Als 2008 das erste Mirror’s Edge erschien, kam es bei Spielern zwar sehr gut an, rein von den Verkaufszahlen her zu urteilen, war Mirror’s Edge für EA allerdings nicht der erhoffte kommerzielle Erfolg. Umso überraschender ist es da, dass wir acht Jahre später doch noch eine Fortsetzung erhalten. Was zwischen Teil 1 und Teil 2 passiert ist, verrät das Spiel jedoch nicht: Faith musste mehrere Monate in einem Gefängnis verbringen, wie es dazu kam, wird aber nur im offiziellen Comic zum Spiel erzählt, den man sich natürlich zusätzlich kaufen muss. Im Game selbst fehlt davon jede Spur. So ist der Einstieg gerade für Neulinge sehr holprig: Faith wird aus dem Gefängnis entlassen und muss sich einen Job suchen, anderenfalls landet sie wieder im Bau. Obendrauf kommt auch noch, dass sie Schulden hat und von traumatischen Kindheitserinnerungen heimgesucht wird. Grund genug also für Faith, sich wieder ihren alten Runner-Freunden anzuschließen und über die Dächer der Stadt zu springen und verschiedene Missionen zu erledigen.
Eine offene, aber leere Welt
Größte Neuerung im Vergleich zum ersten Mirror’s Edge ist das Open-World-Gameplay von Catalyst: Auf der großzügigen Karte kann Faith entweder die Hauptmissionen durchführen, oder aber sich unterschiedlichen Nebenaufgaben, wie beispielsweise Kurierdiensten, widmen. Für jede erfolgreiche Mission erhält der Spieler Punkte, die später gegen Upgrades und neue Fähigkeiten eingetauscht werden können. Die offene Welt tut dem Spiel aber leider nicht gut, denn die Nebenmissionen wiederholen sich viel zu schnell und die Stadt wirkt schon nahezu steril, was unter anderem auch dem grafischen Stil von Mirror’s Edge Catalyst geschuldet ist: Gebäude und Fassaden sind größtenteils weiß, Elemente, mit denen man interagieren kann (Rampen, Gerüste, Rohre…) leuchten rot. Das kennt man bereits aus dem ersten Teil, doch was da noch aufgrund des in sich geschlossenen Level-Designs eindrucksvoll aussah und atmosphärisch wirkte, ist beim Open-World-Nachfolger zu wenig, um begeistern zu können. Auch Interaktionen mit anderen Figuren sind äußerst rar. Zwar trifft man hin und wieder auch auf andere Runner, doch wenn sie nicht gerade eine Mission für den Spieler haben, sind sie auffällig wortkarg.
Gewohnte Gameplay-Kost
Das Parcours-Gameplay macht dafür aber nach wie vor sehr viel Spaß und ist exzellent umgesetzt. Mit dem Greifhaken gibt es sogar ein neues Tool, mit dem Faith an einem Seil von Dach zu Dach schwingen kann, allerdings nur an dafür vorgesehenen Punkten. Um Anfängern den Einstieg zu erleichtern, gibt es die Runner Vision: Ein roter Pfad zeigt den Weg und gibt dem Spieler Tipps. Der Weg, den die Runner Vision vorgibt, ist aber nicht immer der schnellste, um ans Ziel zu kommen, von daher lohnt sich das Erkunden alternative Pfade. Da diese neue Hilfe das Gameplay jedoch arg einschränkt und an vielen Stellen sogar den Spaß nimmt, lässt sich die Runner Vision zum Glück vollständig deaktivieren. Abgesehen von Runner Vision und dem Greifhaken hat sich beim Parcours-Gameplay sonst auch nicht viel geändert: Auf der einen Seite ist das gut, denn schon beim ersten Mirror’s Edge waren die Spielmechaniken sehr gut umgesetzt, doch auf der anderen Seite wünscht man sich nach acht Jahren doch mehr als nur zwei essenzielle Neuerungen, von der die eine (Runner Vision) sich sogar kontraproduktiv auf den Spielspaß auswirkt.
Langweilige Handlung
Entwicklerstudio DICE hat sich mit der Handlung von Mirror’s Edge Catalyst sehr viel Mühe gegeben, besonders Protagonistin Faith Connors bekommt mehr Charakter und Tiefe als noch im ersten Teil. Doch unterm Strich ist die Story des Spiels leider nur mittelmäßig, viel zu vorhersehbar und somit einfach nur langweilig. Und obwohl Faith nun deutlich facettenreicher dargestellt wird, fällt es als Spieler schwer, wirklich eine Verbindung zu ihr aufzubauen. Selbiges gilt auch für die anderen Figuren: Anstatt Empathie für sie zu entwickeln, sind sie im Großen und Ganzen doch recht austauschbar. Das hat zur Folge, dass die Story-Unterbrechungen genau das sind: Unterbrechungen, die vom eigentlichen Gameplay abhalten und mehr lästig denn mitreißend sind. Schade, denn genau hier hat DICE unheimlich viel Potenzial verschenkt: Man hätte ein ganzes Universum voll farbenfroher und interessanter Charaktere aufbauen können, doch stattdessen muss man sich als Spieler mit Standardkost zufriedengeben. Und die macht zwar satt, schmeckt dafür aber auch nicht besonders lecker.
Fazit
Ja, das Parcours-Gameplay macht nach wie vor Laune und ist trotz fehlender Neuerungen immer noch ein absolutes Highlight. Doch mit der leeren offenen Welt, der langweiligen Handlung und dem sterilen Look leistet sich DICE leider zu viele Fehlgriffe. An die Faszination des ersten Teils kann Mirror’s Edge Catalyst daher nicht anknüpfen, das Spiel ist lediglich okay und als Vollpreistitel nicht zu empfehlen. Hinzu kommt, dass die PC-Version derzeit noch von einigen technischen Problemen, wie Performance-Einbrüchen und schlecht aufgelösten Texturen, geplagt wird.
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