Klingt gemein, soll es aber gar nicht: Seit Anfang der 2000er hören sich die besten Gamma Ray-Alben immer an wie von jemand anderem. Musterbeispiel für diese absichtlich überzogene Behauptung: NO WORLD ORDER (2001) mit seinen fast dreisten Judas Priest-„Anleihen“. Selbstverständlich bleiben Gamma Ray dabei immer Gamma Ray und können wie auf LAND OF THE FREE II (2007) auch erfolgreich mit Selbstzitaten punkten.
Festgehalten werden muss andersherum aber auch, dass der letzte Streich TO THE METAL! (2010), dem man keinen Kopie-Overkill nachweisen konnte, ein gutes Album war – mehr aber auch nicht. Richtig viel ist davon nach vier Jahren nicht hängen geblieben (was die Klasse von ‘Empathy’, ‘Rise’ und des Titelstücks nicht anficht), oft fehlte es einfach am zwingenden Moment. Doch das ist auf dem neuen Album EMPIRE OF THE UNDEAD schon wieder ganz anders.
Und siehe da: Immer wieder erinnert es an jemanden oder etwas anderes. Dass man im Refrain von ‘Hellbent’ an ‘Hell Bent For Leather’ denken muss, ist ohnehin klar. Als zwischendurch auf Midtempo gebremst wird, kratzt auch noch von irgendwo der ‘Night Crawler’ mit den Fingernägeln, und die Gitarrenarbeit könnte ebenfalls ein UK-Import sein. Doch es ist nicht alles Priest, was glänzt: ‘Seven’ könnte zu guten Teilen von Iron Maiden stammen, und nach Helloween dürfen Gamma Ray ohnehin klingen so oft und sehr sie mögen. Das Riff aus ‘Empire Of The Undead’ ist sowas von ‘Hit The Lights’, dass man sich wundert, wenn statt James Hetfield plötzlich Kai Hansen loslegt.
Genau das ist aber (mit) das Schönste an EMPIRE OF THE UNDEAD: Gamma Ray setzen bekannte Bruchteile zu etwas Neuem zusammen, machen es sich zu eigen und haben damit die Überraschung auf ihrer Seite. Zumal bei Weitem nicht alles irgendwo zusammengeklaubt wurde. Durchgehend kann die Band mit ungewöhnlichen Song-Wendungen und neuen Sounds die Spannung oben halten, während die meist erhabenen Refrains als Dreh- und Angelpunkt herausragen.
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Speziell im epischen ‘Avalon’ zahlt sich diese perfekte Mischung aus Verspieltheit und einschmeichelnder Melodik aus und lässt die verschachtelten neun Minuten federleicht davonfliegen. Apropos: Selbst Klischeeauswüchse wie „Fly high like an eagle, touching rainbows in the sky“ können den Spaß an EMPIRE OF THE UNDEAD nicht verderben. Jeder Song auf diesem Album ist ein Hit! Gamma Ray liefern Melodic Metal in seiner schönsten Form; bunter und wendiger geht’s kaum.
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