Sie ham wahrlich noch lange nicht genug: Weder von sich, den Fans noch der Musik. All dies kann man auf dem ersten Studio-album nach elf Jahren eindrucksvoll nachhören. Diese Band klingt so lebendig wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
Die Böhsen Onkelz machen ihr Versprechen wahr, backen keine alten Brötchen auf, sondern nutzen die Pause, um sich in Teilen neu zu erfinden. Das beginnt beim Sound, der im Vergleich zu den letzten Veröffentlichungen DOPAMIN (2002) und ADIOS (2004) wieder sehr viel mehr Dampf macht. Dieser Frische (in der die Gitarren gefühlt drei Reihen weiter vorne stehen, hier hat sich die Zusammenarbeit mit Michael Wagener aber mal so richtig bezahlt gemacht) steht gewachsenes Songwriting gegenüber. Schon im Opener ‘Gott hat ein Problem’ wird der Balanceakt zwischen schnittigem Riffing, eleganten Arrangements und süffigem (aber eben keinesfalls plattem) Chorus in Perfektion gemeistert.
„Das Teil ist nicht nur ein Hit, sondern kompositorisch großes Kino.“
Das Teil ist nicht nur ein Hit, sondern kompositorisch großes Kino. ‘Frei’ gebärdet sich rotziger, die überfallartigen Sprünge machen richtig Laune, eine Fanfare zum Pyrozünden. ‘Jeder kriegt, was er verdient’ besticht mit einer übel geschmeidigen Riff-Linie im Höhepunkt, ‘Irgendwas für nichts’ massiert dreieinhalb Minuten mit großer Direktheit schmerzhaft die Nackenmuskulatur durch. Und, klar: Natürlich gibt es zwischen all dem Sperrfeuer auch ruhige Momente. ‘Wo auch immer wir stehen’ reiht sich nahtlos ein in die Geschichte der großen Onkelz-Balladen – da werden die Feuerzeuge die Hallen zum Glühen bringen. Auch mit ‘Auf die Freundschaft’ suchen die Onkelz den bewährten Schulterschluss mit Neffen und Nichten.
‘Nach allen Regeln der Sucht’ schlägt hingegen nachdenkliche Töne an, ‘Der Junge mit dem Schwefelholz’ ist eine bitterböse Blues-Nummer, die knapp acht Minuten wie ein Biest durch die Boxen kriecht. Einer der größten Pluspunkte von MEMENTO fand hier noch gar keine Erwähnung: Kevin Russell. Wahnsinn, welche Kraft der mittlerweile seit Jahren drogenfreie Sänger am Mikro wieder verkörpert. Das ist der Bullterrier im Arsch der Onkelz-Kopien, er macht den Unterschied. Russell stellt auf MEMENTO nachhaltig unter Beweis, dass er eben nicht nur bärbeißig wüten, sondern tatsächlich auch ausdrucksstark singen kann. ‘52 Wochen’ drückt zum Abschluss noch mal musikalisch sowie textlich das Gaspedal durch und beschließt ein Album, das von vorne bis hinten Spaß macht und dabei äußerst interessante, teils überraschende Wendungen nimmt.
MEMENTO wischt den Boden
Diese Band hat noch immer die dickste Hose hierzulande. Die Onkelz wischen mit den Plagiaten, die in ihrer Abwesenheit aus den Löchern krochen, den Boden. Sie kauen sie auf MEMENTO durch und -spucken sie dahin aus, wo sie hingehören: in die zweite Reihe. Bravo.
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