Cineasten, die Darren Aronofskys Film „The Fountain“ gesehen haben, kennen folgende Szene: Ein im Weltraum verlorener Wissenschaftler nähert sich seiner wertvollen Fracht, dem Baum des Lebens, und haucht ihn an – woraufhin sich diesem die Haare aufstellen und er (offensichtlich in Folge üblen Mundgeruchs) beschließt, zu sterben.
Das hat mit einem Sunn O))) Konzert mehr zu tun, als man es für möglich hält. Denn da wie dort meint man, das Hintergrundrauschen des Universums zu hören, die Druckwelle des Pandemoniums lässt selbst die Schamhaare noch vibrieren und den freiwilligen Exitus als vielleicht bessere Alternative zu dieser tödlichen Klangwolke erscheinen.
Auf der großen Bühne der Wiener Arena erhebt sich eine aberwitzige Wand von Verstärkern und Lautsprechern, so gigantomanisch, dass es fast ein bisschen lächerlich wirkt. Doch die US-Amerikaner spaßen nicht: Zuerst wird eine suppendicke Nebelbank in den Konzertsaal geblasen, die an einen Gasangriff aus dem Ersten Weltkrieg erinnert – dagegen wirken die Sisters Of Mercy wie Schönwettermusikanten. Dann stapfen Stephen O’Malley und Greg Anderson in ihren Kutten auf die Bühne und legen los.
Mit großen, beschwörenden Gesten entlocken sie ihren Instrumenten Töne aus der tiefsten Unterwelt, der Magen fängt an zu vibrieren und der Boden erzittert. Eine geschlagene Viertelstunde dauert der erste „Song“ (?), der sich im Prinzip aus einem einzigen, monolithischen Riff (?) zusammensetzt. Ganz Mutige oder Übermütige, die auf Ohropax verzichten, können sich an dieser Stelle von ihren Trommelfellen verabschieden. Das ruft beim Fachpublikum ein paar amüsante Diskussionen hervor. Brüllt der eine: „Alter, jetzt haben sie sich gerade verspielt!“ Brüllt der andere: „Ich hör nix!“ Brüllt wiederum der eine: „Hast du nicht gehört? Gerade eben hat es nicht gedröhnt, sondern nur gerauscht!“
Sunn O))) sind in ihrer Kompromisslosigkeit radikaler als alle Black Metal Bands zusammen, so viel steht fest. Ob das jetzt künstlerisch gesehen „gut“ oder „schlecht“ ist, kann man unmöglich beurteilen – ein Erlebnis sind ihre Konzerte auf jeden Fall. Fragt erst gar nicht nach der Setlist; nicht einmal die Die-Hard-Fans können aus diesem Inferno irgendwas heraushören. Viel lustiger ist es ohnehin, auf’s Klo zu gehen und dem eigenen Harnstrahl beim rhythmischen Dronen zuzusehen. Glaubt ihr nicht? Nun, ihr wisst ja, wie man sich bei einem Sunn O))) Konzert fühlt: wie ein sterbender Baum mit Haaren halt.
PS: Fotos vom Konzert gibt’s übrigens auch nicht. Dafür dürfen wir euch die Fotopolitik von Sunn O))) präsentieren: „We don’t want a photo-pit type thing. Cell phone cameras will result in a giant fishing net snatching them away.“ Alles klar? Na dann…