Der Fan wird für’s spenden belohnt
Mit „Ausverkauf!“- und „Kommerz!“-Rufen ist man schnell und gerne dabei. Auch und gerade angesichts der wortwörtlichen Schwemme an Dio-Releases, die uns seit seinem Tod vorgesetzt werden.
Ist das Heldengedenken, oder schon Leichenfledderei? Fakt ist: Dio-Fans wollen ihre Anteilnahme zeigen und greifen deshalb gerne zu neu veröffentlichen Live-Aufnahmen, oder sie nutzen den traurigen Anlass, um ihre Diskografie um ein paar wieder aufgelegte Klassiker zu vervollständigen. Klar, dass dabei Geld fließt. Und oft genug sicher auch in die Tasche von Leuten, die einfach nur das schnelle Geld wittern.
Aber im Falle Dio gestaltet sich das (zumindest zu einem gewissen Teil) anders: Viele der posthumen Veröffentlichungen tragen den Segen von Witwe Wendy Dio. Die hat ein Auge darauf, dass das Geld nicht in dubiose Kanäle fließt, sondern der von ihr geleiteten „Ronnie James Dio Stand Up And Shout“-Stiftung zugute kommt.
Diese Stiftung ist bereits aktiv, spendete unter anderem die nicht unbeträchtliche Summe von 100.000 US-Dollar an die „T.J. Martell Foundation for Leukemia, Cancer and AIDS Research“. Mit den Einnahmen wird also Menschen geholfen, die, wie zuvor Ronnie James Dio, an Krebs leiden.
Also: re-Release-Schwemme hin, plötzlich auftauchende Live-Aufnahmen her: Im Falle Dio steckt dahinter eine gute Sache. Jeder CD-Kauf und jeder Merchandise-Artikel helfen einem guten Zweck, kommen damit einer Spende gleich – mit dem Unterschied, dass es im Gegensatz zu einer normalen Spende einer Gegenwert in Form von Musik oder einem Andenken an die Gesangs-Legende gibt. So haben selbst eher spenden-faule Fans einen Anreiz, Geld zu geben. Und das ist doch eine tolle Sache.
Der Name Dio wird immer weiter entwertet – „für den guten Zweck“
Dass der Cancer Fund Geld bekommt, ist gut. Doch wer zahlt dafür? Zum einen natürlich die Metal-Fans, die sich all die Dio-Releases und -Gimmicks kaufen sollen, die gerade den Markt fluten. Zum anderen aber der gute Name Dio, denn die re-Releases können kaum mit der immensen Qualität überzeugen, für die Alben wie HOLY DIVER oder MOB RULES stehen.
Es fällt zwar schwer, etwas gegen den guten Zweck zu sagen, doch wenn die Qualität so grenzkatastrophal ist, wie momentan leider bei Dio, geht das ganz und gar nicht mehr in Ordnung. Da können sich Fans kaum noch freuen, wenn neue Produkte auf den Markt kommen. Beispiele?
– LIVE AT DONNINGTON: Schlimmes Cover, schwaches Booklet, mäßiger Sound, kaum vorhandene Live-Feier-Stimmung. Billig.
– ANGRY MACHINES als Stellvertreter für die eher schwachen Dio-Alben, die schnell mal wieder auf den Markt geworfen werden. Beliebig.
– Dio-Action-Figur: Ist das wirklich die Form, in der wir den verstorbenen Rock-Gott in Erinnerung behalten sollen? Aus Plastik?
– `Metal Will Never Die` – sein letzter jemals eingesungener Song. Leider eine Kooperation mit David „Rock“ Feinstein, dessen kommendes Album so unterirdisch ist, dass es nicht mal in der Demo-Ecke richtig aufgehoben wäre. Das kann auch der Dio-Song nicht retten. Unwürdig.
Dazu kommen nun noch Vinyl-Releases, Box-Sets, Biographie und eine DVD mit Material aus Japan, 1985. Bild und Ton-Qualität sind sicher bestens für eine DVD-Veröffentlichung geeignet. Oder etwa nicht? Und wie ausgefeilt wird die Biographie wohl werden? Die Sorge einer „heiße Nadel“-Veröffenlichung liegt nah.
Ich möchte Dio nicht als Merchandise-Maskottchen in Erinnerung behalten, sondern als den Mann, der geniale Alben eingesungen hat, der seinen Fans tolle Konzerte und Live-Aufnahmen beschert hat, dessen Artworks in die Metal-Ikonografie eingegangen sind. Diese Sachen gibt es aber alle schon! Sie müssen nicht neu aufgelegt werden. Es muss auch nicht jedes Brikett aus dem Keller als Gold verkauft werden. Auch Ronnie James Dio hatte schwächere Tage – und die müssen nicht nachträglich dem Fan angedreht werden.
Jetzt lege ich erstmal die Live-Beilage des Black Sabbath re-Release von HEAVEN & HELL ein. Die zeigt nämlich, dass alte Live-Aufnahmen und Neuveröffentlichungen auch mit Herzblut geschehen können. Gleichzeitig versuche ich zu vergessen, dass es im Dio-Webshop oben zu sehende Weihnachtskarte zu kaufen gibt. Mit Musik beim Öffnen. Wer hat die eigentlich gebastelt?
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