Jeder, der schon mal das rare Glück hatte, einer authentischen Fado-Performance beizuwohnen, kennt dieses Gefühl tief in der Brust: Brennende Leidenschaft, gepaart mit Melancholie, Elegie und dem kollektiven Schmerz einer gesamten Nation dringen aus Gesang und Musik hervor. Fado, das bedeutet übersetzt nicht umsonst Schicksal, das ist eine Kunstform, die der „saudade“ besonders nah ist.
Jener lustvolle Weltschmerz ist es auch, der die Musik von Sinistro formt. Nicht vordergründig und offensichtlich, eher auf einer diffusen Gefühlsebene, zu der die portugiesischen Doom-Rocker auch auf SANGUE CÁSSIA alles in die Waagschale legen, was ihre Seelenwelt hergibt. Die bleierne Schwere des Doom ist hier ebenso präsent wie die verschleppte Monotonie des Trip-Hop, die flächige Herangehensweise eines Soundtrack-Komponisten ebenso wie das desolat verhallende Flirren des Post Rock. Das funktioniert alles schon rein instrumental, begeistert und betört durch eine beispiellos scheuklappenlose Herangehensweise an düstere Musik.
Ohne die herzergreifende, jenseitige Stimme von Patrícia Andrade wäre SANGUE CÁSSIA aber eben „nur“ ein hörenswertes, stimmungsvolles Album. So wird nach dem Überraschungserfolg SEMENTE auch der vierte Streich der Lissaboner Schmerzensmenschen zu einem dramatisch aufwallenden, berauschenden Hörgenuss, dem man sich nicht entziehen kann.