Monstersause mit Odin und Co: Das Ragnarök-Festival 2019

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Die Post-Festival-Depression hat das Gemüt vollends im Griff. Wenige Tage erst liegt das Dark Easter Metal Meeting in München zurück; der Wiedereinstieg in den Alltag fällt gewohnt schwer – wer kennt es nicht?! Die Vorfreude auf das anstehende Wochenende ist daher ganz besonders groß: Denn für alle Hammerschwinger, Hörnerträger, Huldiger wohlschmeckenden Honigweins und für jeden, der sich berufen fühlt, steht mit dem Ragnarök- Festival 2019 das Highlight des Jahres vor der Tür.

Bereits am Donnerstag treffen zahlreiche Metalheads in Lichtenfels ein und hieven Zelte, Pavillons und Paletten voller Bier auf den kleinen Campingplatz direkt hinter der Stadthalle. Noch ist der Wettergott der Veranstaltung wohlgesonnen; strahlender Sonnenschein versüßt die Ankunft. Auf die gewohnte Warm-up-Party müssen alle Feierwütigen in diesem Jahr leider verzichten – mehr Zeit für Zeltplatz-Action!

Freitag, 26. April

Über die Jahre hinweg hat sich die Veranstaltung fest im beschaulichen Städtchen Lichtenfels etabliert. Immer wieder sieht man Anwohner rund um das Gelände schlendern, die einen Blick auf die aus verschiedensten Teilen Deutschlands und aus dem Ausland angereisten Besucher erhaschen wollen. Der nur wenige Gehminuten entfernte Supermarkt kommt gar nicht hinterher, den Kühlschrank mit lokalem Bier nachzufüllen. „Na, ihr seid ja immer ganz friedlich“, stellt eine Dame mittleren Alters zufrieden fest, bevor sie mit ihrem Fahrrad von dannen zieht. Jetzt aber nichts wie hinein in das musikalische Vergnügen!

Es beginnt

Leider scheint der erste Festival-Tag unter keinem guten Stern zu stehen: Aufgrund eines Streiks im Flugbetrieb müssen sowohl God Dethroned als auch Naglfar ihre Auftritte auf dem Ragnarök absagen. Die Show von Skeletonwitch, die der einziger Festival-Aufschlag des Jahres der Band ist, verschiebt sich auf Samstag.

Mit neuer und nach hinten geschobener Running Order liefern Atlas Pain und Midvinterblot den Auftakt. Letztere rufen zu großen Folk Metal-Sause und heizen der bereits am Nachmittag gut gefüllten Halle ordentlich ein. Besonders das Geigenspiel der Schweden überzeugt – was vom Sound leider nicht behauptet werden kann. Ein seit Jahren bekanntes Problem, das auch 2019 hier und da den Hörspaß deutlich mindert.

Durch das Bespielen beider Bühnen im Wechsel ist die Wartezeit zwischen den einzelnen Bands angenehm gering, und so stehen wenig später bereits Nothgard auf den Brettern: „Bewegt euch, aber tut euch nicht weh!“, fordert Frontmann Dom R. Crey die Meute auf. Noch 2018 feierte der Equilibrium-Gitarrist mit seiner Hauptband in Lichtenfels zehn Jahre SAGAS, heute kredenzt er unter anderem Stücke aus Nothgards aktuellem Album MALADY X, darunter ‘Epitaph’ und ‘Fall of an Empire’. „Wir waren Nothgard und ihr verdammt geil“, verkündet Crey zum Abschluss sichtlich glücklich. Unterschreiben wir so.

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Auf Eïs gelegt

Weiter geht es mit einer ganz besonderen Show: Gleich zwei Mal treten Eïs an diesem Wochenende auf. Die Freitagsdarbietung steht ganz unter dem Banner der 2009 erschienenen Platte GALEERE; damals hießen Eïs noch Geïst. Ein imposantes Schiffsruder ziert den Mikrofonständer und sorgt für passende Atmosphäre.

Mit einer Laterne in der Hand schreitet Fronter Alboin andächtig über die Bühne; auch die im Seemannsstil gehaltene Garderobe der Band harmoniert perfekt im Gesamtbild. Knappe 24 Stunden später heißt es dann Lebewohl. Eïs zelebrieren ihr vorerst letztes Konzert („die wirklich emotionalste Show, die wir je gespielt haben“) mit Nummern wie ‘Mann aus Stein’, ‘Stillstand und Heimkehr’ und dem tiefgehenden ‘Kainsmal’, samt früherer Weggefährten.

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Grenzgänger

Bei Agrypnie hingegen ist hoffentlich noch lange nicht Schluss. Schließlich erschien mit GRENZGæNGER nach langer Wartezeit – was Sänger Torsten Hirsch erneut betont – ein ausgesprochen wundervolles Album. Zwar läuft während des Auftritts nicht alles glatt – technische Schwierigkeiten und zickende Gitarren – dennoch sorgen Agrypnie für Gänsehaut:  Zu ‘Die längste Nacht’ erhalten die Schwarzmetaller Unterstützung durch Harakiri For The Sky-Sänger J.J., bevor ‘Zu Grabe’ einen intensiven und eindrucksvollen Abschluss bildet.

Wer war bereits 2007 zu Gast in Lichtenfels? Varg auf alle Fälle, die heute in neuer Besetzung auffahren. Vor zwölf Jahren debütierten die Coburger an selbigem Ort mit ihrem Erstwerk WOLFSZEIT. Wenn das mal kein Anlass für einen erneuten Rudeleinfall ist. Natürlich ist die Setlist komplett auf besagte Scheibe ausgelegt.

Einzige Ausnahme: ‘Schildfront’ als Zugabe. Für ihr Heimspiel erhält die Band um die beiden Gründungsmitglieder Philipp „Freki“ Seiler (Gesang) und Silvester „Fenrier“ Grundmann (Schlagzeug) reichlich Zuspruch; Künstler und Publikum befeuern sich gegenseitig, während die vordersten Reihen in Richtung Ekstase bangen.

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Rastlos

Nicht minder intensiv – obgleich auf eine ganz andere Art und Weise – geht es mit Harakiri For The Sky weiter. Die Österreicher fesseln ab der ersten Sekunde. Wiedersehen macht bekanntlich Freude: So dürfen wir noch einmal Agrypnie-Fronter Torsten Hirsch für einen Gastauftritt begrüßen.

Kollegialität wird hier offensichtlich großgeschrieben, was auch das gegenseitige Aushelfen an diversen Posten immer wieder zeigt. Wie ein ruheloses Tier tigert J.J. über die Bühne und scheint während ‘Heroin Waltz’ und allen voran ‘You Are The Scars’ die Lasten und den Schmerz der ganzen Welt alleine auf seinen Schultern zu tragen. Mehr Gefühl geht nicht. Ein absolutes Highlight!

Als selbiges galten auch Carach Angren – zumindest vorab. Nach Borknagar besiegeln die Niederländer heute den Konzerttag. Leider kommt der eigentlich doch so bombastische und eindrucksvolle symphonische Black Metal der Männer nicht wirklich überzeugend daher; daran ändert auch die eindrucksvolle Aufmachung nichts. Keyboarder und Gitarrist fahren immer wieder auf Hebebühnen auf und ab; dem Auge gefällt das, doch die Ohren verlassen die Stadthalle heute mit geminderter Euphorie.

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Samstag, 27. April

Tag zwei startet mit der nächsten Hiobsbotschaft, oder um die Facebook-Benachrichtigung des Veranstalters aufzugreifen: „Wenn dann richtig“. Aus gesundheitlichen Gründen müssen XIV Dark Centuries ihren Auftritt absagen. Spontanität ist gefragt; so übernehmen die Pagan Metaller Gernotshagen aus Thüringen die Spielzeit. Doch zunächst sind Munarheim an der Reihe – die zweite Band aus Coburg an diesem Wochenende.

Wie ein roter Faden zieht sich das kommende Album WILLENS & FREI durch die Show, die mit ‘Dein ist der Tag’ beginnt und zu ‘Mein Weg’ ihr Ende findet (inklusive Kunstblut). Nach 2017 hat es der Trupp erneut geschafft, bereits um 12:00 Uhr zahlreiche Fans vor der Bühne zu versammeln – völlig zu Recht! Firtan und Dalriada helfen über das Mittagstief hinweg, bevor mehr oder weniger alte Bekannte unter neuem Namen auflaufen.

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Aus der Asche

Ash of Ashes mögen vielleicht nicht jedem ein Begriff sein, die Wurzeln des Trupps in der Szene jedoch liegen tief. Schließlich entstammt die Band keiner geringeren Formation als der Pagan-Truppe Hel, die sich 2012 offiziell auflösten. Mit einer Hommage an Hels DAS ATMEN DER ERDE erinnert Frontmann Skaldir an deren Ragnarök-Show 2007. Stellenweise etwas holprig, allgemein dennoch ein gelungenes Konzert.

Auch der standhafteste Metaller braucht einmal ein Päuschen. Während Gernotshagen, Minas Morgul und Mors Principium Est weiter die Halle zum Beben bringen, schlendern wir durch zahlreiche Merchendise-Stände und inspizieren die Lage am Zeltplatz. Vom vielen Sonnenschein am Donnerstag ist heute leider nicht mehr viel übrig. Immer wieder setzt Regen ein, was die Besucher jedoch nicht am exzessiven Flunkyball-Spielen hindert. Trotz all der Feierlaune bleibt ein Wehmutstropfen: Der bereits angesprochene (vorläufige) Abschied von Eïs steht an.

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Schluss mit Trauerstimmung

Heidevolk sind im Anschluss die perfekte Wahl, um jegliche Traurigkeit vergessen zu lassen. Es wird ausgiebig getanzt, dazu haufenweise umherwehende Haare. Beim Klassiker ‘Saksenland’ rastet das Publikum vollkommen aus – was ist hier bitte los, ihr Wahnsinnigen!

Nicht minder beschwingt legen Arkona und Tyr nach. Und auch Ensiferum fordern jede Menge Bewegung. Überraschend früh kredenzen Petri Lindroos und seine Mannschaft den Hit ‘Lai Lai Hei’, gefolgt von unter anderem ‘Token of Time’, ‘Burning Leaves’ und dem niemals langweilig werdenden ‘Iron’. Die Finnen sind und bleiben einfach ein Garant für außerordentlich gute Live-Shows. Stillstehen? Fehlanzeige!

Nun dürfen auch Skeletonwitch ihren eigentlich für den Vortag geplanten Auftritt nachholen. Die amerikanischen Extreme Metaller gelten als Festival-Exot, machen als solcher aber eine durchweg gute Figur. Einige Besucher verarbeiten den krassen Kontrast dennoch am Bierstand, in der Vorhalle oder draußen, wodurch die ein oder andere Lücke in der Menge entsteht. Dafür brechen vereinzelt Moshpits aus!

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Melancholie zum Abschluss

Mit viel Wehmut neigt sich das Ragnarök 2019 dem Ende entgegen. Dornenreich liefern dazu das Melancholie-Paket schlechthin. Als wahrer Glücksgriff erweist sich Bassist David Conrad (Heretoir), der erst seit kurzem Teil des Live-Gebildes ist. Seine warmen Gesangsparts schmiegen sich wohlig um Evigas keifendes Flüstern.

Hier ist jede Nummer ein Höhepunkt, jeder Ton ein Meisterwerk; und wenn zu ‘Trauerbrandung’ gar ein oder auch mehrere Tränchen über die Wange kullern, wird einmal mehr die Intensität Dornenreichs deutlich und klar, welch wundervolle Emotionen Musik im Stande ist auszulösen. In diesem Sinne: Bis zum nächsten Ragnarök, für das alle Künstler, die an diesem Wochenende nicht auftreten konnten, bereits jetzt bestätigt sind. Es war ein Fest – wie immer!

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Diese noch unbekannten Sängerinnen prägen den Heavy Metal von heute und morgen

Gesang erzählt Geschichten, unterstreicht Emotionen und bietet Kontraste. Verschiedene Arten, die Stimme zu beherrschen, scheinen im Metal diverser als irgendwo sonst. Ein weiteres Genre, das selbst „normalem Gesang“ einen eigenen Namen gibt („clean“), weil es so viele andere Techniken gibt, die Stimme einzusetzen, fällt auf Anhieb nicht ein. Die Rede ist von Screaming, Growling, Death Growls und Vocal Fry, um nur einige wenige zu nennen. Oft fungieren Lyrics als geradezu greifbare Schnittstelle zwischen Musik und Zuhörer*innen; Texte interpretieren, was Musik auf einer abstrakteren Ebene zu vermitteln gedenkt. Robert Plant, Chris Cornell, Ozzy und Dio, auch Chelsea Wolfe und Brody Dalle…
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