Mit Lars-Göran „LG“ Petrov hat am 07.03.2021 eine wahre Ikone des Death Metal seinen letzten Gang auf dem Pfad der linken Hand angetreten. Das tat er nicht heimlich, denn er hatte den Blues eines Vielfraßes. Er konnte Tourbusse reiten, geradeaus schießen und die Wahrheit sprechen. Obwohl er sich in der Szene als Gleicher unter Gleichen gab, war er auch anders als andere. Er war aufbegehrend, ein Luzifer, er liebte das metallische Inferno. Er war ein Schlangenheiliger, ging zurück an die Front, sah dem Morgengrauen entgegen und nahm sich der Eingeweide der Erde an, bevor ihn diese viel zu früh zu sich holte.
Das Seagrave-Artwork, das ikonische Bandfoto auf dem Skogskyrkogården (Waldfriedhof), der ultrabrutale Sunlight-Sound und Songs, die jedem Death Metal-Fan eine Gänsehaut bescheren, platzieren Stockholm neben Tampa, Florida, als neuen Hotspot auf der Death Metal-Landkarte. Das Album gilt bis heute als Genre-definierend, und selbst wer den Kulthorrorfilm ‘Phantasm (Das Böse)’ von 1979 nicht kennt, hat bestimmt schon diese betörende Melodie im Mittelteil des Titel-Tracks gehört (die von Kollege Wickler mit Agathodaimon bereits auf deren Debüt 1998 als Tribut an Entombed verwurstet wurde).
Death Metal als Neuland
Der Rest lästert über den, nun ja, Death Metal von Sepultura. Ja, ja, wenn ihr gewusst hättet… Doch nach den Erfolgen von Death und Pestilence kommt auch METAL HAMMER nicht mehr um das Thema Death Metal herum. In einem Live-Bericht werden Entombed 1990, als Vorgruppe von Carcass und Bolt Thrower, immerhin als „immens harter Haufen mit Songs diesseits von Morbid Angel„ bezeichnet. Beim von Atrocitys Alex Krull organisierten 2. Underground Support Festival findet Kollege Müller den Publikumskontakt von Petrov etwas „Europe-mäßig“, die Band aber sonst ganz geil, was 1992 endlich zu einem Interview mit dem Titel „Gipfelstürmer auf dem Schädelberg“ führt.
Bewegte Karriere
Nebenher wird die Band mehrfach für den schwedischen Musikpreis Grammis nominiert, auch wenn sie ihn nie gewinnt. Später verlieren sich Entombed auf SAME DIFFERENCE bis in schrammelige Punk-Gefilde, um dann mit UPRISING, MORNING STAR und INFERNO wieder zum Death’n’Roll (den außer ihnen und mit Abstrichen Gorefest kaum jemand so konsequent konnte) und Death Metal zurückzukehren. Immerhin war die von ihnen geprägte Death Metal-Variation schon immer ein Sammelbecken für räudige Einflüsse aus Punk und Hardcore – Autopsy und Discharge seien als Stichworte genannt. Entombed sind eine gute Band, doch ein Manko besteht: Die Magie der ersten drei Alben bleibt unerreicht, das Besetzungskarussell hat sich ebenfalls ein paar Male gedreht.
Blut geleckt
LG Petrov singt hier noch mal eine Bärenlunge tiefer als sonst. Auch diese Truppe bringt mit SHADOW REALMS, THE REPROBATE und ABOMINATE drei Alben heraus. Da Petrov ein umgänglicher Typ ist, wird er auch regelmäßig von Kollegen für Gast-Vocals auf deren Alben eingeladen – darunter Amon Amarth, Atrocity, Pungent Stench, The Very End und Volbeat.
Zu früh auf den Pfad zur linken Hand berufen
Also alle Ampeln auf grün? Leider nicht. Im August 2020 stellt sich heraus, dass Petrov unter einem Gallengangkarzinom leidet, welches zwar selten, aber in seinem Fall leider nicht operabel ist. Schon am 07.03.2021 stirbt der Musiker im Alter von gerade mal 49 Jahren. In einem früheren Interview vor seiner Krankheit sagte er spaßeshalber, auf seinem Grabstein solle einmal Death Metal-typisch „Ich werde niemals sterben, es wird niemals sterben“ stehen. Das Internet überschlägt sich mit Beileidsbekundungen, da LG Petrov äußerst beliebt war. Er war quasi der Lemmy des Death Metal, liebte die Musik und seine Fans ebenso wie Partys und Alkohol (ja, ja, irgendeinen Nachteil gibt es ja immer). Außerdem war er ein talentierter Pinball-Spieler.
Herrliche Selbstironie
Wo andere Leute mit zunehmendem Alkoholkonsum schwierig werden, wurde bei Entombed A.D. erst recht der Humor befeuert, wie sich im Video zu ‘The Winner Has Lost’ zeigt. Dieses verdeutlicht herrlich selbstironisch, wie es die Band gehalten hat: Der mahnende Finger, nicht das ganze Budget zu versaufen, endet als Videokonzept in einer feucht-fröhlichen Brauereiführung. LG war ein Typ, für den es auf jedem Festival immer irgendwo auf der Welt 16 Uhr war, sobald sich ein Kumpel in der Nähe befand. Selbst auf dem Krankenbett hat er es sich nicht nehmen lassen, für Kumpels einer Metal-Kneipe in Schweden die Werbetrommel zu rühren.
Als Entombed A.D. die Nachricht am 8.3.2021 publik machen, hätten sie es treffender nicht formulieren können: „Er hat mit seiner Stimme, seiner Musik, seinem Charakter und seiner einzigartigen Persönlichkeit so viele Leben verändert. LGs Lächeln ist etwas, das wir für immer in unseren Herzen tragen werden.“ Die Welt verliert einen der besten Death Metal-Frontmänner aller Zeiten und einen coolen Typen, der bei allem Erfolg die Bodenhaftung nicht verlor. Darauf LEFT HAND PATH und ein Pils zur Linken! Danke für die Musik, Chief Rebel Angel!