Samstag, 14.12.2019
Vorboten
Tag zwei startet mit Groza und öffnet eine musikalische Klammer, die das heutige Programm perfekt einrahmt und mit Mgła am Abend geschlossen wird. Die junge Band aus Bayern macht kein Geheimnis daraus, wie sehr sie durch ihre polnischen Vorbilder inspiriert sind. Bereits der Band-Name ist Beweis genug und auch stilistisch liebäugeln Groza sehr mit dem Festival-Headliner – das aber ausgesprochen überzeugend. Mgłas Debüt GROZA erschien 2008. Zehn Jahre später veröffentlichte der kleine Bruder sein Erstgeborenes UNIFIED IN VOID. Ein imposantes Lebensbaum-Emblem prangt am Mikrofonständer, während die Musiker mal tiefe, mal hohe Schreie in den Saal abfeuern. Der letzte Ton ist noch nicht verklungen, da verlassen Groza auch schon die Bühne – flotter Abgang!
Wer hat den Schönsten…
…Mikrofonständer? Auch Enisum gehören zum Club der Deko-Talente und haben ein Gebilde aus Ästen mit nach Paulinenaue gebracht. Links und rechts ragen Kerzenleuchter empor, in der Mitte steht eingerahmt Frontmann Lys. Die Musiker geben sich ihrer Musik voll und ganz hin, Bassist Leynir spielt meist mit geschlossenen Augen und scheint jede einzelne Note zu genießen. Diese Leidenschaft geht aufs Publikum über: Der melodische, liebevolle Black Metal von Enisum ist purer Genuss!
Stolz und Unheil
Der im Rotlicht umherstolzierende K hat immer irgendwas Prolloeskes an sich, was bei einem Bandnamen wie Arroganz wohl zwangsweise zum Programm gehört. Von allen Bands schmückt das Trio immerhin auch der am wenigsten frustfütternde depressive Klang, stattdessen erklingt wuterfülltes Death Metal-Geknüppel.
Es hämmert nach kurzem Umbaupäuschen ein weiteres Mal heftige Blast Beats in die Dunkelheit der kühlen Halle und keifend heulend schreit Frontmann der isländischen Band Almyrkvi in sein Mikro. Wie ein Suchscheinwerfer tastet ein kreisender Bühnenstrahler die Menschenmenge vor der Bühne ab und gibt dabei immer wieder einen Blick auf die Silhouette der einzelnen Bandmitglieder frei.
Melodisch-okkult
Auf der Bühne herrscht bei Crimson Moon nur wenig Bewegung – muss auch nicht. Dafür liefert die Band musikalisch ab, während die Zuhörer ordentlich abgehen. Das deutsch-amerikanische Gespann lässt Sprechparts vom Band los und überzeugt selbst mit melodisch-okkultem, sehr vielseitigem Black Metal. Nach dem zweiten Song müssen kurz die Instrumente nachgestimmt werden – dann kann es weitergehen! Erst im August veröffentlichte die Band ihr Album MORS VINCIT OMNIA, von dem sie das Lied ‘Vanitas’ spielt. Kurz danach endet der Auftritt mit ‘Under The Serpentine Spell’.
Brav reihen sich Sinmara am Bühnenrand auf und bespielen in fesselnder Ekstase ihre Instrumente. Wer dabei eigentlich wer ist, könnte man – wie bei einigen Bands dieses Tages – nicht wirklich sagen, da jeden eine schwarze komplett übers Gesicht gezogene Kapuze verdeckt. Der Trupp, der erst in diesem Jahr sein Zweitwerk HVISL STJARNANNA veröffentlicht hat, schafft eine perfekte Balance aus melodisch tragender Instrumentierung und hasserfüllt klingendem Stimmeinsatz.
Es folgt die angeblich beste Black Metal-Band, die Deutschland derzeit zu bieten hat, zumindest, wenn man dem Untergrundgesäusel glauben mag. Mit ihrer höchst fraglichen Label-Wahl halten sich Ascension aber dennoch die großen Hörerzahlen vom Leib. Im Jugendhaus Paulinenaue tummeln sich mittlerweile aber jede Menge Besucher, die zum großen Teil aber wohl auf den im Anschluss endlich stattfindenden Höhepunkt des Tages – für viele gar des gesamten Festivals – hin stieren!
Glanznummer ganz in Schwarz
Mgła zählen aktuell zum heißen Scheiß des nicht mehr ganz so untergrundigen Untergrunds und erfreuen sich Genre-übergreifend großer Beliebtheit. Umso erstaunlicher ist es daher, dass der Saal – anders als erwartet – nicht aus allen Nähten platzt. Daran hat schlussendlich wohl nur die abgeschiedene Lage der Location Schuld. Die anwesenden Besucher feiern ihre Helden, verlieren sich in der Aufführung und leben jedes Stück. Zusätzlich zu ihren verhüllenden Kapuzen verdecken Mgła ihre Gesichter mit einer Art Maske aus Stoff.
Wo Nase, Mund und Augen sein sollten, erblickt man hier nur schwarze Löcher. Nichts soll vom musikalischen Spektakel und den nihilistischen Inhalten ablenken – auch Gestik und Mimik nicht! Als gegen Ende der Mikrofonständer auf der rechten Seite umfällt, bringt das die Band keineswegs aus dem Konzept. Mgła präsentieren sich extrem mächtig und liefern schlichtweg große Kunst! Nur einmal schallt am Ende kurz eine Faust in die Luft, bevor die Musiker wie schwarze Schatten von der Bühne verschwinden.
Fazit
Das De Mortem Et Diabolum präsentierte sich auch 2019 als offenes, tolerantes und gelungenes Festival. Auf zwei Zwischenfälle (ein ausfallend werdender Besucher sowie ein Vollidiot, der während Mgła meinte, den rechten Arm heben zu müssen) reagierten Security und Veranstalter sofort. Letzterer flog umgehend aus dem Saal. Gut so. Wir freuen uns auf die nächste Ausgabe, dann hoffentlich wieder in der Hauptstadt!
Veranstalter-Interview
Warum fand das Festival in Brandenburg und nicht wie geplant im Berliner Columbia Theater statt?
Versuchen wir, es kurzzuhalten. Das Columbia Theater hat uns mit Vorwürfen konfrontiert, die sie sich im Internet aus Quellen wie Forenbeiträgen, Facebook-Kommentaren und Kommentaren unter Reviews in Magazinen zusammengesucht haben. Wichtig hierbei ist: das alles, weit bevor wir Mgła gebucht haben. Die Vorwürfe konnten sie natürlich nicht belegen. Hinzugezogen haben sie zudem verschiedene Initiativen, deren Hintergründe und (finanzielle) Interessen wir nicht kennen, die mit weiteren Anschuldigungen kamen – teils zu Bands, die nie bei uns gespielt haben – und uns wieder jeden Beleg schuldig geblieben sind. Zu allem Überfluss wurden Gesprächsangebote unsererseits seitens der Initiativen immer wieder abgelehnt. Wir haben gedacht, dass wäre ein guter Austausch. Denn Kritik und (ungerechtfertigten) Anschuldigungen begegnet man in unserer Welt am ehesten mit einem Austausch und einer Diskussion.
Was führte euch letztendlich nach Brandenburg?
Irgendwann Anfang des Herbstes wurden uns Auflagen erteilt, alle Bands von einer offiziellen Behörde auf Unbedenklichkeit prüfen zu lassen. Besser gesagt, wir haben uns darauf eingelassen und eine Frist gesetzt bekommen. Wir haben es versucht und hatten auch eine Zusage auf Prüfung – aber das Ergebnis kriegen wir dann vielleicht zum 10. Jubiläum. Das ist keine Kritik an den Behörden, diese haben höchstwahrscheinlich Besseres zu tun, als sich mit einer Veranstaltung zu beschäftigen, die nicht politisch ist und ein wesentlich kleineres Gewaltpotenzial als jedes Dorffest aufweist. Noch dazu, weil sich keine Band in dieser Hinsicht etwas Relevantes zuschulden hat kommen lassen. Da die Frist langsam erlosch und leider keine Berliner Location mehr verfügbar war, obwohl wir seit dem Frühjahr auf der Suche nach einer tragbaren Alternative waren, ging es dann nach Brandenburg.
Vorab habt ihr noch versucht, eine Alternative zum Columbia Theater in Berlin zu finden.
Es gab mehrere Locations, die uns gerne in Berlin genommen hätten, aber leider schon ausgebucht waren. Nur damit auch hier keine Missverständnisse aufkommen: Abseits einzelner unbedeutender Stimmen oder Internetkommentare gab es keinen öffentlichen Druck. Der Kern des Anstoßes waren langjährige Partner, denen wir vertraut haben. Die Wortbrüche im vergangenen Jahr und die für Teile von uns massiv beleidigenden Unterstellungen haben dazu geführt, dass wir das Kapitel ein für alle Mal geschlossen haben.
Aus den Ereignissen resultierend, worin bestand folglich für euch als Team die größte Herausforderung?
Glücklicherweise bot uns das Jugendhaus Paulinenaue eine Ausweichmöglichkeit, die von den Voraussetzungen her ideal war. Abgesehen natürlich von der örtlichen Anbindung und den Einkaufsmöglichkeiten vor Ort. Die größte Herausforderung war, von den Besuchern das Vertrauen zu bekommen, sich trotzdem auf den Weg zu machen. Umso dankbarer sind wir, dass sie so zahlreich erschienen sind. Aus mehr als 16 Nationen übrigens! Schlussendlich kamen natürlich Dinge wie die Zuganbindung hinzu, die wir über ein Shuttle lösen konnten. Auch für die Bands war die Anfahrt aufwändiger, aber hier hatten alle Verständnis, wofür wir uns ebenfalls nur bedanken können. Insbesondere unsere großartige Crew müssen wir aber herausheben, die kurzfristig auch noch die Verpflegung der Gäste gestemmt und sich als tolles, engagiertes Team an allen Fronten gezeigt hat – und das, obwohl sie durch die Umstände deutlich mehr Verantwortung tragen mussten.
Wie sieht euer Fazit zum De Mortem Et Diabolum 2019 aus?
Gemessen an den Umständen: sehr positiv. Wir hatten einen exzellenten Sound, eine großartige Bühne, freundliche Venue-Betreiber, ein super Team und nicht zuletzt ein fantastisches Billing. Dazu kommt, dass wir von unseren Gästen und seitens der Venue nur Gutes gehört haben, sodass im Grunde alle Seiten mit diesem Kompromiss durchaus zufrieden waren. Wir müssen uns aber auch nichts vormachen: Rein finanziell haben wir den Umzug gespürt. Wir gehen alle davon aus, dass wir bei dem Billing in einer Berliner Location ausverkauft gewesen wären. Das haben wir nicht erreicht, doch das hat auch niemand erwartet. Primär ging es darum, die 2019er-Ausgabe zu retten und das Beste daraus zu machen. Und das ist uns definitiv gelungen!
Lisa Gratzke & Celia Woitas