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Interview mit Wacken-Mitveranstalter Thomas Jensen
METAL HAMMER: Thomas, Glückwunsch zum Sold-out – in nur 4,5 Stunden, ein neuer Rekord! Was bedeutet euch das?
Thomas Jensen: Nach solch einem Jahr ist das noch eine Schippe mehr. Die Community steht zu uns. Sie hat gesehen, was die Crew und das Team geleistet haben, und sie hat Bock auf Wacken. Holger und ich werten das als Auftrag; wir sehen uns als Organisatoren dieser Party, nicht als Ticket-Verkäufer.
MH: Wie viele „Helden des Festivals“, die 2023 nicht kommen durften und es dadurch erst ermöglicht haben, machten vom verfrühten Vorverkauf Gebrauch?
TJ: Wesentlich über die Hälfte – es gibt bestimmt auch noch welche, die die E-Mail nicht gelesen haben, weil sie noch unterwegs sind. Das können wir erst im Nachgang analysieren. Ich finde das unglaublich, das sind die Treuen der Treuen – man muss sich überlegen: Sie haben bisher weder das Geld für ihr altes Ticket noch das zuvor aufgebuchte Cashless-Guthaben zurückbekommen, und schenken uns trotzdem das Vertrauen, bereits eine neue Karte zu kaufen. Man kann nicht ausdrücken, welche Demut und Dankbarkeit Holger und ich dabei empfinden.
MH: Lass uns über die Anreise und die ersten Tage des Festivals sprechen: Offensichtlich und unter viel Anerkennung habt ihr alles versucht, um Leute aufs Gelände und das Festival stattfinden zu lassen – aber auch Fehler wurden und werden euch vorgeworfen, etwa mangelnde Vorbereitung und schleppende Kommunikation mit Anreisenden. Was lernt ihr für die Zukunft daraus?
TJ: Wir sind immer dankbar für Kritik, sei es aus den eigenen Reihen vom Team, von unseren Dienstleistern und den Behörden, und vor allem aus der Community. So haben wir es immer gemacht und werden abwägen, wie wir was ändern müssen. Zum jetzigen Zeitpunkt ist es noch zu früh; wir sammeln weiterhin Fakten und Stimmen und hinterfragen, warum Dinge so oder so gelaufen sind. Oft gibt es kommunikative Gründe, oder man arbeitete zu einem bestimmten Zeitpunkt noch an Lösungen und konnte nichts sagen. Das gucken wir uns im Detail an; wenn es nicht schnell genug gegangen ist und sich jemand nicht gut genug informiert gefühlt hat, entschuldigen wir uns dafür. An erster Stelle geht es immer um Sicherheit, an zweiter darum, das Festival zu verbessern, und das machen wir seit 32 Ausgaben.
Es ist ein Prozess, wir sind Menschen, auch wenn unser Team Übermenschliches leistet, aber sicher hat das ein oder andere nicht funktioniert. Doch das meiste hat geklappt: Fast alle Bands haben gespielt, eine Band wie Trivium – unabhängig vom Wetter – trotz der Notoperation ihres Bassisten. Alle – die Community, die Gemeinde Wacken, das Land Schleswig-Holstein, die bis zur Hüfte im Schlamm stehenden Stewards – wollen dieses Fest; da ist ein eiserner Wille, für den wir dankbar sind. Auch die Solidarität, die wir von anderen Festivals erfahren haben, hat uns bewegt – allen voran die MetalDays in Slowenien, die helfen wollten, und die es dann noch schlimmer erwischt hat.
MH: Wie kam es zu der Entscheidung, das Infield mit den Hauptbühnen schon am Mittwoch zu öffnen, und ist das ein Zukunftsmodell?
TJ: Es haben sich Möglichkeiten aufgetan, wie etwa die Broilers. Das sollte eine Überraschung für alle werden. Wir wollten es nur geiler machen – wir wussten ja nicht, dass das Wetter so beschissen ist. Das hat uns noch mal Spielräume verschafft, weil wir Bands anders platzieren konnten. Wir haben gesehen, wie die Bodenbeschaffenheiten sind und haben reagiert; das Booking-Team hat am Mittwoch glaube ich 15 Mal die Running-Order umgestellt. Mir würde es gefallen, den Mittwoch in den nächsten Jahren weiter derart zu bespielen.
MH: Trotz oder vielleicht vor allem wegen all dieser Zusatzherausforderungen warst du wieder viel auf dem Gelände unterwegs; welche waren deine persönliche Bühnen-Highlights?
TJ: Mein Zeitplan wurde ziemlich umgeschmissen, weshalb ich nicht viel sehen konnte. Ich hatte das Glück, immer den Livestream anzumoderieren, von wo aus ich jeweils die ersten und letzten Nummern der Headliner sehen konnte und die ersten Songs von Stephan Weidner – immerhin. Und ich hatte das Riesenglück, zusammen mit Rod Smallwood einen Großteil der Maiden-Show zu sehen, nachdem Steve Harris und Co. zuvor beim Fußballturnier unseren TSV Wacken zerlegt haben. Ich bin gerade dabei, viele Shows im Stream nachzuholen.
Interview mit Rockharz-Veranstalter Thorsten „Buddy“ Kohlrausch
METAL HAMMER: Buddy, 30 Jahre Rockharz sollten vor allem ein Grund zum Feiern sein. Zugleich hattet ihr im Team zwei Todesfälle zu betrauern. Mit welchen Gefühlen blickst du auf das diesjährige Festival zurück?
Thorsten Kohlrausch: Dieses Jahr war geprägt von einem Auf und Ab der Gefühle und Ereignisse wie noch nie zuvor. Zum einen das Feiern eines 30. Jubiläums, grandios laufender Vorverkauf, Rekordbesucherzahlen bei sehr frühem Sold-out; also die besten Grundvoraussetzungen für ein gelungenes Festival … Doch bereits Anfang des Jahres begannen die Schwierigkeiten. Langjährige Mitglieder unseres Kern-Teams wollten sich beruflich umorientieren, was dazu führte, dass wir vieles nicht geschafft haben, was wir uns zum Jubiläum vorgenommen hatten.
Direkt vor dem Festival überschlugen sich die Ereignisse: Das plötzliche Ableben von Dirk (Lehberger – Anm.d.A.), die unerwartete Absage eines großen neuen Sponsors, Unwetter beim Aufbau mit Beschädigungen unseres nahezu gesamten Fuhrparks, Querelen mit dem Schließfachanbieter und so weiter. Und dann am Freitag die unfassbare Nachricht, dass unsere Cateringchefin Kristin am frühen Morgen tödlich verunglückt war. Das mit einem eigentlich perfekten Festival bei super Wetter und feiernden, glücklichen Gästen sowie begeisterten Bands emotional auf eine Linie zu bringen, war unglaublich schwer. So viel Glück und Unglück auf einmal … Ein krasses Erlebnis.
MH: Kurzfristige Herausforderungen ergaben sich bei der Befüllung des Campingplatzes und mit den Mobiltoiletten. Wie habt ihr darauf reagiert, und was lernt ihr für die Zukunft daraus?
TK: Dem Mobiltoilettenproblem werden wir einfach durch einen Wechsel des Dienstleisters begegnen. Man muss wissen, dass wir dieses Jahr zwei unterschiedliche Anbieter vor Ort hatten: einmal für die öffentlichen Mobiltoiletten, und einmal für die von Gästen gemieteten Toiletten. Das Problem bestand „nur“ bei den Miettoiletten, es wurden 400 weniger geliefert als bestellt. Der andere Dienstleister, die Firma Enders, war super und konnte innerhalb von ein paar Stunden die fehlende Menge besorgen. Was den Campingplatz angeht, ist die Problemstellung etwas differenzierter.
Dadurch, dass man bei uns am Auto campen kann und wir traditionell niemals so etwas wie extra Parkgebühren oder Zusatzgebühren für besonders große Fahrzeuge genommen haben, haben wir jetzt eine unglaublich hohe Anzahl von Fahrzeugen und Gespannen auf dem Platz. Speziell jetzt nach den Coronajahren gelten alte Berechnungsgrundlagen nicht mehr, mit denen man noch vor fünf Jahren ziemlich genau Platzbedarfe ausrechnen konnte. Diesbezüglich müssen wir uns etwas einfallen lassen, da wir nur begrenzte Camping-Flächen zur Verfügung haben. Was genau das sein wird, müssen wir uns überlegen. Der Schlüssel liegt aber in der Anzahl und Größe der Fahrzeuge auf dem Platz, so viel ist klar.
MH: Besonderes Lob gab es für euer Inklusionskonzept. Kannst du dazu ein paar Worte verlieren?
TK: Die Inklusion von Menschen mit Behinderungen ist uns bereits seit Jahren ein Anliegen. Dieses Jahr haben wir uns besonders stark darum bemüht. Wir konnten ganz tolle Partner gewinnen und arbeiten unter anderem mit der Lebenshilfe in Braunschweig zusammen. Ebenso hat sich aus der Freundschaft zu Björn Schulz, der seit zehn Jahren im Rollstuhl sitzt und mittlerweile zum Ansprechpartner für Menschen mit Behinderungen bei uns geworden ist, eine tolle und sehr fruchtbare Kooperation für Inklusion entwickelt. Unter dem Titel „Kultur für alle“ möchten wir in naher Zukunft eine Infrastruktur aufbauen, die es ermöglichen soll, dass Menschen mit Behinderungen solche Festivals wie das unsrige so barrierearm wie möglich vorfinden und genießen können.
MH: Dass das Festival ein voller Erfolg war, zeigt auch der Andrang auf Tickets für das Rockharz 2024, der eure Server in die Knie zwang. Was bedeutet euch das, und was bedeutet das für die zukünftige Entwicklung des Festivals (auch angesichts des selbstverordneten Wachstumsstopps)?
TK: Wir sind froh, dankbar und stolz, dass es mittlerweile solch ein großes Interesse am Rockharz gibt. Im Moment, also knapp eine Woche nach dem Vorverkaufsstart, haben wir bereits mehr als zwei Drittel der verfügbaren Tickets verkauft. Das ist der Hammer! Das gibt uns Planungssicherheit und die Möglichkeit, zu investieren und das Festival immer weiter zu verbessern. Was die Anzahl der Tickets angeht, bleiben wir bei unserem Statement: kein Wachstum in 2024! Wir möchten alles perfektionieren und das nächste Festival mindestens genauso gut hinbekommen wie das diesjährige. Ich hoffe, nein, ich bin davon überzeugt: Das wird uns gelingen!
Interview mit Summer Breeze-Veranstalter Achim Ostertag
MH: Achim, nach den „Roots Of Summer Breeze“ 2022 gab es auch dieses Jahr wieder bereits am Dienstag Band-Programm. Eine neue, feste Institution beim Summer Breeze?
Achim Ostertag: Wir finden es spannend, am Dienstag eher mal lokalen und teils auch befreundeten Bands eine Plattform bieten zu können. Ein Programm am Dienstag soll auf jeden Fall beibehalten werden, da es richtig gut ankommt und den Bands sowie Fans eine schöne Warm-up-Party beschert.
MH: Am Anreisetag kam es zu langen Staus – woran lag das, und was wollt ihr in Zukunft dagegen unternehmen?
AO: Wir hatten im Vorfeld wieder unsere Anreiseumfrage online gestellt, und das Ergebnis war bis auf die Stelle hinterm Komma identisch zum Vorjahr. Viele haben uns danach berichtet, dass sie durch die Vorkommnisse in Wacken einfach direkt Dienstag früh auf dem Platz sein wollten, um sicher dabei zu sein. Es hatte bei uns die Wochen zuvor relativ viel geregnet, auch für Mittwochabend war Regen vorhergesagt. So kam es, dass am Dienstag fast 5.000 Besucher mehr als erwartet in kurzer Zeit angereist sind. Dieser Ansturm war dann nicht schneller abzuarbeiten, obwohl alle Schleusen durchgehend auf Hochtouren liefen. Auch wenn es sich wahrscheinlich 2024 wieder anders darstellt, werden wir überlegen, wie wir die Anreise besser steuern können und nehmen das Feedback der Fans diesbezüglich auf!
MH: Das Summer Breeze blieb von umherziehenden Gewittern verschont, die anhaltende Hitze war aber auch nicht ohne. Stellte euch das vor besondere Herausforderungen?
AO: Die Herausforderungen wegen des Wetters haben sich auf jeden Fall über die letzten Jahre geändert. Wir haben zwischenzeitlich einen Meteorologen im Team, der die ganze Zeit das Wetter beobachtet und uns frühzeitig auf mögliche Szenarien vorbereitet. Auffällig sind auch die Ausmaße der jeweiligen Wetterlage. Es ist keine Seltenheit mehr, dass man binnen eines Festivals mit mehreren Extremen wie Hitze oder Starkregen zu kämpfen hat. Bei Hitze geht es um Schatten, Wasser, Unwettergefahr. Bei anhaltenden Regenfällen müssen Wege präpariert, Fluchtwege gesichert und die Infrastruktur instandgehalten werden. Flexibilität und die Sicherheit unserer Besuchenden sind das A und O. Die Kommunikation via Push Nachricht in der Festival-App hat hier gute Dienste geleistet.
MH: Du bist seit Kurzem Mitgesellschafter von Reaper Entertainment – was bedeutet das für dich, für das Label und für das Summer Breeze?
AO: Seit wir 2011 Silverdust Records beendet hatten, war es immer ein Wunsch, wieder bei einem Label mitzumischen. Auch wenn ich jetzt eher im Hintergrund agiere, macht es unglaublich viel Spaß, mit Flori und Greg (Florian Milz und Gregor Rothermel, Geschäftsführer – Anm.d.A.) neue Perlen zu entdecken und Tonträger mit Herz – schöne Boxen, tolle Vinylfarben … – auf den Markt zu bringen. Beim Summer Breeze machen wir es uns schon seit Jahren zur Aufgabe, neue Bands zu supporten und nach vorne zu bringen, und das ist bei Reaper die Fortführung davon. Wir sind hundertprozentig unabhängig und einfach selbst noch Fans der Musik.
MH: Die Early Bird-Tickets für 2024 waren im Handumdrehen weg. Könnt ihr schon etwas zu den weiteren Preisstufen und einer Fortsetzung der „New Blood“-Nachwuchsaktion sagen?
AO: Die ersten 20.000 Tickets waren gerade mal fünf Tage nach dem Festival verkauft. Wir wollen aber den Besuchern bis 31.10. (oder für weitere 16.660 Tickets) die Chance geben, für 200 Euro (16.66% Rabatt auf den Endpreis) ihr Ticket zu sichern. Wir freuen uns riesig über die grandiose Resonanz und die Tatsache, dass sich so viele Menschen bereits dazu entschieden haben, 2024 dabei zu sein! Die New Blood-Aktion werden wir auf jeden Fall auswerten und schauen, ob wir sie erneut anbieten können. Wir denken, es muss vor allem bei den unter Zwanzigjährigen dringend Werbung für Festivals und Metal allgemein gemacht werden. Die jüngere Generation hatte durch die Zwangspause Corona noch keine Chance, ausreichend in die Welt der Open Airs einzutauchen.
Interviews: Sebastian Kessler
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