Isis Wavering Radiant

Post Metal, Conspiracy/Cargo 7 Songs / 54:08 Min. / 08.05.2009

6/ 7
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Foto: Conspiracy/Cargo

Erde an Isis: Ihr könnt langsam wieder runterkommen! Isis an Erde: Verstanden! Nach den jetzt auch schon zweieinhalb Jahre zurückliegenden Sound-Gespinsten von THE ABSENCE OF TRUTH geben sich die Kritikerlieblinge auf ihrem neuen Album WAVERING RADIANT betont erdig. Das beginnt schon mit der grundsoliden, mit viel Bassfundament gesegneten Produktion, die alle Instrumente und Stimmen klar in den Raum stellt und somit zur Dekonstruktion des dekonstruktivistischen Post-Metal-Sounds beiträgt.

Die sieben neuen Songs – zwei davon beehrt Tool-Gitarrist Adam Jones mit einem Gastauftritt – wirken frei von Abstraktionsgedanken, sind weniger Klangtextur als differenziertes Band-Schaffen. Los geht’s mit dem großartigen ‘Hall Of The Dead’, das mit warmen Orgelklängen, prägnantem Bass und tollem Wechsel zwischen grollendem und klarem Gesang viel Doom-Flair verbreitet. Im sich elegisch steigernden ‘Ghost Key’ packt Aaron Turner dann sein klassisches „Dicker Hals“-Gebrüll aus, dazwischen taucht die Band immer wieder in bedrohlich psychedelisch pulsierende Ruhezonen ab.

Zwischen diesen Polen – intensiv rockend auf der einen, minimalistisch klangmalend auf der anderen Seite – bewegt sich das ganze Album, beispielhaft vorexerziert in ‘Stone To Wake A Serpent’ mit seinen Gänsehaut-Riffs und der lakonischen Melancholie. Die songschreiberische Klasse ist es, die WAVERING RADIANT zu dem Album macht, welches Isis jetzt liefern mussten – bevor das Ganze endgültig zur akademischen Übung geworden wäre. Das ist es natürlich im Kern, was viele Fans (und nicht zuletzt Journalisten, die den „NeurIsis“-Hammer seit Jahren bereitwillig schwingen, um die ganze Post-Metal-Geschichte schubaldentechnisch in den Griff zu bekommen) bekriteln werden.

Nach gut zehn Jahren mag es einfach sein, dass den Mannen der revolutionäre Drive abgeht – aber wenn wir ehrlich sind, begann die Uhr schon mit PANOPTICON (2004) zu ticken. OCEAN bleibt das maßgebliche Werk der Band, in dem Sinn, dass es pioniermäßig mit dem aus dem Hardcore kommenden Zorn aufräumte und sich einer Lehre des reinen Klangs verschrieb. PANOPTICON und THE ABSENCE OF TRUTH zehrten von diesem Mythos, zeigten die zu erwartenden technischen Verbesserungen und auch da schon besseren Songs, aber erst auf diesem neuen Album hat sich die Band von der damals etablierten Formel nachhaltig gelöst.

Dass die erneute Revolution ausgeblieben ist, mag man bedauern, aber es war beim besten Willen nicht zu erwarten. Andererseits ist es höchste Zeit, dass auch die Fans von ihrem imaginären Thron herabsteigen – elitär war Isis-Hören vielleicht für ein paar Monate. Die Explosion, die sie durch die Auflösung der Grenzen zwischen Hardcore, Metal, Doom und all den dekonstruktivistischen Rock-Spielarten, die zuvor Bands wie Mogwai oder Godspeed You Black Emperor! formuliert hatten, auslösten, hatte – auch alle Echos inbegriffen – eine Halbwertszeit von knapp unter zwei Alben.

Diese Selbsterkenntnis ist bei den Jungs selbst ohrenscheinlich angekommen, die Besinnung auf klassische Band-Ethik und solides – um nicht zu sagen: überzeugendes, weil facettenreiches – Songwriting mag man als eher konservative Lösung erachten, aber ganz ehrlich: Ich bin froh über diese Platte, und mir graute im Vorfeld eher vor einer um eine Nuance weitergeführte Reise ins Nirwana das selbst geschaffenen Sound-Kults. Insofern: ein auf seine Art mutiges Album, an dessen Klasse sich die Epigonen, so lange aus ihren Reihen kein neuer Revolutionär hervorgeht, jetzt messen lassen dürfen.
 

Kommentare der Redaktion

Isis sind sperrig, verschroben, unnahbar – zumindest für die meisten Metal-Fns. Doch genau das macht sie so einzigartig. Die Band aus Boston erschafft mit jedem neuen Album ein Wunderwerk an musikalischen Verknüpfungen, so auch mit WAVERING RADIANT. Sie weben einen Teppich aus schwebenden, leisen Momenten und vulkanartigen Ausbrüchen. Das nenne ich mal Atmosphäre, wunderschön in Szene gesetzt und zum Greifen nah.
Thorsten Zahn (6 Punkte)

Eins muss man Isis lassen: Mit dieser schroffen Soundkulisse zweimal in Folge den Soundchecksieg abzuräumen, ist schon eine beeindruckende Leistung. Fernab der gängigen Hörgewohnheiten spinnen Isis ein dichtes Netz aus düsteren Gedanken- und Tonwelten – verfangen kann ich mich darin allerdings nicht hundertprozentig. Dafür bräuchte ich ein bisschen mehr Halt, mehr Hits, ich gebe zu: vielleicht sogar mehr Kommerzialität.
Matthias Weckmann (4 Punkte)

Es ist immer wieder schön, wenn Liebhaber-Alben mit sperriger Musik zum Album des Monats werden. Das gilt erstrecht bei stilbildenden Bands wie Isis. In meinen Ohren ist die Band allerdings langsam über ihren Zenit hinaus. WAVERING RADIANT ist zwar ein wirklich gutes Album, erschafft aber weder die Klaustrophobie, noch die Intensität der alten Alben. Verdienter Sieger zwar, aber kein Isis-Meisterwerk, denn dazu wabern die Songs teilweise etwas arg vor sich hin.
Tobias Gerber (5 Punkte)

Isis sind eine Marke für sich. Man mag sie, oder eben nicht. Allerdings muss ich meinem geschätzten Kollegen Gerber widersprechen: Denn nicht zu jedem Album passt eine klaustrophobische Atmo – vielmehr sind es dieses Mal die Weiten, die das Album zum Besten dieses Soundchecks machen. Zudem gibt es ja noch Agoraphobie, wenn es denn unbedingt eine Angst sein muss, Herr Gerber. Für mich definitiv eines der intensivsten Alben von Isis.
Christian Hector (6 Punkte)

Selten gelingt es einer „Exoten“-Band die Redaktion durch fast alle Reihen hindurch zu begeistern oder zumindest zu unterhalten. Bei mir schafft WAVERING RADIANT eben nur Letzteres. Konnte ich früher in Klangbilder hinein tauchen, fehlt mir dieser Punkt jetzt ein bisschen. Zusätzlich hauen mir Isis dieses Mal zu wenig auf den Putz. Trotzdem schaffen sie es wie fast keine andere Band interessante, unkonventionelle Ideen in gute Songs zu verpacken. Da sind vier Punkte das Mindeste.
Florian Krapp (4 Punkte)

Kaum eine andere Band versteht es besser, den Hörer mit spannender Atmosphäre einzulullen, um dann wie ein Überfallkommando aus dem Nichts knallhart und überraschend zuzuschlagen. Die nervenzerreißende Stimmung ist über die gesamte Spielzeit von WAVERING RADIANT förmlich greifbar. Und während Isis früher zwar perspektivisch hoffnungsvoll, aber streckenweise hilflos zur Sache gingen, klingen sie heutzutage selbstsicher, aber auch verstörend und wunderbar zur selben Zeit. Passt nicht? WAVERING RADIANT belegt das Gegenteil.
Detlef Dengler (6 Punkte)


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