Nostalgie pur in der Hamburger Markthalle: Die amerikanischen Doom-Urgesteine Pentagram und die nicht minder denkmalschutzberechtigten Trouble geben sich auf einer Co-Headliner-Tour die Ehre und wollen unter Beweis stellen, dass auch alte Eisen noch hart rocken können. Ihr Problem: Sie haben den niederländischen Newcomer-Kult The Devil’s Blood mit an Bord, dessen Musik-Ritual die größte Aufmerksamkeit auf sich zieht. Und das irgendwie auch zu Recht.
Den Anfang machen allerdings die Norweger Syrach, die mit ihrem technisch anspruchsvollen Death Metal auch live ordentlich Gas geben – was leider kaum jemand mitbekommt, da der Saal noch ziemlich dürftig gefüllt ist. Da fassen aber auch wir uns an die eigene Nase – während Syrach auf der Bühne alles geben, parlieren wir mit The Devil’s Blood Mastermind Selim über Satan und die Welt. Die Erkenntnisse gibt’s bald an dieser Stelle.
Ein Stündchen später stehen Selim, seine Schwester Farida („The Mouth of Satan“) und der Rest des Kults von The Devil’s Blood schließlich auf der Bühne – schön lecker mit echtem Schweineblut bepinselt. Auch wenn die Niederländer stilistisch den sanfteren Tönen frönen und psychedelischen Rock inszenieren, den vor 40 Jahren bereits Combos wie Coven oder Jefferson Airplane spielten, nimmt man ihnen das Okkulte und Satanische doch sehr viel eher ab, als so manchen norwegischen Clowns, die das Wort „böse“ über Nietenhalsbänder und Grimassenschneiden definieren. Nach eigener Aussage auf der Bühne von Satan besessen, begeistern die okkulten Überflieger nach überschwänglichen Kritiken fürs Debütalbum THE TIME OF NO TIME EVERMORE auch live mit ungeheurer Intensität und ziehen den Saal mit ihrer distanzierten Performance sofort in den Bann. „Christ or Cocaine?“ – die Antwort versteht sich von selbst.
Nach diesem bewusstseinserweiternden Erlebnis kommen Trouble dann fast schon ein bisschen bieder daher. Vielleicht haben sie das ja auch schon befürchtet und deswegen im Vorfeld darum gebeten, dass The Devil’s Blood diesmal doch bitte auf das Blut verzichten mögen. Eine Anfrage, die im Lager der Niederländer für einige Lacher gut gewesen sein dürfte. Trotz allem muss man Trouble natürlich attestieren, dass sie eine großartige Live-Band sind, die ihr Handwerk immer noch perfekt beherrscht – auch wenn Neu-Sänger Kory Clarke in der Fan-Gemeinde nicht unumstritten ist. Immerhin hat er die Haare schön und einen coolen Totenkopf-Aufnäher auf seinem Blüschen – und singt zudem Hymnen wie „Troublemaker“, „Psychotic Reaction“ oder „The Eye“ gar nicht mal so schlecht.
Dann wird’s spaßig: Grimassen-König Bobby Liebling, der Marty Feldman des Heavy Metals, und seine aktuellen Musikinstrument-Bediener betreten die Bühne, feuern eine Kakophonie-Salve nach der anderen in den Saal und belegen damit, warum Pentagram zu Recht zu den wegbereitenden Bands im Doom Metal gezählt werden. Liebling springt wie ein durchgeknallter LSD-Derwisch über die Bühne – als glaubte er tatsächlich daran, damit noch ein paar (halbblinde) Groupies klarmachen zu können. Nicht halbblind, sondern halbtaub ist allerdings nach ein paar Nummern jeder, der noch alle Haarzellen des Innenohrs beieinander hat, und muss so entweder den Rückzug antreten oder den unvermeidlichen Tinnitus in Kauf nehmen. Selten erklang in der Markthalle eine derart gesundheitsgefährdende Lautstärke – die anscheinend zum Konzept gehört: Am Pissoir nämlich berichtet der Sound-Techniker von The Devil’s Blood, er habe von den Kollegen von Trouble und Pentagram die Anweisung bekommen, seinen Regler nicht über ein bestimmtes Level zu drehen. Ach ja – alte Männer und die Eitelkeit…
Bilder der Bands findet ihr oben in der Galerie.
Benjamin Foitzik
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