Alle Jahre wieder im Juni findet, wenn nicht gerade Pandemie ist, in Nickelsdorf Österreichs größtes Rock- und Metal-Festival statt. Vom 7. bis zum 10. Juni sind Headliner wie Slipknot, Tenacious D und Die Ärzte auf den Pannonia Fields für das Nova Rock am Start.
Schon am 6. Juni, einen Tag vor Festivalbeginn, strömen die Besucher trotz Gewitterwarnung voller Vorfreude mit Zelten und ordentlich Bier bepackt auf das Gelände.
Tag 1 – 7. Juni
Der Wetterbericht verheißt nichts Gutes und der Einlass zieht sich, die erste Band des Tages, Vended, wird so von vielen um 13:15 Uhr leider verpasst. Der erste Act der mittleren Bühne (Red Stage) Pöbel MC muss wegen des aufgeweichten Geländes in die Nacht verschoben werden. An sich ist das kein großartiger Start in den Festivaltag, aber was nicht ist, kann ja noch werden.
Als nächstes ist die Death Core-Gruppe Lorna Shore auf der größten Bühne, der Blue Stage, dran und reißt diese gleich mal sprichwörtlich wieder ab. Die Band aus New Jersey spielt, mittlerweile im strömenden Regen, und strapaziert so die Soundanlage. Wem Lorna Shore zu heftig ist, kann sich zur kleinsten Bühne, der Red Bull Stage flüchten, da spielt der Wiener Pop-Sänger Fiio.
Auf der Hauptbühne geht es zügig nach Lorna Shore mit den Metalcore-Ikonen Asking Alexandria weiter. Da der Regen nachgelassen hat füllt sich das Gelände langsam und das 45 Minuten-Set mit alten und neuen Hits der Briten hinterlässt überglückliche Fans. Währenddessen spielen die Punker Pup auf der Red Stage und die Metaller Daze Affect auf der Red Bull Stage.
The Hu aus der Mongolei übernehmen nach Asking Alexandria und rocken mit rhythmischem Kehlgesang und kriegerischen Liedern die blaue Bühne. Zwischendurch lässt sich sogar die Sonne blicken und wärmt das durchnässte Publikum ein wenig auf. Auf der Red Stage geht es derweil mit den Witzbolden der Satireband J.B.O. weiter, und Up Close bespielen die Red Bull-Bühne.
In Extremo ziehen gegen Abend dann das Publikum immer mehr zur Blue Stage und amüsieren mit Fan-Lieblingen wie zum Beispiel ‘Sternhagelvoll’, begeisterter Gesangschor seitens des Publikums inklusive. Wer mit dem Saufgelage des In Extremo-Sets nichts anfangen kann, ist vielleicht bei den Pop-Punkern You Me At Six auf der Red Stage besser aufgehoben oder vor der Red Bull Stage bei der deutschen Modern Metal-Band Annisokay. Die liefern auf der kleinen Bühne nämlich einen Kracher nach dem anderen ab und haben sichtlich Spaß bei der Sache.
Es bilden sich schon lange keine Moshpits mehr, sondern viel eher Matschpits, und die Crowdsurfer, egal vor welcher Bühne, verteilen schon seit Mittag fleißig den Matsch in den Gesichtern der tragenden Menge.
Nach Annisokay geht es auf der Red Bull-Bühne mit den Donots weiter, und auf der Red Stage mit Simple Plan. Within Temptation sind Nachfolger für In Extremo auf der Blue Stage. Die Symphonic Metal-Gruppe aus den Niederlanden kann an das Mitgröl-Niveau des Sextetts nicht anknüpfen, hat das Publikum aber auf eigene Art und Weise gut im Griff.
Der vorletzte Act des Tages auf der blauen Bühne ist Disturbed. Frontmann David Draiman zeigt sich nach einer Operation am Handgelenk mit Gips, scheint aber trotzdem guter Dinge. Das Set der Band zieht sich über fast anderthalb Stunden und vergeht ohne große Vorfälle. Zwischendurch lässt Draiman seinen Respekt vor den Headlinern Slipknot anklingen und sammelt damit Sympathiepunkte.
Kurz nach 22:45 Uhr ist es endlich Zeit für den Hauptact des Tages: Slipknot. Die Metaller steigen spannungsvoll in ein fast zweistündiges, von Überraschungen geprägtes Set ein. Sie holen mit ‘The Blister Exists’, ‘Liberate’ und ‘Purity’ einige Lieder wieder aus dem Ruhestand und erschaffen über den Abend verteilt eine Achterbahn der Emotionen (‘Snuff’ dürfte wohl für das ein oder andere Tränchen verantwortlich gewesen sein). Auch ist es die erste Show mit dem neuen, bis jetzt noch unbekannten Mitglied, denn die Gruppe gibt erst wenige Minuten vor dem Auftritt die Trennung von Keyboarder Craig Jones bekannt. Das Konzert ist trotz Corey Taylors Heiserkeit und Line-up-Wechsel ein voller Erfolg.
Tag 2 – 8. Juni
Der zweite Tag fängt, zur Belustigung der Camper, erstmal mit Matsch-Wrestling-Meisterschaften vor dem großen Duschzelt an. Im fast knietiefen Matsch, oder „Gatsch“ wie die Österreicher so schön sagen, gibt es kein Halten mehr. Das Wetter ist im Vergleich zum Vortag stabil.
Die Symphonic-Metaller Autumn Bride eröffnen heute den Tag auf der Red Stage. Weiter geht es mit den Powerfrauen von Thundermother. Auf der Blue Stage rocken nach Takida die finnischen Eurovision Song Contest-Mitstreiter von 2021, Blind Channel. Nach dieser Steilvorlage trotz geliehenem Equipment können Funeral For A Friend mit ihren Emo-Klassikern und der Heiserkeit ihres Sängers Matthew Davies-Kreye leider nicht mithalten.
Währenddessen kommt es auf der Red Bull Stage immer wieder zu technischen Problemen. Glazed Curtains fallen aus, Dead Like Juliet und Leftovers werden verschoben. Wenigstens wird auf den beiden großen Bühnen unaufhaltsam gefeiert. Motionless In White übernehmen nach Yonaka die Red Stage und liefern ein hochwertiges Nova Rock-Debüt. Fever 333 begeistern mit ihrer Energie das Publikum vor der Blue Stage.
Danach heißt es Abschied nehmen. Sum 41 spielen zum letzten Mal auf dem Nova Rock, da die Band ihre Auflösung bekanntgegeben hat. Es herrscht trotzdem gute Stimmung und Pop-Punker Yungblud übernimmt. Trotz 15 Minuten Einbuße (aus unbekannten Gründen) hinterlässt sein Set begeisterte Fans. Nicht weniger glücklich sind Anhänger von Meshuggah und Three Days Grace die derweil die rote Bühne bespielen.
Lieblings-Headliner sind am zweiten Tag Tenacious D, die verlässlich theatralisch und witzig ihr gigantisches Publikum amüsieren. Bei keinem anderen Konzert wabert der Duft von Marihuana so stark durch die Menge wie hier. The Prodigy schaffen es trotzdem im Anschluss noch, spät in der Nacht die Leute zu animieren. Powerwolf und Parkway Drive lassen zeitgleich die Red Stage erbeben und in Flammen aufgehen. Die Pyro-Show bei Parkway Drive schafft es sogar, die hintersten Reihen im Publikum noch aufzuwärmen (wenn es das Headbangen noch nicht hat), und der Abend wird mit großartiger Stimmung und erschöpften Besuchern beendet.
Trotz technischer Probleme und anhaltendem Matsch (wenn auch rarem Regen) ist auch der zweite Tag gelungen.
Tag 3 – 9. Juni
Es ist Freitag, und der Energiepegel sinkt ein wenig. Das macht sich vor allem mittags bemerkbar, wenn die ersten Bands anfangen und kaum Publikum anwesend ist.
All Faces Down bespielen heute als erstes die blaue Bühne, gefolgt von den Rock-Acts Dirty Honey und Barns Courtney. Auf der roten Bühne fangen die Nu-Metaller Bloodywood aus Indien an, und bieten ein verrücktes und politisches Konzert. Lionheart behalten die Energie bei und setzen einen hohen Standard für die Bühnen-Nachfolger Bury Tomorrow. Die liefern mit viel Kraft und Begeisterung eine solide Show. Thomas D & The KBCS bieten derweil auf der Blue Stage eine Vorstellung, für deren Genuss bewusstseinserweiternde oder -vernebelnde Substanzen nötig wären. Für wen das nichts ist, gibt es Avatar auf der Red Stage, da ist auch für Nüchterne etwas geboten. Die Schweden verstehen es, das Publikum bei Laune zu halten.
Geniale Stimmung gibt es auch mit dem Punk von Feine Sahne Fischfilet. Sänger Jan „Monchi“ Grokow gibt sich gewohnt politisch aber ungewohnt emotional. Die Band strotzt vor Energie und lässt das Publikum ungehemmt an ihrer Begeisterung teilhaben. Papa Roach knüpfen daran an und bieten ein mächtiges Konzert. Zwischendurch fängt es an zu schütten, was die Laune aber keineswegs trübt.
Als es danach zu den Modern-Metallern I Prevail vor die Red Stage geht, ist der Regen schon wieder vorbei und es zeigt sich ein rosa Sonnenuntergang. Amon Amarth feiern anschließend in wahrer Viking Metal-Manier und Gesellschaft von nordischen Göttern den Geburtstag von Schlagzeuger Jocke Wallgren vor. Hier heißt es: „Hoch die Hörner!“
Den krönenden Abschluss des Tages auf der roten Bühne bilden Electric Callboy. Die wurden den Tag über voller Vorfreude und mit schlimmen Vokuhila-Perücken erwartet, und enttäuschen auch in der Nacht nicht. Die Musik schallt deutlich hörbar über den Campingplatz, während die Metalcore-Gruppe ihr Publikum ausgelassen tanzen lässt. Ein Wunder, wer danach noch Kapazitäten für Late-Night-Act Scooter hat.
Tag 4 – 10. Juli
Der Letzte-Tag-Blues hat ganz klar eingesetzt. Nach dem traditionellen Frühschoppen zu Wendi’s Böhmische Blasmusik (exakt das, was der Name verspricht) legen die diesjährigen deutschen ESC-Bestreiter Lord Of The Lost auf der roten Bühne los und überzeugen das doch erst skeptische Publikum.
Auf der blauen Bühne geht es danach punkig zu mit Schmutzki und Swiss & Die Anderen. Weil Incubus-Sänger Brandon Boyd vor Ort erkrankt ist und das Konzert abgesagt wird, verschiebt sich das alles aber ein wenig nach hinten. Nach Nothing More rocken Beyond The Black aus Baden-Württemberg die Red Stage und erarbeiten sich wohlverdienten Applaus. Nach Symphonic Metal in Gestalt von Beyond The Black geht es mit Skindred und Nu Metal weiter. Mit vielen Samples und HipHop-Einflüssen macht die Musik der Briten richtig Party-Laune. Im Vergleich haut Arch Enemy danach mehr rein, die harten Growls von Alissa White-Gluz wirken auf dem Festival sehr beeindruckend.
Weniger beeindruckend ist leider das Publikum von VV (Ville Valo), offenbar sind die meisten in Richtung Blue Stage zu den Broilers spaziert. Wirklich schade, denn VV spielt, nachdem der erste Schock verdaut ist, auch für das kleine Publikum ein lässiges und erwartungsgemäß melancholisches Set. Die wichtigen HIM-Kracher sind selbstverständlich auch vertreten. Mit deutlich mehr Feuer zeigen sich aber später Architects auf der roten Bühne. Die Brightoner Band reiht Banger an Hit und begeistert sowohl Fans als auch Neugierige. Leider kommt auch hier ungefähr in der Halbzeit ein Teil des Publikums abhanden, und zwar zur selbsternannten „besten Band der Welt“ an die blaue Bühne.
Die Ärzte präsentieren sich wie immer mit plumpen Witzen, Politik und allseits geliebter Musik. Nach ihrem Scherz-Fauxpas in Luxemburg halten sich die Späßchen in Bezug auf die aktuelle Rammstein-Situation in Grenzen, bleiben aber nicht ganz aus. Bela B, Farin Urlaub und Rod González geben eine Konzert-Comedy-Show wie man sie von den Ärzten kennt zum Besten. Hits wie ‘Schrei nach Liebe’ oder ‘Die Banane’ schallen über das Festivalgelände.
Wer sich von den Ärzten losreißen kann, bekommt auf der roten Bühne von den Symphonic Metal-Legenden Nightwish eine allseits gelobte Show geboten. Um 00:00 Uhr wird dann das Ende des Nova Rock-Festivals 2023 mit einem traditionellen gigantischen Feuerwerk bekanntgegeben. Letzte Band des Festivals und Late-Night-Act ist das Falco-Tribute.
Fazit: Trotz Matschwüste und einigen organisatorischen Hürden können Besucher auf anstrengende, aber lohnenswerte vier Tage Festival zurückblicken. Langeweile kennt das Nova Rock nicht, und der erfolgreiche Early Bird-Vorverkauf spricht für sich.
—
Bestens informiert über dieses und alle weiteren wichtigen Themen im Metal bleibt ihr außerdem mit unserem Newsletter. Einmal pro Woche flattert euch übersichtlich sortiert ein Update ins Postfach. Einfach anmelden, damit euch auch sicher nichts entgeht.