Nach NATURE MORTE aus dem letzten Jahr hatte ich Zweifel, wie lang Big|Brave aus Montreal ihre Strategie aus Überwältigung, Feedback und tonalem Minimalismus noch fahren können würden. Diese Sorge ist mit den ersten Tönen von A CHAOS OF FLOWERS verpufft. Für ihre Verhältnisse geradezu zart schwebt Sänger:in Robin Wattie mit einer brüchigen, klagenden Folk-Melodie heran. Gitarrist Mathieu Ball wirft vereinzelt scharfe Gitarrenakzente ein, dann schwillt eine erhabene Drone-Wall Of Sound an, und Robin nimmt die Klage wieder auf, präsenter jetzt, über einem Trauermarsch aus Overdrive und Schwingung. Damit ist der Ton von A CHAOS OF FLOWERS gesetzt: eine Mischung „alter“ Big|Brave-Sounds (dem vollen Brett elektroakustischer Dröhnung, bis das Signal in der Endstufe landet) und einem neuen, sensiblen Zögern.
🛒 A CHAOS OF FLOWERS bei AmazonDie Folk-Texte, die Robin vorträgt, stammen von weiblich gelesenen Autor:innen, die die Erfahrung der Ausgrenzung eint – und genau dort knüpft sie mit ihrer ganzen Wut und Empfindsamkeit an. Was zur Folge hat, dass Big|Brave, die bisher für röhrenden Sound standen, delikat, porös und durchlässig werden. Auch Schlagzeuger:in Tasy Hudson liefert Ungewohntes ab, streichelt mit dem Jazz-besen, lässt die Becken rascheln und zimbeln, bewegt sich an der Grenze zum Jazz. Hier findet eine Band ihre Form, indem sie ihr bisheriges Rezept aufbricht. Auf A CHAOS OF FLOWERS sind Big|Brave so bewegend wie nie.
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