Wer Frank Carter einst mit den Gallows auf der -Bühne erlebt hat, konnte nicht anders, als den spuckenden, prügelnden und fluchenden Kamikazefrontmann der damaligen britischen Hardcore-Punk-Hoffnung sofort in sein Herz zu schließen (nachdem man sich versichert hatte, dass das eigene Portmonee noch da war).
Nach seinem Ausstieg 2011 überraschte der flügge Frontmann dann im Verbund mit Jim Carroll (The Hope Conspiracy) sowie der gemeinsamen Band Pure Love durch einen kompletten musikalischen Kurswechsel hin zum hymnischen, alternativen Arena-Rock. Für manch alten Fan ein Fall von Verrat und Grund für negative Carter-Stimmung, obgleich offene Hörer wiederum nicht anders konnten, als ihn auch für diese Aktion (und die guten Songs) zu lieben. Mittlerweile hat der Sänger mit den Rattlesnakes eine neue Begleit-Band gefunden; deren Debüt BLOSSOM (2015) sah sich krachigem und ruppigem Siebziger-Punk gleichwohl wie Rollins und Cobain verpflichtet – und versöhnte Fans der derberen Töne zumindest vorübergehend.
Der Nachfolger MODERN RUIN macht jedoch klar, dass der gute Frank (zumindest momentan) keine große Lust zu verspüren scheint, den Cockney-Kernassi früherer Tage zu geben. Vielmehr bettet das Album Carters im Ausdruck noch erweitertes melodisches (Gesangs-)Gespür in einen wuchtigen und dezent düsteren Gitarren-Rock-Sound, der sowohl Britpop mit Placebo als auch späte AFI mit Neunziger-Alternative Rock vereint.
Begreift man MODERN RUIN als künstlerische Reflexion aktueller britischer Befindlichkeit sowie musikalische Nachlese der Neunziger in kontemporärer Adaption, empfiehlt sich nahezu jeder Song als Soundtrack-Kandidat für Boyles kommendes ‘T2 Trainspotting’-Sequel. Klasse.