Opeth Watershed

Progressive Metal, Roadrunner/Warner 7 Songs / 54:56 Min. / 30.05.2008

6/ 7
teilen
twittern
mailen
teilen
von
Foto: Roadrunner/Warner

Für die einen sind sie die größte Schlaftablette seit Erfindung des Death Metal, andere hängen an jedem Ton, der aus Opeths komplexen Zehn-Minuten-Prog-Death-Opern quellt. Die Band profitiert – das macht WATERSHED einmal mehr deutlich – von der kreativen Kontroverse, die im Herzen ihrer Musik begraben liegt. Darf Death Metal, der brutale, muskelbepackte Rebell des Achtziger-Jahre-Untergrunds, sich die versponnene Feingeistigkeit der Seventies zu eigen machen?

Er darf, finden offenbar immer mehr Fans – und das ist das eigentlich Erstaunliche an der Karriere von Opeth. Denn blickt man auf das bisherige Œuvre der Schweden, so fällt kein bahnbrechender Meilenstein ins Auge. Im Gegenteil: Hier macht sich – so selten das auch sonst im Musikgeschäft Früchte trägt – Zähigkeit bezahlt. Zwischenzeitlich konnte Mikael Åkerfeldt kaum seine Rechnungen bezahlen, musste bei Freunden Unterschlupf finden – und blieb doch beharrlich bei seiner oft belächelten Prämisse, Camel statt Carcass auf die Top-Position seiner Playlists zu hieven.

Was genau den heutigen Erfolg der Band ausmacht, ist somit schwer zu beschreiben. Heute werden sie als Prog-Band wahrgenommen und – so scheint es – von der zu lange in technische Perfektion vernarrten Szene als oft polternder, aber doch in die kleinen Details, die filigrane Inszenierung vernarrter Haufen begierig aufgesogen. Nicht umsonst war es DAMNATION, der softe Zwilling des rüden Death Metal-Brockens DELIVERANCE, der die Band erstmals in die Mainstream-Charts und ins Herz der Prog-Bewegung brachte.

Seitdem sind Opeth wieder zu ihrer typischen Mischung aus Laut-Leise-Kontrasten, aus oft akustisch inszenierten Melodiereigen und rüden Riff-Attacken zurückgekehrt: erst auf GHOST REVERIES 2005 und jetzt auch auf dem neuesten Werk WATERSHED. Das beginnt – fast untypisch – mit dem sehr ruhigen, atmosphärischen Drei-Minüter ‘Coil’, auf dem der Gastgesang von Nathalie Lorichs ätherischen Charme verbreitet und das reibungslos in die hymnische, mit betörend schönen Melodiebögen verzierte Nummer ‘Heir Apparent’ übergeht. ‘The Lotus Eater’, auch als B-Seite der ersten Single ‘Porcelain Heart’ veröffentlicht, ist für mich der schönste Song des Albums: ein Parforce-Ritt zwischen mitreißend wuchtigen Death Metal-Klangwalzen, virtuoser Soloarbeit von Åkerfeldt und fast vollkommenem Stillstand, wenn sparsam instrumentierte Soundscapes durch den aufgewirbelten Staub sichtbar werden.

Akustisch gezupfte Gitarren bekommen auf ‘Burden’ einen ausgedehnten Auftritt, um am Ende des Songs selbstironisch kunstvoll verstimmt ins Leere zu laufen. Nicht nur an dieser Stelle offenbart WATERSHED eine neue Qualität: Die Band hat Spaß an sich und der Musik – Spaß, der sich nicht in virtuoser Selbstdarstellung äußert, sondern vor allem in der leichtfüßigen Inszenierung großer Momente. Ein gewisses Maß an Überheblichkeit ist Musik wie dieser nicht zu nehmen, aber Opeth schaffen es besser denn je, ihre kühnen Song-Strukturen wie selbstverständlich wirken zu lassen. Ganz ohne Kritikpunkte geht es jedoch nicht.

Ausgerechnet die schon angesprochene Single ‘Porcelain Heart’ ist in meinen Augen ein Rückfall in die Formel, aus fünf Fragmenten für eigene Songs durch Aneinanderstricken eine Break-verseuchte Prog-Oper zu machen. Ein weiterer betrifft die Produktion: Da kann man zum einen bei den Akustik-Parts jedes Griffgeräusch, ja, jeden Schweißtropfen, der auf die Saiten tropft, hören, während die sich unmittelbar anschließenden, lautstarken Band-Aktionen eben nicht lautstark, sondern stark komprimiert und schaumgebremst aus den Boxen rauschen – ein Effekt, der zu kurzzeitiger Desorientierung führt und leider die Dynamik, die in den Kompositionen steckt, unnötig einschränkt.

Doch hinter beiden Kritikpunkten stecken bewusste künstlerische Entscheidungen. Das macht sie akzeptabel: vor allem, weil es zeigt, dass die Kontroverse als kreativer Motor – trotz des Erfolges – nicht ausgedient hat. Opeth als Konsens-Band bleibt uns Gott sei Dank auch weiterhin erspart.

Kommentare der Redaktion

Opeth bringen Elemente zusammen, die nicht zusammen gehören wollen. Prog, Death, Melancholie und Schwermut, die Schweden verbinden alles mit einer nie dagewesenen Leichtigkeit. Auch WATERSHED ist wieder einmal ein zeitloses Album, das ohne Probleme die Konkurrenz in diesem Monat hinter sich gelassen hat. Womit? Mit Recht.
Thorsten Zahn (6 Punkte)

Bei Opeth-Platten beschleicht einen immer das Gefühl, dass man es mit echten Künstlern und Freigeistern zu tun hat – wahrlich eine rare Spezies. WATERSHED zerrt den Hörer zwischen die Mühlsteine aus Akustik-Melancholie und Death Metal-Hölle. Mir persönlich könnte man Opeth sogar komplett die Gitarren ausstöpseln – die Balladen sind der pure Wahnsinn! Dagegen verblassen die harten Passagen fast ein wenig…
Matthias Weckmann (5 Punkte)

Auch wenn Opeth mit WATERSHED spieltechnisch sicherlich das beste Album ihrer Karriere abgeliefert haben, bin ich doch der Ansicht, dass die Band den falschen Weg eingeschlagen hat. Nach einem Überalbum wie DAMNATION wäre es meiner Meinung nach schlauer gewesen, in dieser Richtung weiterzuarbeiten. Denn so blöd das aus meinem Munde auch klingen mag: Bei der Weiterentwicklung, dem Quantensprung, den Opeth im Laufe ihrer Karriere hingelegt haben, wirkt die Einbindung der Death-Elemente beinahe antiquarisch. Die besten Momente sind nämlich genau die, in denen die Band vom Gas geht.
Petra Schurer (5 Punkte)

Erhaben, einzigartig, episch – Opeth. Schade, dass es für Bands keine solch einprägsamen Werbesprüche gibt, die Schweden hätten einen verdient. Mastermind Mikael Åkerfeldt ist ein Genre-sprengender Geniestreich gelungen. Einzelne Songs wie etwa das exzellente ‘Porcelain Heart’ zum Herzstück zu stilisieren ist schlichtweg unangebracht, denn das wohlige Wechselbad aus Death-Dichte, akustisch getragener Atmosphärische und klagender Kompositionskunst erschließt sich nur in ihrer absolut stimmigen Gesamtheit. Groß.
Frank Thiessies (6 Punkte)

Welch ein Album! WATERSHED zitiert von Led Zeppelin über Deep Purple bis hin zu Black Sabbath nahezu die gesamte Metal-Historie und bleibt dennoch unverkennbar Opeth. Außerdem ist die Produktion der Scheibe grandios (da sehr lebendig) und das kompositorische und technische Vermögen von Chefmusiker Mikael Åkerfeldt brillant. Ein Meisterwerk und noch stärker als GHOST REVERIES!
Matthias Mineur (6 Punkte)

WATERSHED ist das beste Opeth-Album seit DAMNATION. Mikael Åkerfeldt verbindet die sanften Passagen des Akustik-Albums mit den harten, progressiven Death Metal-Elementen die so typisch für seine Band sind. Man kann sich kaum vorstellen, dass man diese Platte noch toppen kann. Aber Opeth sind immer für Überraschungen gut!
Christian Hector (7 Punkte)


ÄHNLICHE KRITIKEN

Opeth :: Sorceress

Opeth :: Pale Communion

Opeth :: Heritage


ÄHNLICHE ARTIKEL

Die Metal-Alben der Woche vom 22.11. mit Opeth, Body Count, Polar u.a.

Die wichtigsten Metal-Neuerscheinungen der Woche vom 22.11. in der Übersicht – diesmal mit unter anderem Defeated Sanity, Schädlich & Söhne und Accuser.

METAL HAMMER Podcast Folge 92 mit Bülent Ceylan

Metallica sind (mal wieder) für einen Grammy nominiert. So klingen die neuen Alben von Linkin Park, As I Lay Dying, Opeth und Thy Catafalque u.a. Bülent Ceylan im Interview.

Opeth: Mikael Åkerfeldt über Growling

Dass Mikael Åkerfeldt auf dem neuen Opeth-Werk wieder härtere Töne spielt, stieß auf große Freude. Doch für den Frontmann ist die etwas übertrieben.

teilen
twittern
mailen
teilen
Opeth: Mikael Åkerfeldt über Growling

Als Opeth die erste Single ihres anstehenden Albums THE LAST WILL AND TESTAMENT veröffentlichten, waren Fans sofort begeistert, dass Mikael Åkerfeldt wieder härtere Töne und Growling in seine Musik einfließen lässt. Für viele schien es eine Rückkehr zu den Wurzeln der Band zu sein. Doch nun erläuterte Åkerfeldt in einem Interview mit United Rock Nations, dass er das tatsächlich anders sieht. Zu viel Fokus auf Growling für Mikael Åkerfeldt  „Ich wollte es einfach mal ausprobieren“, so der Sänger und Gitarrist. „Wir hatten in der Band darüber gesprochen, ob wir nicht vielleicht mal etwas Härteres schreiben könnten. Ich wollte sehen, ob…
Weiterlesen
Zur Startseite