Ich muss gestehen: Das letzte Trivium-Album SILENCE IN THE SNOW (2015) war ein echter Schock. Phasenweise traute ich meinen Ohren nicht. Wir reden hier von einer Band, die in den letzten zwölf Jahren (und dem grandiosen zweiten Album ASCENDANCY von 2005) mehrmals in meiner Jahres-Top Ten vertreten war (oder sie mit SHOGUN 2008 gar anführte). Wieso mitreißende Musiker, die einst angetreten waren, diverse Metal-Klassiker in eine zeitgeistige Sprache zu übersetzen, sich an derart biederen, altbackenen Kompositionen abarbeiteten, hat sich mir bis heute nicht erschlossen.
Klar, Matt Heafy hatte sich 2014 seine Stimme zerschossen – aber das kann für eine derart lasche Präsentation nicht als Entschuldigung dienen. Da hätten Trivium lieber noch ein Jahr (oder auf die komplette Regeneration) warten sollen, als mit SILENCE IN THE SNOW einen vertonten Spannungsabfall zu präsentieren. Ich kann dementsprechend nicht gerade behaupten, dass ich der Veröffentlichung von THE SIN AND THE SENTENCE mit riesigem Enthusiasmus entgegengeblickt habe. Von einer derart großen Liebe enttäuscht zu werden, tut eben doch am meisten weh. Aber – auch das ist Teil der Wahrheit – man hegt eben immer noch insgeheim Gefühle. Und Hoffnung.
Um im Bild zu bleiben: THE SIN AND THE SENTENCE ist ein Liebesbrief an die alte Anhängerschaft, welche die Wurzeln (die tief im Thrash liegen, aber bis zum Death Metal und Metalcore greifen und vom Melodiegefühl der Heldenkategorie Iron Maiden und Metallica geprägt sind) des Quartetts mögen. Diese Scheibe bietet genau das, was man an Trivium schätzt: Dynamische Strukturen, plötzliche Raserei, technische Finessen und schmeichelnde Harmonien, welche dem Quartett aus Florida zu jedem Zeitpunkt eine Möglichkeit zum Ausstieg in den Chorus geben. Ja, Frontmann Matt Heafys Stimme ist deutlich melodischer eingesetzt als auf der Pantera-Verneigung IN WAVES (2011) oder dem erwähnten SHOGUN. Nur setzt diese jetzt wieder clevere Kontrapunkte und geht nicht in Selbstgefälligkeit unter.
Der Titel-Track, ‘The Heart From Your Hate’ oder ‘Beyond Oblivion’ sind Paradebeispiele für den perfekten Mix aus metallischer Attitüde, intelligenter Struktur und gefälligem Songwriting. Hier stellen Trivium in diversen Leistungskategorien eine eigene Liga dar. Und wenn Heafy und sein Gitarrenpartner Corey Beaulieu an ihren Instrumenten mal so richtig abgehen (‘Betrayer’), liegen selbst die traditionellsten Kritiker vor Ehrfurcht im Staub. Das kann Michael Amott (Arch Enemy) nicht besser, prägnanter und schärfer spielen. Mit ‘The Wretchedness Inside’ dokumentieren Trivium zudem, dass sie sich auch in Slipknot-Gefilden durchaus wohlfühlen (vor allem, wenn man deren ALL HOPE IS GONE–Phase von 2008 zum Maßstab nimmt).
Diese Scheibe zeigt wieder einmal eindrucksvoll, welche verschiedenen Arten der Ausdrucksform das Thrash Metal-Genre bietet – wenn man denn gewillt und gedanklich dazu in der Lage ist, diese zu nutzen. Mit THE SIN AND THE SENTENCE kehren Trivium dahin zurück, wo sie hingehören: An die Speerspitze der modernen Thrash Metal-Bewegung.