Für Serj Tankian war 2011 ein bewegtes Jahr. Neben gefeierten Reunion-Shows mit System Of A Down, dem Erscheinen seines zweiten Gedichtbands ‘Glaring Through Oblivion’ und der Bühnenpremiere seines Rockmusicals ‘Prometheus Bound’ komplettierte der Sänger und Komponist gleich drei verschiedene Solowerke, die nun auf sukzessiven Stapellauf gehen. Den Anfang macht HARAKIRI, sein offiziell dritter Albumalleingang, der sich vornehmlich dem schnörkellosen Rock widmet.
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Dem zentralen Titelstück kommt indes auch inhaltlich eine übergeordnete Bedeutung als inspirative Initialzündung zu. Das zu Beginn 2011 in Amerika, Schweden und Neuseeland zu beobachten gewesene, plötzliche Phänomen eines massenhaften, kollektiven Tiersterbens war für Serj Anlass und Ansatz für jenen Song: „Als zum Jahresanfang auf einmal all diese Vögel und Fische starben, war das für mich ein sehr bewegendes Ereignis, welches mit der Tatsache einhergeht, dass wir alle nicht wissen, warum dies geschah. Für mich war das Ganze eine Art Warnzeichen, da Tiere instinktiv spüren, wenn ein großes Unglück anrückt“, weiß Serj. „Fische springen aus dem Aquarium, wenn etwas Schlimmes bevorsteht, Tauben fliegen Tage vor einem Tsunami aus, und Ähnliches. Bevor unsere ganzen menschlichen und technischen Warnsysteme Alarm schlagen, wissen die Tiere schon Bescheid.“
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Kreativität auf dem Tablett
In gewohnter und geliebter Querdenkermanie macht sich Serj allerdings nicht nur einen Kopf um den gesundheitlichen (Geistes-)Zustand unseres Planeten, sondern bemüht sich auch schöpferisch um neue Ausdrucksformen und -techniken. „Die Grundlagen für ‘Ching Chime’, ‘Reality TV’ und ‘Deafening Silence’ habe ich tatsächlich auf dem iPad skizziert und geschrieben. Ich bin fasziniert von diesen ganzen tollen, neuen Musik-Apps, die mittlerweile zu haben sind. Es gibt super Synthesizer-Apps, wie diesen virtuellen Moog-Emulator ’Animoog’. Oder die ganzen Beatbox-Programme wie ’iAmBeatBox’ sind auch richtig klasse. Toll, um zu experimentieren sowie Beats und Sounds zu erschaffen“, erklärt Tankian seinen intuitiven Spieltrieb.
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Bei allem ökologischen und ökonomischen Bewusstsein ist Tankian nämlich keineswegs ein Technikfeind, der den Teufel zunehmender Digitalisierungsprozesse und Automatisierungen unserer Welt an die Wand malt. „Technologie ist ja nicht per se der Feind und schlecht. Es gibt genug Technik, die uns hilft: Software, die den Verlauf von Hurrikanen aufzeichnet oder seismografische Strömungen verfolgt und uns dadurch Warnhinweise geben kann. Technik zerstört die Welt nicht, aber die Ignoranz der Menschen tut es. Ich bin mir sicher, dass die technologische Entwicklung und der technische Fortschritt in nächster Zeit keineswegs zurückgehen werden. Aber wir müssen stärker lernen, wie man Technik in einem ganzheitlichen, holistischen Verständnis und im Zusammenspiel mit der Natur und den Menschen besser einsetzt und nutzt.“
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Zukunftsmusik
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Die nicht minder spannende Frage bezüglich der näheren Zusammenspiel-Zukunft von System Of A Down kann selbst Serj zu diesem Zeitpunkt nicht genauer beantworten. „Wir haben noch gar nicht wirklich konkret als Band darüber gesprochen oder irgendetwas geplant. Aber ich bin mir sicher, dass wir eines Tages eine neue Platte aufnehmen werden. Nur ist bislang noch gar nichts spruchreif“, erklärt der Sänger.
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Nachdem sich mit HARAKIRI nun um den Rock gekümmert wurde, stehen als nächstes das instrumental-sinfonische Album ORCA, das reinrassige Jazz-Album JAZZ IS CHRIST sowie ein weiteres Projekt namens Fucktronic ins Haus. Letzteres entstand in Kollaboration mit Jimmy Urine von Mindless Self Indulgence und ist Serjs Angaben zufolge ein Hörbuch/Soundtrack-Hybrid-Konzeptalbum im Stil eines fiktiven britischen Gangsterfilms, komplett mit Schauspielersprechrollen. Genug spannender Stoff also für die nächsten Jahre.
Bezüglich allgegenwärtiger Ängste und Voraussagungen zum vermeintlich finalen Silvester-Vernichtungsknall zeigt sich Serj indes entspannt: „Keine Ahnung, was am Jahresende passieren wird. Es gibt viele Theorien rund um die Bedeutung des Maya-Kalenders. Aber es existieren auch, wie bereits erwähnt, überall auf der Welt Anzeichen von Katastrophen, die in letzter Zeit an Intensität und Häufigkeit einfach zugenommen haben. Ich denke, dass man nichts auf ein fixes Datum legen kann, denn diese ganze Entwicklung ist eine längerfristige, die schon vor einiger Zeit begonnen hat“, so Serj. „Außerdem darf die Welt jetzt nicht enden, ich habe immerhin noch ein paar verfluchte Platten zu veröffentlichen“, grinst der Mann im Monitorfenster, und schickt uns mit einem beruhigenden Lachen in die ungewisse Zukunft.
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Mehr von Serj Tankian und dem aktuellen Album HARAKIRI könnt ihr in unserer August-Ausgabe lesen.
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