
Wer erinnert sich noch daran, zum ersten Mal an einem PC mit MS-Paint gesessen zu haben? Da wurden alle Farbtöpfe ausgeschüttet, jeder Pinsel durchgezogen und so viele geometrische Formen wie möglich auf der Fläche verteilt. Herrlich, diese ungeschliffenen Gehversuche als grenzenloser Digitalkünstler – in Wahrheit aber eben kopfloser Quatsch, um die technischen Möglichkeiten durchzuspielen. Frostbite Orckings sind die klanggewordene Metal-Version davon. Doch lassen wir kurz außen vor, ob und wie viel KI hier drinsteckt oder nicht: Bands aus virtuellen oder Comic-Charakteren gibt es schon länger, ebenso etablierte Songwriting-Kniffe für schlagkräftigen Entertainment-Metal, die mit mal mehr, mal weniger Geschick aus dem Ärmel geschüttelt werden. Geschick ist genau das, was auf THE ORCISH ECLIPSE fehlt. Einzelne Elemente (Melodien, Riffs, Refrains, Mitreißmomente) sind gelungen und machen Spaß; was hier aber (ob vom Algorithmus oder helfender Menschenhand) zusammengestöpselt wird, hat kein Maß, keinen Zweck, kein Oben und kein Unten.
🛒 THE ORCISH ECLIPSE bei AmazonMir schwindelt das Hirn, wenn die allzu künstlich klingenden Drums permanent durchrollen und dabei dramatisch vom linken in den rechten Stereokanal und zurück und noch mal und drunter und drüber wandern. Die toten Keyboard-Chöre direkt aus dem Uncanny Valley in jedem (!) Refrain jagen regelmäßig einen eiskalten Schauer über den Rücken (am schlimmsten in ‘Coming Home’). Dass moderner Party-Metal mit Überspitzung und sensorischer Überforderung spielt, gehört zum Konzept; die Orkkönige fahren ihren Rennschlitten aber mit Vollgas an die Wand, indem kaum mehr als zweieinhalb Songs am Stück gesund durchzustehen sind. THE ORCISH ECLIPSE ist ein interessantes Tech-Demo. Jetzt muss nur noch jemand etwas daraus machen. Oder lieber gleich Menschen in ein Orkkostüm stecken.
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