Nightwish IMAGINAERUM

Nuclear Blast / Warner (13 Songs / 74:55 Minuten) 02.12.2011

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Foto: Nightwish

Vier Jahre Wartezeit ließen bereits im Vorfeld nicht weniger als ein episches Album-Unterfangen erahnen. Dazu das Versprechen einer begleitenden, visualisierten Version von IMAGINAERUM in Filmform, und Vorfreude wie Erwartungshaltungen an das neue Nighwish-Material sahen sich auf ein Höchstmaß angekurbelt. Da Nightwish aber nun mal (noch) kein Hollywood-Produkt, sondern immer noch eine Band sind, ist der hörbare Teil des Komplimentär-Konzepts auch als Herzstück zu betrachten, der kommende Film bleibt das bewegte Bilderbuch zur fantastischen (Film-)Musik. Womit die Erwartungshaltungsfrage auch als beantwortet gilt.

Allein das Album IMAGINAERUM lässt das bereits tolle DARK PASSION PLAY und somit den Beginn der Ära Anette Olzon wie eine Generalprobe anmuten – das Opus Magnum in vollendeter Auf- und Ausführung kommt mit IMAGINAERUM. Nach dem finnisch gesprochenen Intro-Stück ‘Taikatalvi’ geht es mit der ersten Single-Auskopplung ‘Storytime’ und ihrem majestätisch melodischen Ohrwurm orchestral und rif- forientiert zugleich in die Vollen. ‘Ghost River’ neckt mit einem dezenten Van Halen-Verweis, folgt dann aber eher dem Bob Ezrin-Einschlag eines tosenden Ton-Tribunals mit Anette und Marco Hietala in den stimmlichen Hauptrollen. Überraschende Wendung, die Erste: ‘Slow, Love, Slow’ lässt Olzon lasziv zart-schmelzend und beswingt in Lynch/Badalamenti-Cool-Jazz-Gewässer eintauchen. Gelungener Twin Peaks-Twist. Gewohntes Terrain beschreitet darauf ‘I Want My Tears Back’: Die Gitarren braten, Troy Donockleys Dudelsack pfeift im irisch-fröhlichen Folk Rock-Takt, während Jim Steinman in der skandierten Titelphrase grüßt. Mit ‘Scaretale’ folgt dann die erste Mini-Suite. Bombastisch brausend und mit kratzbürstigem Timbre von Anette intoniert, pendelt der Song eindrucksvoll zwischen Metal-Oper, Marcos Zirkusmanege-Motiven und Kosacken-Kunststück.

Das kurze instrumentale Interludium ‘Arabesque’ driftet gen Orff im Orient, dann lehrt uns ‘Turn Loose The Mermaids’ mit der Akustischen und Pianobegleitung die folkloristischen Flötentöne. Alles wie gehabt? Weit gefehlt, plötzlich bietet ein dezentes Morricone-Western-Intermezzo der erwarteten inneren Enya Einhalt. Auch ‘Rest Calm’ lässt keineswegs Ruhe aufkommen: Klassik und Metal im Clinch, dazu eine tolle, aus der Spieluhr getröpfelter Chorusweise sowie ein Kinderchor machen den Song zum Erlebnis. Besinnlich berauschend geben sich im Anschluss auf Marcos Balladenkomposition ‘The Crow, The Owl And The Dove’ ihr Schöpfer, Anette sowie Troy ein stimmliches Stelldichein. Dagegen täuscht ‘Last Ride Of The Day’ zunächst ein Selbstzitat vom Schlage ‘Wishmaster’ an, greift dann aber motivistisch doch lieber ‘I Want My Tears Back’ und ‘Over The Hills And Far Away’ auf.

Hereinspaziert ins große Finale: ‘Song Of Myself’ ist das von Walt Whitman inspirierte Wucht-Epos. Galoppierend changiert das Stück über Carmina Burana-Chöre zum Stakkato-Stampfer, streift hymnisch den Regenbogen und mündet in einer poetischen Rezi- tation mit mehrfachen Protagonisten. ‘Imaginaerum’ als instrumentale Reprise beendet schließlich den Reigen und vereint meisterlich alle Themen und melodischen Motive des Albums in einem letzten Abgangs-Aufguss. Anette und Nightwish sind angekommen. Bei sich, als Bandgefüge und im neu errichteten Symphonic-Metal-Soundtrack-Olymp. Highscore für Herrn Holopainen, und jetzt her mit dem Oscar für Nightwish.

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