MP3-Format: „Natürlich lag Ulrich mit seiner Klage richtig!“

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Die Musiktauschbörse machte sich die MP3-Technologie zunutze, welche Mitte der Neunziger Jahre aufkam, und sollte dem Zweck dienen, Musikdateien über das Internet leichter verteilen zu können. Zeitweilig war Napster die am schnellsten wachsende Community im Internet, es wurden mitunter zwei Milliarden Dateien getauscht – pro Monat. Diese Zahl allein verdeutlicht, dass Napster keinesfalls mit den Kassettenkopien auf dem Schulhof in den Achtziger Jahren verglichen werden kann beziehungsweise verharmlost werden darf. Die eigentlichen Urheber sind von diesem Vorgang komplett entkoppelt. Metallica-Drummer Lars Ulrich ging im April 2000 aus dem Sattel und zog gegen Napster vor Gericht.

Ein Vorgang, den viele Fans persönlich nahmen und extrem kritisch sahen. Aber Recht muss eben Recht bleiben – egal, ob bei kalifornischen Multimillionären oder der Punk Rock-Kapelle aus Geilenkirchen. „Natürlich lag Ulrich mit seiner Klage richtig!“, unterstützt Schmier rückblickend seinen Kollegen im Kampf gegen Musikpiraterie. „Das wusste man aber damals noch nicht. Die Plattenfirmen und unsere Politik haben es versäumt, Kunst und Musik zu schützen. Leider wurde da geschlafen, und jetzt kann man das Rad nicht mehr zurückdrehen.“ Der aktuelle Kompromiss zwischen moderner Technologie und den Interessen von Fans, Musikern und Labels heißt Spotify, Tidal oder Deezer – aus Sicht mancher Protagonisten ein eher fauler Kompromiss.

Akustische Steinzeit

70 Millionen Songs, jederzeit verfügbar als MP3. Ein futuristisch anmutender Traum für jeden Hörer, der im Mittelalter des Musikkonsums groß wurde und froh war, dank Walkman und Kassette für 60 oder 90 Minuten unterhalten werden zu können. Die Unterschiede der diversen Streaming-Portale, welche aktuell Abopreise zwischen acht und zwanzig Euro anbieten (zudem werbefinanzierte Gratisangebote, die in der Nutzung eingeschränkt sind), beziehen sich auf exklusive Inhalte, mobile Optionen, aber auch klanglichen Wert.

Der von Rapper Jay-Z mitgeführte Dienst Tidal wirbt beispielsweise nicht nur mit einer faireren Bezahlung der Künstler, sondern auch einem verlustfreien Sound bis hin zur „Master-Qualität“. Schmier bleibt dennoch skeptisch: „Das Digitale hat uns klanglich eher in die akustische Steinzeit zurück gebeamt. Das MP3-Format war faszinierend und verstörend zugleich. Ich bin nach wie vor der Meinung, dass nichts besser klingt als Vinyl. Dass wir alle mal Musik mit unserem Handy hören würden, hätte ich dir nie geglaubt, da hätte ich dich ausgelacht!“

Letzter Strohhalm

Der Planet streamt. 72 Prozent aller Musikkäufe in Deutsch­­land verlaufen digital, davon knapp 90 Prozent via ­Streaming. Doch bei den Musikern aus der wirtschaftlichen Mittelklasse bleibt kaum etwas hängen. Laut dem Destruction-Boss machen die Streaming-Einnahmen nur zwischen fünf und zehn Prozent der Kriegskasse aus. Obendrauf: Der Branchenriese Spotify zählt über 150 Millionen Abonnenten, setzte 2021 über 9,6 Milliarden Euro um – und schreibt dennoch weiter rote Zahlen. Das Gesamtbild schildert eine gravierende Schieflage, welche den Ausschuss für Digitales, Kultur, Medien und Sport des britischen Parlaments ab Ende 2020 dazu animierte, virtuell Vertreter der Musikindustrie zu befragen, um die „Wirtschaft des Musik-Streamings“ zu untersuchen.

Bei der Zusammenkunft der Streaming- und Label-Größen wurde eine starke Preiserhöhung der Abos diskutiert. Doch diese würde laut Horacio Gutierrez, Head of Global Affairs und Chief Legal Officer bei Spotify, illegale Downloads stärken. Früher wurden Hörer als „Intensivkäufer“ definiert, die drei CDs im Jahr kauften. Heutzutage geben sie knapp das Vierfache für das Streaming aus. Dieses Geld wird aber – im Grundansatz – auf drei Millionen Künstler aufgeteilt. Eine Preiserhöhung könnte entsprechend den letzten Strohhalm knicken, an den sich die Branche klammert. „Es gibt Bands, die generieren dort durchaus gute Einnahmen, weil die junge Kundschaft nur noch streamt“, schildert Schmier die Lage. „Auch wir arbeiten daran, unsere Old School-Hörerschaft in Richtung der Streaming-Dienste zu pushen, denn dort hört die breite Masse. Wer beim Streaming nicht Gas gibt, geht unter.“

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