„Ein Name ist nichts Geringes“, wusste schon Goethe, daher überlegen sich Bands zweimal, ob sie einem Album unter der eigenen Benennung erscheinen lassen. Denn die Aussage ist deutlich: Das sind wir, pur, diese Lieder repräsentieren die Musiker zu einhundert Prozent. Entsprechend geben die Böhsen Onkelz ihre Visitenkarte 2020 ab, und diese fällt scharfkantig, satt rockend, nachdenklich, selbstironisch, forsch, fordernd und juvenil fröhlich aus.
Exklusiv: Alle vier Böhse Onkelz-Musiker im Interview zum Band-Jubiläum und neuem Album!
Im Vergleich zum Comeback-Album MEMENTO (2016) geht das neue Material direkter nach vorne ab, ohne sich jedoch an der Vergangenheit anzubiedern. Das Quartett hat immer noch den nötigen Eigenanspruch, um nicht im Gegensatz zur Klonkolonne im kreativen Stau zu stehen.
Zu ‘Kuchen und Bier’ möchte man direkt im Feinripp abtanzen, ‘Saufen ist wie Weinen’ beleuchtet die Sucht mit Charme, Hirn und fetzigem Grundgerüst, ‘Rennt’ überrascht mit groovigem Klangteppich, ‘Des Bruders Hüter’ gefällt mit klassischem Rock, süffigem Höhepunkt und textlichem Anspruch, ‘Ein Hoch auf die Toten’ erinnert headbangend an die gefallenen Brüder und Schwestern, bevor ‘Die Erinnerung tanzt in meinen Kopf’ den Hörer mit einer Onkelz-typischen Halbballade in die Nacht entlässt. Mein persönlicher Favorit: ‘Wie aus der Sage’, vergleichbar mit ‘Kirche’, ein episches Monster, das sich ohne geballte Faust gar nicht hören lässt. Das neue Material fällt vielleicht nicht so experimentell wie der Vorgänger aus, protzt aber dafür mit der bekannten Attitüde, die seit 40 Jahren diesen Landstrich durchschüttelt (nicht zuletzt dank der unvergleichlichen Stimme von Russell). Auch nach diesen 55 Minuten heißt es: Meine Damen und Herren, Neffen und Nichten, Jünger und Hassknechte: Hier sind die Onkelz – auch 2020 die beste deutschsprachige Rock’n’Roll-Band.