Irgendwie habe ich mich davon erholt. Als ich zu mir kam, war ich daheim; ein Typ hatte mich nach Hause gefahren. Ich hatte alles geschrottet. Ich weiß nicht, wie lang dieser ultraschlechte Trip gedauert hat – Tage vielleicht – oder was alles hätte passieren können, wenn man mich nicht nach Hause gebracht hätte. Nach dieser Erfahrung von Tod, Sterben und einem furchtbaren Jenseits habe ich jeden Tag mehr zu schätzen gelernt, an dem ich die Chance habe, zu leben. Ich bin ein anderer Mensch geworden; fast ein bisschen wie jemand, der zum Glauben findet. Aber das hat mich nicht gemäßigt. Im Gegenteil. Ich bin noch intensiver und extremer geworden. Ich habe keine Zeit zu verschwenden.
Aber ich habe jetzt tatsächlich Angst zu sterben, weil ich weiß, was mich da drüben erwarten kann. Diese Furcht hatte ich früher nicht. Vorher habe ich 30 Jahre lang den Tod gesucht.
MH: NEMBUTAL ist der Handelsname eines starken Beruhigungsmittels, Pentobarbital. Marilyn Monroe ist an einer Überdosis gestorben, und Sterbehilfevereine haben es für Suizidwillige im Angebot. Hast du es schon mal versucht? Warum ein Album danach benennen?
SH: Offensichtlich habe ich es noch nie auf diese Weise benutzt, sonst wäre ich nicht hier. Ich bin darauf im Buch ‘Final Exit: The Practicalities of Self-Deliverance and Assisted Suicide for the Dying’ gestoßen, 1991 geschrieben von Derek Humphry, das hat mich fasziniert. Ich fand, dass dieser direkte Weg ins Jenseits einfach zu einem so todesverliebten Album passt. Wegen des Titels habe ich auch das Artwork geändert. Eigentlich hatte ich einen anderen Titel und ein olles langweiliges Gemälde parat. Das jetzige Cover passt so viel besser, es macht das Album voller und tiefer.
Nebenbei gesagt, ich bin ein riesiger Marilyn Monroe-Fan. Ich habe überall Bilder von ihr, dazu etliche Bücher, Filme und Schallplatten in meiner Sammlung. Seit ich ein Junge war, hege ich diese leicht nekrophile Liebe zu ihr.
MH: Die Spoken Word-Elegie ‘Sarah Was Nineteen Years Old’ hat einen besonders unangenehmen Text – eine sparsame Collage, in der du Szenen von Missbrauch und Gewalt skizziert, als einigermaßen fassungsloser Beobachter. Wen oder was sprichst du hier mit „you“ an?
SH: Den Abschaum dieser Welt. Es würde mir große Freude bereiten, sie alle zu zerquetschen.
MH: Die psychedelische Oper ‘Early In The Morning The Body Of The Girl Was Found’ und das sengende ’Threshold Of Your Womb’ erinnern mich in ihrer nervigen Konfrontationslust an Throbbing Gristle. Warum gehst du so gern dahin, wo’s wehtut?
SH: Das ist einfach das, was ich kenne und womit ich klarkommen muss. Ich kann nur über die Wahrheit schreiben, meine Wahrheit. Eine Welt aus Schmerz, Gewalt, Pein und Ausbeutung. Irgendwie muss ich einfach dort sein, wo es schmerzt. Dass du in diesem Zusammenhang Throbbing Gristle erwähnst, macht mich sehr glücklich. Die haben mir mal sehr viel bedeutet. Tun sie immer noch, schätze ich.
MH: Was sind deine Hintergedanken bei dem verstörenden ‘Solar Anus’? Und: wessen Stimme hast du hier gesampelt?
SH: Der Text ist 1:1 aus ‘Der Sonnen-After’ von George Bataille [Anm.: veröffentlicht 1927, ein früher Text des surrealistischen französischen Schriftstellers]. Ich bin mir nicht sicher, ob ich darüber reden möchte. Ich habe einen ziemlich gestörten Verstand, aber ich muss betonen, ich selber fantasiere NICHT davon, Frauen wehzutun. Ganz im Gegenteil. Ich bin Feminist. Ich möchte, dass die Leute ihre eigenen Schlüsse aus den Songs ziehen, ohne, dass ich sie übermäßig erklären muss. Das Sample ist aus einem alten Interview mit [dem Serienmörder] Richard Ramirez, dem „Night Stalker“.