
Ich gebe zu, dass ich mit der stimmgewaltigen Kanadierin Kobra Paige und ihrer Mannschaft bislang ein paar Probleme hatte. Für meine Begriffe fehlte auf den bisherigen drei Alben das Gespür für richtiges Timing und grundsätzliches Verständnis, zwischen der eher träumerischen Stimme und den wieselflinken metallischen Kompositionen eine rechte Balance zu finden.
Drei Jahre Pause seit dem letzten Album HIGH PRIESTESS (2014) haben im Lager von Kobra And The Lotus anscheinend zur Erkenntnis geführt, dass einige Stellschrauben neu justiert werden sollten, um den Kern – und das ist nun mal die Sängerin – dieser Band ehr in den Fokus stellen zu können. PREVAIL I stellt in diverser Hinsicht einen Fortschritt für die Band aus Calgary dar. Erstmals reflektieren die Lieder die epische Wucht von Kobra Paige, das Ganze verlagert sich vom traditionellen Sektor in eine moderne, gemäßigte und ausdrucksstarke Ausrichtung, die Fans von Amanda Somerville, Evanescence oder Within Temptation ebenso zusagen sollte wie jenen von Amaranthe.
In diesen Gefilden fühlt sich die Frontfrau nicht nur merklich wohler, die Lieder wirken auch variabler und die Produktion fetter. Mag sein, dass ich in ein paar Wochen bereue, „nur“ fünf Punkte gezückt zu haben, aber im Moment fehlen mir noch die großen Hits. PREVAIL I ist dennoch eine der positivsten Überraschungen des Monats.