
Wer einen Zugang zu Boris bekommen, ihr ganzes Schaffen begreifen will, der braucht viel Geduld. Mit ihrem 23. Album in 25 Jahren Band-Geschichte beweisen sie einmal mehr, dass sie ihr ganz eigenes Verständnis von Raum und Zeit haben, dass ihr Dasein ein ewiges Werden ist, das sich der klaren Definierung verweigert. Doch bietet das diesjährige Jubiläum nicht nur eine Möglichkeit, die Grenzen der eigenen Kreativität noch weiter auszutesten, sondern auch, einen Blick zurückzuwerfen.
Das tun die Tokioter etwa mit dem nach ihrem Debütalbum benannten Sludge-Ungetüm ‘Absolutego’, das ihre Namensgeber Melvins heraufbeschwört und in einem Gitarrensolo und Schreien gipfelt, die die Erde förmlich entzweispalten. Nicht selten erweckt DEAR den Eindruck einer Werkschau, während derer sich das Trio mal verträumt-lieblich (‘Beyond’, ‘Biotope’), mal kratzbürstig und widerspenstig (‘D.O.W.N’, ‘Dear’) gibt – Hauptsache immer distorted. Das ist weder immer spannend noch innovativ, an den Maßstäben Normalsterblicher müssen sich die Drone-Legenden aber ohnehin nicht mehr messen lassen. Und wer will schon immer jedem gefallen?