Die erneuten Personalveränderungen sind klanglich an der Beastmilk-Nachfolge-Band keineswegs völlig spurlos vorbeigegangen. Auch wenn Grave Pleasures in erster Linie von Sänger Mat McNerneys düsteren Visionen bestimmt bleiben, lässt sich nicht verleugnen, dass mit Aleksi Kiiskilä (Kohu-63) an der zweiten Gitarre sowie Rainer Tuomikanto (Causemos) am Schlagzeug ein dezenter Paradigmenwechsel stattgefunden hat.
Die schamanenhaften Stammestrommeln, das psychedelisch Windende und damit auch die Nähe zum The Cult-Debüt DREAMTIME (1984), New Model Army und den Bloodjunkies, die der wärmere Vorgänger DREAMCRUSH noch besitzt, sind einem kühleren und pressierenderen Duktus gewichen. Mit mehr Amphetamin als Absinth im Blut gleicht MOTHERBLOOD einem Rausch durch die Club-Nächte der frühen Achtziger, in denen Death Rock und Post Punk im Schwarzlicht harmonierten wie Lack und Leder.
Geblieben ist Grave Pleasures’ großartiges Pop-Gespür für zwingende Melodien, welche von den ernsten Inhalten subversiv konterkariert werden: Thematisch auffällig atomar-apokalyptisch, spiegelt MOTHERBLOOD erschreckend akkurat den nuklearen Bedrohungszeitgeist seiner favorisierten musikalischen Ära wider und transportiert diesen in eine Gegenwart, in der Pershing-Paranoia und Kernwaffensäbelrasseln leider eben kein Kalter-Krieg-Schnee von gestern mehr sind.