Devil’s Blood den roten Saft (vom Schwein!) beim Schlachter um die Ecke – wie es sich gehört. „Blut ist ein sehr mächtiges Material: Es bedeutet zuallererst Macht, Blut ist Leben“, schwärmt Lemouchi. „Wir versuchen, so anonym wie möglich zu sein. Das Einzige, was interessant ist, das ist The Devil’s Blood. Am Anfang unseres Rituals bedecken wir uns daher mit dem Blut. Das ist wie eine Maske, die wir anlegen – wir distanzieren uns damit von uns selbst, wir entpersonalisieren uns.“ Dadurch, so der Maestro weiter, würden gewisse Elemente der Persönlichkeit, Gefühle wie Angst, Zweifel oder Hoffnungslosigkeit, verdrängt und durch etwas ersetzt, das mächtig macht. Doch Obacht: Wer im roten Saft eine Heilung für seine Minderwertigkeitskomplexe erhofft, sollte es trotzdem nicht zu Hause auflegen – das Zeug stinkt ohne Ende!
Muss man The Devil’s Blood jetzt gut finden, nur weil sie ihr Ding so konsequent durchziehen und dabei auch noch ziemlich intelligent rüberkommen? Nun, wer keine Lust auf Oldschool-Psychedelic-Rock-Nummern hat, wie sie vor einigen Dekaden bereits Truppen wie Coven oder The Jefferson Airplane zelebriert haben, der hat sicher auch keine Lust auf The Devil’s Blood. Muss er ja auch nicht. Wer jedoch willens ist, sich auf die mysteriöse niederländische Kult-Combo einzulassen, kann davon nicht nur im Ohr sondern auch im Geiste profitieren. Also sprach Lemouchi: „Von dem Moment, in dem du geboren wirst, wird dein Gehirn nur mit Schwachsinn vollgestopft. Die Gesellschaft hat Zombies aus uns gemacht! Deswegen sind wir mit The Devil’s Blood der kleine Lichtblick in der unendlichen Dunkelheit. Einige Leute sehen ihn vielleicht und werden davon angezogen und ihre Reise wird diese spirituelle Dunkelheit in etwas Helleres verwandeln. Weiterhin in dieser Dunkelheit umherzuirren, würde bedeuten, sich in die Sklaverei zu fügen – das ist eine Entscheidung, die jeder ganz bewusst treffen kann. Dennoch sollte sich jeder bewusst sein: Es ist möglich, der Gott seiner eigenen Schöpfung zu werden.“ In diesem Sinne: Frohe Weihnachten!