Testament-Sänger Chuck Billy ist im Stress, der Mann hetzt telefonisch von Interview zu Interview, lediglich 20 Minuten sind pro Gespräch angesetzt worden. „Davon abgesehen müssen wir noch zu einem Foto-Shooting und produzieren gerade ein Video zum Song ‘Native Blood’“, erklärt der Frontmann. „Wir drehen den Clip in einem Reservat, mit echten amerikanischen Ureinwohnern als Darstellern. Es spielt ein Heiler mit, ein so genannter Medizinmann, und es wird eine Zeremonie mit dazugehörigen Tänzen geben“, steckt Chuck die Rahmenhandlung ab, von der die Story über das Aufwachsen eines indianischstämmigen Jungen umgeben sein wird.
Wie viel Autobiografisches schlussendlich in ‘Native Blood’ steckt, lässt sich nicht sagen, aber als Künstler mit indianischen Vorfahren nutzt Chuck die Möglichkeit, auf die Problematik in den Reservaten hinzuweisen. Immerhin hat er bei den Besuchen des Pomo-Reservats, aus dem sein Vater stammte, die jahrelange Verelendung der Bewohner durch Alkohol- und Drogenmissbrauch miterlebt. Das wurde erst dann besser, als sich der Stamm dazu durchgerungen hatte, ein Casino zu betreiben, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Chuck Billy war auch an der Ausstellung „Up where we belong: Native musicians in popular culture“ der „American Indian“-Abteilung des renommierten Smithsonian Museums beteiligt. „So etwas ist eine große Ehre für mich. Es ist etwas sehr Spezielles, dort dabei zu sein“, hört man einen Anflug von Stolz in seiner Stimme mitschwingen. Ebenso wie über die sonst eher lauwarm rockenden Hard Rock Cafes, deren Außenstelle in Albuquerque den bulligen Shouter mit einer permanenten Ausstellung würdigt.
Testament haben sich nach THE FORMATION OF DAMNATION, dem ersten regulären Studioalbum nach neun Jahren, erneut ganze vier Jahre Zeit gelassen, um mit einem Nachfolger über den großen Teich zu kommen. Daran war mal wieder das niemals in seiner Rotation erlahmende Personalkarussell nicht ganz unschuldig. Diesmal lag es in erste Linie an Schlagzeuger Paul Bostaph, der sich bei einem Sturz in seinem Proberaum mit einer Beule am Handgelenk konfrontiert sah, deren chirurgische Entfernung eine Sehnenscheidenentzündung verursachte. Nach einer weiteren Operation befand sich Paul also in der Rehabilitationsphase, während derer Testament mit dem Einspielen von DARK ROOTS OF EARTH auf ihn warteten. Dann geschah jedoch das Un(v)erhoffte: „Paul ging es wieder besser, aber er hatte beschlossen, seine eigene neue Band voranzutreiben“, erklärt Chuck Billy und fügt hinzu, dass Testament ihm viel Glück für die Zukunft wünschen. So ganz kann er seine Enttäuschung über die mit unnützem Warten vergeudete Zeit aber nicht verbergen. Insofern stellte sich die Frage, wer denn das Album einspielen solle. „Dave Lombardo hätte es gerne gemacht, aber es passte einfach nicht in seinen Zeitplan. Gene Hoglan war früher schon bei uns, daher kontaktierten wir ihn. Er hatte nur knapp drei Wochen, um die Songs zu lernen und aufzunehmen“, gibt Chuck Billy zu, dass fortan keine Zeit mehr verschwendet wurde.
Was Gene Hoglan eingespielt hat, wird seinem Spitznamen „Atomuhr“ allerdings wieder mehr als gerecht. Vor allem die Blastbeats in Krachern wie ‘True American Hate’ haben es Chuck angetan: „Eric Peterson und er hatten so etwas schon auf THE GATHERING probiert, aber jetzt sitzt es noch besser. Viele Sänger versuchen, möglichst schnell über Blastbeats zu singen, aber ich habe das einfach offen und klar gemacht.“ Was ebenso ungewöhnlich wie cool klingt, aber auch kein Wunder ist, wenn man bedenkt, dass Testament schon des Öfteren eine gewisse Affinität zu Death oder gar Black Metal gezeigt haben. Man denke hierbei nur an die ersten Beinahe-Growls von Chuck Billy auf LOW im Jahre 1994, an Gitarrist Eric Petersons Projekt Dragonlord oder seinen Gastauftritt auf VERMIN von Old Man’s Child.
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