Subway To Sally in China: Reise-Special von Simon Michael

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So funktioniert Kulturaustausch: Wir genießen die Sehenswürdigkeiten Chinas und bringen, zum Ausgleich dafür, eine Sehenswürdigkeit aus heimischen Gefilden mit: nämlich uns selbst! Aber eins nach dem anderen.

Unsere Chinareise beginnt entspannt und mit den üblichen Problemchen, die Flugreisen nun mal mit sich bringen: Langes Warten, Schlange Stehen am Check-in, verloren gegangenes Gepäck- all das, was zu einer ordentlichen Fernreise eben dazugehört. Den langen Flug nach Peking überbrücken Band und Crew mit verschiedenen Strategien. Die einen trinken Bier und andere alkoholische Getränke, was allerdings eher auf die Crew zutrifft, die anderen schlafen. Ich persönlich ziehe es vor, mich mit meinem Nebenmann zu unterhalten. Dieser hat Sinologie (sprich: Chinesisch) studiert und kann mich ein wenig auf das Bevorstehende vorbereiten.

Peking begrüßt uns nach unserer Ankunft mit einem wunderschönen Sonnenaufgang. Herrlich, wie sich der große Feuerball am Horizont durch die Smogschwaden empor schiebt! Schade, dass ein paar Kollegen davon nichts mitbekommen, da sie damit beschäftigt sind, sich um ihr verloren gegangenes Gepäck zu kümmern. Das kostet Zeit und Nerven, am späten Nachmittag allerdings werden alle Koffer, wenn auch mit Verspätung, im Hotel eintreffen. Zwischen Deutschland und China liegen, zu Beginn der Reise, sechs Stunden Zeitverschiebung. Das bedeutet, unsere innere Uhr steht auf drei Uhr früh, die Zeiger vor Ort allerdings zeigen gnadenlos elf Uhr Vormittags. Da um zwölf bereits das Touristenprogramm beginnt, und das will schließlich niemand verpassen, fällt Schlafen einfach mal aus. Mir persönlich fällt das nicht schwer, ich bin durch den Flug und den Stress mit dem Gepäck sowieso zu aufgekratzt, um zu schlafen.

Wir werden vom Hotel aus mit einem kleinen Bus abgeholt. Unsere Reiseführer für diesen und den nächsten Tag sind ein netter Herr und eine sehr nette, junge Dame, deren beider Namen ich mir nicht wirklich merken konnte. Ein Problem, dass sich in den nächsten Tagen noch verschärfen wird: Solltet Ihr jemals nach China kommen, dann versucht erst gar nicht, ein paar Brocken chinesisch zu erlernen. Ihr müsst wirklich sehr, sehr geübt sein, damit die Leute dort auch nur ein „Dankeschön“ verstehen. Aber macht ja nichts, mit Englisch kann man sich ja verständigen.

Der durchschnittliche Chinese spricht Chinesisch, das zwar fließend, aber ansonsten kann man sich hier nur mit Händen und Füßen verständlich machen. Selbst im Restaurant unseres Hotels, in welchem wir am ersten Abend speisen, werden wir bis heute nicht erfahren, was wir dort eigentlich gegessen haben. Die Bedienung sprach kein (wirklich KEIN!!!) einziges Wort Englisch. Wir wissen nur, dass es irgendeine Art Vogel war, was wir dort serviert bekamen. Dazu gab es irgendein Gras mit einem komischen Öl, auf das wir kollektiv Magenprobleme bekommen. Zum Ausgleich dazu hat´s entsetzlich geschmeckt. Aber ich schweife ab. Nach der Ankunft fahren wir mit dem Bus erstmal zum Platz des Himmlischen Friedens.

Unser Peking-Experte erzählt uns, über die grandios verzerrende Bussprechanlage, ein paar Details über China, die Bevölkerung, die Kultur und, natürlich, über seine Heimatstadt Peking. Obwohl wir ihn alle gut verstehen passieren ihm ein paar, allerdings sehr sympathische, Versprecher, die uns ab- und an schmunzeln lassen. So liegt Peking, laut ihm, „Im Süden von Berlin“ (ja, gut, im weiiiiitesten Sinne), an den romantischen Ecken von Peking treffen sich im Sommer „Viele Liebe Paar“ und in Peking regnet es immer nur kurz, nicht wie in Deutschland, wo es „regnet wie ein Nudel und höre nicht auf!“.

Wir überqueren den Platz des Himmlischen Friedens – den größten befestigten Platz der Welt. Den kennt ja nun jeder, da muss man nicht weiter drauf eingehen. Direkt dahinter befindet sich die Verbotene Stadt, sprich der Kaiserpalast Pekings. Leute, ich kann nur sagen, kauft euch den Film „Der Letzte Kaiser“ oder befragt das Internet nach Artikeln über dieses gigantische Bauwerk – nichts von alledem wird die gigantischen Ausmaße des Festungsbaus auch nur annähernd vermitteln. Die Ausmaße sind auch mit den größten Burg- und Schlossanlagen, die ich aus Europa kenne, nicht vergleichbar. Beeindruckend, Ehrfurcht einflößend und gebaut, ohne einen einzigen Nagel oder eine einzige Schraube.

Erschöpft und mit immer noch runtergeplappten Kinnladen geht’s zurück zum Hotel. Ein paar von uns werden kurz darauf noch in eine Küchenstraße aufbrechen und am nächsten Tag von Skorpionen, Schlangen und sonstigen Leckereien zu berichten, die dort zum Verzehr angeboten werden.

Wir werden, wie schon erwähnt, etwas mit Flügeln essen. Zumindest möchte ich in diesem Glauben bleiben. Bevor ich aus dem Bus aussteige, frage ich noch kurz unsere weibliche Begleitperson, deren Name irgendetwas wie „Ting Ting“ war, was denn „Danke“ auf Chinesisch heißt. „Sien Sien!“ Aha, na, das kann ich mir merken „Sien Sien!“ doch gar nicht so schwer. Gute Nacht.

Am nächsten Tag setzen wir unser Kulturprogramm fort. Nach dem Frühstück holt uns wieder der Bus mit unseren reizenden Begleitpersonen ab. Beim Frühstück bedanke ich mich beim Service personal brav mit „Sien Sien!“ und werde mit großen, fragenden Augen angesehen. Peinlich, was hat die mir da nur beigebracht?

Wir fahren zunächst zu einem Tempel. Auch dieser ist riesig und sehr beeindruckend. Hinter der Tempelanlage treffen wir auf eine Menge Menschen, die in einer Parkanlage singen, spielen und tanzen. Es herrscht eine, für uns Deutsche, ungewöhnlich lockere Stimmung, Dolce Vita mitten in China – großartig!

Danach werden wir zum Mittagessen in die, wie unser Begleiter immer so schön sagt, „Peter- Firma“ eingeladen. Peter ist Deutscher, lebt seit Jahren in Peking und er ist ein Bekannter der Band. Er hat uns den Bus, die Reisebegleitung in Peking (das sind nämlich Mitarbeiter von ihm), das heutige Essen und weite Teile der Show am nächsten Tag organisiert. Das ist nicht bezahlbar und auch mit tausendmal „Danke“ (oder „Sien Sien“… oder nein, es ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht verbürgt, was das eigentlich nun wirklich heißt!) nicht aufzuwiegen. Das war äußerst großzügig und hat uns einen tollen Einblick in die chinesische Kultur gegeben!Das Essen ist lecker und gestärkt machen wir uns auf den Weg zur Großen Mauer.

Diese liegt etwas außerhalb von Peking in den Bergen. Was soll man dazu noch sagen? Die Mauer ist lang und, was ich gar nicht so bedacht hatte, sehr hoch. Den Aufstieg zum höchsten Punkt tun sich nicht alle an, schließlich überwindet man dabei mehrere hundert Höhenmeter über 30 bis 50 cm hohe Stufen.

Das strengt an, der Schweiß fließt in Strömen. Entschädigt werden wir, am höchsten Punkt angekommen, von einem wunderbaren Sonnenuntergang in den chinesischen Bergen. Der Abstieg geht fast genauso in die Knochen, wie der Aufstieg. Danach geht’s kurz ins Hotel, dann gehen wir noch in Peking essen.

Ich mache mich danach per Taxi auf den Weg ins Hotel, meine Kollegen werden noch in einen Bezirk einkehren, in welchem sich mehrere tausend (ja, richtig gelesen!) Kneipen und Bars befinden. Morgen ist Showtag und meine Knochen schmerzen vom Erklimmen der Mauer, mein Kopf schmerzt vom Jetlag und mein Magen schmerzt vom asiatischen Essen (scharf, zum Ausgleich dafür aber sehr fettig!)- ich hab genug und muss im Nachhinein sagen, dass der 1,- Euro, den ich in die 20 minütige Taxifahrt investiere, gut angelegt ist. „Sien Sien!“ sage ich zu dem Fahrer beim aussteigen. Mit fragendem Blick verabschiedet er mich in die Nachtruhe.

„Yang, was heißt denn eigentlich Danke auf chinesisch?“ frage ich am nächsten Tag unseren Promoter vor Ort, der uns zum Aufbau im Club abholt und fließend Deutsch spricht.
„Chien Chien!“
„Ah so, nicht Sien Sien?“
„Nein, Chien Chien!“
Verstehe, deshalb haben die mich immer so blöd angeguckt.
Notiz an mich: „Chien Chien“ ist „Danke“.
„Yang, was heisst denn dann Auf Wiedersehen?“
„ #(%%$§’* +(=## “
Neue Notiz an mich: „Chien Chien“ reicht für den Rest der Reise.

Der Club in Peking ist toll, die Technik ist auch für unsere Zwecke mehr als in Ordnung. Für mich bedeutet das: solides, sogar sehr neues Drumset mit zwei Bassdrums, ordentlicher Hardware und fast ungespielten Fellen. Das zaubert mir ein Lächeln ins Gesicht. Die Equipmentteile, die wir aus Deutschland mitbringen mussten, sind auch per Cargo pünktlich und unbeschädigt geliefert worden. Der Backstage ist geräumig und hell – einer guten Show steht also nichts mehr im Wege!

Der Soundcheck dauert lange, da etwas mit der Verkabelung nicht stimmt und Katja, unsere Monitorfrau, Axel, mein Drumbackliner und ich es tatsächlich schaffen, eine ganze Stunde aneinander vorbei zureden. Das muss wirklich der Jetlag sein. Am Ende funktioniert aber alles, der Monitorsound ist großartig- von mir aus kann´s losgehen!

Als Vorband fungiert eine Kapelle, die Trashmetal mit mongolischer Folklore und traditionellem Kehlkopfgesang mischt. Gewöhnungsbedürftig, ausgefallen- und trotzdem spannend. Jeder von uns riskiert mal ein Ohr und hört sich ein paar Titel des Supports an. Dann sind wir an der Reihe.

300 Zuhörer kommen zu unserer Show, beachtlich, wenn man bedenkt, dass uns hier nicht viele Leute kennen und am selben Abend die hier bekannteren Arch Enemy ebenfalls in der Stadt aufspielen. Unter den Zuhörern sind auch die Belegschaft von „Peter-Firma“ und mein Sitznachbar vom Hinflug, worüber ich mich sehr freue. Peter selbst, der Chef von „Peter- Firma“ lässt es sich nicht nehmen, einige von Erics Ansagen zu übersetzen. Das ganze muss man sich so vorstellen:

Eric: „Peter, sag ihnen bitte, dass es im nächsten Song um den Teufel geht!“Peter: „Ni Lon so ding sala uuuiing, wehua kon si lo tao tipu nooolo quang. Nai ho li saa nu wuiii, aio wua ko di CHING! CHING! CHING! CHING! CHING! CHING! CHING! CHING! CHING! (das unterstreicht er noch mit einer rhythmisch-hektischen Handbewegung) noi si la dui wui hang son chi keing.“ Diesmal sehen wir uns auf der Bühne alle fragend an.

Aber egal, was Peter den Leuten dort erzählt hat: Die Stimmung ist großartig und das Pekinger Publikum feiert uns kräftig ab. Das macht uns allen sehr großen Spaß! Viel Zeit zum Feiern bleibt uns nicht, unser Airport Shuttle wird bereits fünf Stunden nachdem wir von der Bühne gegangen sind am Hotel wieder abfahren. Von daher laufe ich recht bald nach der Show einsam durch den nächtlichen Smog zurück zum Hotel. Mann, das hat Laune gemacht heute.

Drei Stunden Schlaf später geht’s weiter nach Schanghai. Peking war ein ziemlicher Kulturschock für uns. Schanghai wird, und das ist uns allen bewusst, ein wenig anders werden. Dort angekommen, fahren wir ins Hotel. Der Transfer wird etwas über eine Stunde dauern und wir werden die gesamte Fahrtzeit nur durch Hochhäuserschluchten fahren. Wer baut den so was?! Also in Peking war ja der Gigantismus der Chinesen schon deutlich zu sehen, aber Schanghai setzt noch einmal einen neuen Maßstab. Wir fahren an Häusern vorbei, deren oberes Ende man vom Auto aus nicht sehen kann. Das höchste Gebäude misst fast 500 Meter. Und kleinere Häuschen, die immer noch vier oder fünf Stockwerke haben, sehen in dieser Stadt aus wie Playmobilhäuschen.

Unser Hotel liegt sehr zentral mit wunderbarem Blick auf die Skyline. Im 52. Stock befindet sich so eine Skybar, wie man sie aus Filmen kennt – sie ist komplett verglast und dreht sich langsam. Insgesamt ist das Hotel großartig, mit allem Schnickschnack, kostenlosen (natürlich von der Regierung zensiertem) Internet, Wellnessbereich, Restaurants usw. usf. Diesmal ist Kuscheln angesagt, ich teile mir mit meinem lieben Techniker Axel ein Zimmer. Angenehmer Zimmerkollege, das wird sicher eine entspannte Zeit in Schanghai.

Der Ankunftstag ist gleich Showtag. Das heißt für uns: Koffer ins Hotel, zurück in den Shuttlebus und direkt zum Club. Dieser liegt in einem Künstlerviertel von Schanghai, ist gerade renoviert worden und verfügt technisch über gute Voraussetzungen. Sogar eine LED Wand als Bühnenhintergrund ist fest installiert! Das Drumset vor Ort ist ein altes Pearl Kit aus den 80ern in Silversparkle. Eine Bassdrum (ich spiele zum ersten mal eine Rockshow bei SVBWAY mit einem Doppelpedal!), zwei Toms, ein viel zu hoher Snareständer. Ich baue mir ein kleines Kit auf und, zu meiner Überraschung, macht es richtig Spaß, auf dem Teil zu spielen! Es klingt wirklich erstaunlich, ich genieße die Show, was sicher auch an den 400 Fans liegt, die mit uns feiern. Euphorisch könnte man nach diesem Konzert neu definieren, mein Gott, die Chinesen können ja so was von feiern! Ein paar Deutsche mischen sich auch unters Volk. Simon Levko entdeckt seinen Tauchlehrer (!!!) im Publikum.

Eric muss heute englische Ansagen machen. Er tut sich, meiner Meinung nach, anfangs etwas schwer, wird allerdings vom Song zu Song besser und sicherer. Alles in allem spielen wir eine sehr gute Show – eine der Besten, die ich mit dieser Band bisher erleben durfte – und das fernab der Heimat. Verrückte Welt!

Ich erfrage, bevor wir ins Hotel fahren, nochmal, was danke heißt. „Zien Zien!“ … wie nun? Nicht „Chien Chien?“ Nein, „Zien Zien“. Ich beginne, zu verzweifeln. Die Rückfahrt dauert exakt 45 Minuten, welche meine Kollegen mit Crew komplett, ohne Unterbrechung und Wiederholung, mit dem Singen alter FDJ-Lieder überbrücken. Wahrscheinlich hat sie der allgegenwärtige Kommunismus an ihre einstige, sozialistische Hirnwäsche erinnert und sie fallen in alte Gepflogenheiten zurück. Vielleicht waren sie aber einfach nur gut drauf. Lustig war es allemal.

Am nächsten Tag mache ich nichts. Ich hole Schlaf nach, bestelle mir das Clubsandwitch aufs Zimmer („Zien Zien!“ „….was will der Teutone von mir?!“) und relaxe. Meine Kollegen wandeln durch Schanghai. Hier leben 22 Millionen Menschen, es handelt sich um eine Industriestadt. Viel zu sehen gibt’s hier nicht, weshalb ich Bodenski und dessen Frau am nächsten Tag bei ihrem Einkaufsbummel begleite. Überall gibt’s gefälschte Dinge zu kaufen, Handys, Mp3 Spieler, Kleidung, Kunst, einfach alles. Ich kaufe mir ein paar lustige Poster und (eine originale!) Logitech- Maus für meine Freundin zuhause. Hier ist Elektronik (auch die nicht gefälschte!) um einiges günstiger als zu Hause. Der ein- oder andere Kollege denkt sogar darüber nach, sich das aktuelle Handy eines Obst-Elektronikherstellers zu kaufen.

Jan und Jochen, unser Licht- und Tongespann, machen sich abends auf die Socken in einen Club und lassen sich von reichen Chinesen mal zeigen, wie man ordentlich feiert. Ich bekomme im Hotel Besuch von einem guten Freund aus meinem Heimatdorf, der zufällig auch in Schanghai ist. Die Welt ist wirklich unfassbar klein.

Am darauf folgenden Tag geht es am Abend weiter nach Wuhan. Ein schrecklicher Flug mit vielen, lustigen Turbolenzen. Wir werden wieder mit einem Shuttlebus am Airport abgeholt und schon nach wenigen Minuten Fahrtzeit wird uns beim Blick aus den Fenstern klar: Nun sind wir tatsächlich in China angekommen! Die Häuser werden kleiner, älter und baufälliger als in den beiden Großstädten zuvor. Die Straßenimbisse sehen wenig Vertrauen erweckend aus und der Smog ist nun wirklich, im wahrsten Sinne des Wortes, atemberaubend.

Wuhan ist eine kleine Stadt, irgendetwas zwischen acht und neun Millionen Einwohnern, und liegt direkt am Yangtse- Fluss, dem drittgrößten seiner Art. Direkt an dessen Ufer liegt die Promenade, auf der das Festival stattfindet, in dessen Rahmen wir performen werden: „Deutschland und China – Gemeinsam in Bewegung“. Unser Hotel ist in Laufweite vom Festivalgelände entfernt. Wir beziehen unsere Zimmer und legen uns schlafen- es ist schon lange nach ein Uhr.

Am nächsten Morgen ist Showtag. Bereits der Frühstücksraum ist voller Deutscher, die mit dem Festival zu tun haben. Nachdem wir uns für den Tag gestärkt haben, begeben wir uns zur Bühne. Alles sieht aus wie auf einem Europäischen Festival. Die Stagecrew ist größtenteils deutsch, die Kommunikation klappt von daher hervorragend. Beschallungs- und Lichtanlage haben höchsten Standard, für mich steht ein Pearl Doppelbass-Set da, wie ich es bestellt habe.

Das erfreut uns alle sehr. Aufbau uns Soundcheck verfolgen viele Chinesen, die direkt vor der Bühne stehen, bereits sehr aufmerksam und gespannt. Überhaupt sind wir, groß gewachsen, blond und so ganz anders als die Chinesen, schon seit unserer Ankunft in Peking eine große Attraktion für die einheimische Bevölkerung. Permanent werden wir fotografiert, viele stellen sich sogar in Pose vor oder neben uns, um sich neben uns ablichten zu lassen. Unsere Monitorfrau Katja erfährt bei männlichen Chinesen große Beachtung. Sie ist nicht die kleinste und natürlich, verglichen mit den Asiatinnen, eine Riesen-Erscheinung.

Unser Soundcheck verläuft gut, ich fühle mich wohl, der Rest der Band auch. Es geht zurück ins Hotel. Ich entspanne mich, bestelle mir etwas zu essen (Nudeln mit Fleisch in Fett. Lecker, autsch, mein Magen!) und schlafe natürlich irgendwann ein. Gegen halb neun begebe ich mich dann mal rüber zur Bühne, vor der ungefähr 10 000 Menschen stehen. Da freut man sich natürlich umso mehr auf das bevorstehende Konzert. Die Stimmung während der Show ist etwas verhalten, wir haben das Gefühl, dass die Leute mit uns etwas überfordert sind.

Trotzdem macht es uns großen Spaß und wir beenden unser Set eine Stunde später mit dem üblichen Ritual. Wir gehen, vor den Zugaben, an die vordere Bühnenkante und verbeugen uns. Frenetischer Applaus folgt! Dann gehen wir ab – und das Publikum macht das gleiche. Keine Zugabenrufe, sie drehen sich um und machen sich, nach und nach, auf den Heimweg. Wir können sie, Gott sei Dank, gerade noch davon abhalten, denn als Eric noch einmal die Bühne betritt und fragt, ob sie noch einen Song mehr möchten, schreien uns 10 000 Chinesen euphorisch an, was wir einfach mal als „Ja!“ verstehen und noch die Räuber zum Besten geben. Notiz an uns: „In Wuhan ruft man nicht nach Zugaben.“ Wir werden das im Hinterkopf behalten.

Am nächsten Tag ist wieder Sightseeing angesagt: Wir besuchen ein großes Museum, indem unter anderem traditionelle, chinesische Instrumente ausgestellt sind. Unter anderem ein gigantisches, tausend Jahre altes Glockenspiel. Damit meine ich nicht Glockenspiel im europäischen Sinne, sondern eines mit riesigen, viereckigen Metallklangkörpern.

Das Museum ist groß, die Zeit ist knapp, weiter geht’s zu einem großen Tempel. Hier verweilen wir ein wenig, fahren dann zum Hotel zurück, um den vorletzten Abend in China ausklingen zu lassen.Ein kurzer Blick zur Promenade, auf welcher heute Abend unser Kollege Clueso aufspielt. Coole Band, toller Sound!

Der letzte Tag im fernen Osten ist für uns ein Showtag. Ein zweites Mal werden wir die Promenade mit unserem Liedgut beschallen. Ein zweites Mal läuft der Aufbau und Soundcheck reibungslos. Wieder ins Hotel, entspannen, dann rüber zur Bühne. Heute spielt ein großes Swingorchester aus Berlin direkt vor uns. Ungewohnt für uns, trotzdem tolle Musik und sehr nette Kollegen.

Heute sind deutlich mehr Zuschauer anwesend, was wahrscheinlich am Wochentag liegt. Es ist Freitag und auch in China beginnt damit für die meisten das Wochenende. Unsere Show kommt heute wirklich phänomenal an. Entschuldigt diesen diese vielen Superlative, aber ich kann es einfach schwer mit anderen Worten beschreiben. Auch die Security Leute, welche aus Armeesoldaten bestehen, sind relativ locker drauf. In der Vergangenheit hörte man ein paar eher unschöne Dinge über letztere und deren Umgang mit dem Publikum, bei uns allerdings sind sie relativ gelassen und freuen sich – so kommt es uns vor – über unsere Show. Wir spielen wieder ein gutes Konzert, wir sind in sehr guter Form. Eric fühlt sich heute mit seinen Englischen und, das muss noch erwähnt werden, teils chinesischen Ansagen auch sichtlich wohl und ist so gut drauf, dass er sogar am Ende noch T-Shirts an die Menge verteilt.

Als ich später den Backstage verlassen will, begrüßt mich am Ausgang eine größere Gruppe wild schreiender und drängelnder chinesischer Fans so sehr, dass die anwesenden Sicherheitsleute schon etwas ins Schwitzen kommen. Wir geben viele Autogramme und lassen uns unzählige Male fotografieren, bevor wir uns auf den Fußweg ins Hotel begeben.

Unser Shuttle holt uns am nächsten Morgen um kurz vor fünf ab. Wer bucht bei solchen Reisen eigentlich die Flüge? Macht aber nix, dafür haben wir sinnigerweise vier Stunden Aufenthalt in Peking, bevor wir unseren Zehn-Stunden-Flug zurück nach Frankfurt antreten.

Der Inlandsflug von Wuhan nach Peking war wieder eine Katastrophe, noch unruhiger als der vorherige. Nach Deutschland geht’s dann relativ ruhig und entspannt. Die Zeit schlägt sich irgendwie von selbst tot, ich habe wieder großes Glück mit meinem Sitznachbarn. Der kam auch gerade aus Wuhan von einer internationalen Konferenz über die Luft- und Wasserverschmutzung in China. Glaubt mir, der konnte mir so einiges erzählen. In Wuhan konnte man übrigens ab nachmittags direkt in die Sonne sehen. Diese sieht dann ungefähr so aus, wie bei uns der Vollmond. Der Smog macht´es möglich!

Als ich wieder Deutschen Boden unter den Füßen habe, bin ich doch etwas erleichtert. Endlich wieder das essen und trinken, was man gewohnt ist! Ich werde noch ein paar Tage mit dem Jetlag kämpfen. Im Gepäck habe ich übrigens eine besondere Überraschung für mich selbst! Ich hab mir nämlich die Schweinegrippe aus China mitgebracht, was ich aber erst ein paar Tage später feststellen werde.

Nach dem Check-out in Frankfurt nimmt mich meine Freundin in Empfang.

„Und, wie war´s?“

Schwer mit wenigen Worten zu beschreiben. Beeindruckend. Anstrengend. Schön. Mit Magenschmerzen verbunden. Durchaus Erfolgreich. Und wiederholenswert?

… ja, auf jeden Fall!

Ein dickes „Sien Sien“ oder „Chien Chien“ oder „Zien Zien“ oder, wie auch immer, nach China und an alle, die dies möglich gemacht haben.

Allen voran dem Goetheinstitut, Thomas Kreidner von ICS und unserem Management.

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METAL HAMMER Podcast Folge 94 mit Subway To Sally

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