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Meinung: Metal-CSU? Nein Danke!

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Liebe Rocker,

Es gibt wenig was mich so sehr nervt, wie übertriebener Wertekonservatismus. Egal ob Gesellschaft, Traditionen, Politik oder Musik – oft ist die uneingeschränkte, völlig unkritische Konservierung des Althergebrachten nicht viel mehr als eine Blockade des Fortschritts. Konservativ zu sein bedeutet oftmals, irgendwie latent fortschrittsfeindlich zu sein. Natürlich sind gewachsene Werte und Traditionen nicht immer völliger Blödsinn, aber in den meisten Fällen ist eine Neuinterpretation des Althergebrachten mehr wert als eine völlige Abwehrhaltung gegenüber des Neuen und Fremden.

Warum sage ich das? Weil in Teilen der Metal-Szene anscheinend genau dieser Konservatismus unvoreingenommen regieren kann. Das geht so weit, dass man Menschen begegnet, für die (überspitzt formuliert) alles was nach 1995 veröffentlicht wurde, jede einzelne Entwicklung, die Grunge, Alternative, Nu-Metal, Crossover oder Metalcore mit sich brachte, schon mal grundsätzlich „Scheiße“ ist. Oder, anders formuliert: Alles was nicht irgendwie wie Slayer, Metallica, Mötley Crüe, Iron Maiden, Celtic Frost oder Obituary klingt, hat für einige Internet-Kommentatoren mit Metal nichts zu tun. Neue Einflüsse, neue Ideen, Weiterentwicklungen, Crossover-Versuche oder generell „die Veränderung“ sorgt in einigen Teilen der Fanlandschaft nach wie für einen schmerzerfüllten Aufschrei. Und dieser bei mir für Nackenschmerzen vom heftigen Kopfschütteln.

Die Gnade der späten Geburt

Zugegebenermaßen entstamme ich einer Generation aus Metal-Fans, die nicht in den Achtzigern groß geworden ist. Meine ersten Lieblingsbands hießen nicht Metallica, Slayer, Motörhead oder Iron Maiden sondern Hammerfall, Linkin Park, Blind Guardian und In Flames. Vielleicht ist es dieser Gnade der späten Geburt zu verdanken, dass ich als Teenager Mixtapes besaß, auf denen Darkthrone und Marduk neben Limp Bizkit und The Offspring stattfinden konnten. Eventuell basiert darauf auch mein Unverständnis, wie Menschen allen ernstes behaupten können, dass The Black Dahlia Murder keine Death Metal-Truppe, sondern ja nur „eine dieser Core-Bands” seien – während dieselben Leute dann gleichzeitig die ultra-technische Phase von Cannibal Corpse am härtesten feiern.

Doch es geht mir nicht nur um festgefahrene Genre-Konventionen, die für die edlen Sparten-Wächter jederzeit passgenau eingehalten werden müssen, damit eine Band sich für ihren Plattenschrank qualifiziert. Es geht mir auch noch um etwas anderes: Die drohende, völlige Stagnation des Heavy Metal.

Um das Problem der Metal-CSU an einem Beispiel zu illustrieren, muss ich noch nicht mal lange suchen – selbst wenn ich im „das hat mit Metal nichts zu tun“-Vorurteils-Regal an den Cover-Girls von Babymetal vorbeigreife, bei deren bloßer Erwähnung schon vielen Internet-Kriegern der Geifer das virtuelle Corpsepaint verschmiert. Mein Beispiel heißt: Slipknot! 2016 eine der größten, einflussreichsten und wichtigsten Bands des modernen Metal. Die maskierte Abriss-Formation ist so zugkräftig, vielschichtig und facettenreich wie kaum eine andere Band. Und dennoch – nach über 20 Jahren und fünf Alben-Meilensteinen sind die Musiker, die mit ihrer unbändigen Energie nach wie vor unerreichte Live-Shows bieten, für viele Trveness-Warrior immer noch „diese Nu-Metal Band“, die man ja nicht erst nehmen könne und die „nervt“ – obwohl IOWA vielleicht eines der wichtigsten Metal-Alben der Zweitausender ist. Seht auf unserer Facebook-Seite nach, wenn ihr mir nicht glaubt. Es gibt diese Leute.

Stagnation statt Avantgarde

Nicht selten frage ich mich angesichts dieser Metal-CSU, ob deren Vertreter überhaupt noch etwas merken. Denn wenn es von dieser Sorte Musikfan vor 35 Jahren ein paar mehr gegeben hätte, dann wären Iron Maiden heute nicht mehr als eine Fußnote der Musikgeschichte und Metallica hätten es niemals aus ihrem Proberaum in San Francisco herausgeschafft. Jede neue Musik, egal ob Motörhead, Maiden, Napalm Death oder Bathory, war getrieben vom Glauben an den Fortschritt. Der Abkehr vom Althergebrachten. Der Suche nach dem neuen Extrem, nach der neuen Melodie, nach dem unverbrauchten Rock’n’Roll und der zeitgemäßen Provokation. Die Abwehr jeglicher neuen Einflüsse, die Ignoranz gegenüber dem Verschmelzen von Stilen, der generelle Hass gegenüber ganzen Subgenres und die Verteufelung neuer Produktionstechniken („Trigger sind der große Satan”, „Keyboards sind untrue”, „alles mit Elektronik ist kein Metal”, nur um ein paar der Streitpunkte zu nennen) ist das genau Gegenteil dieses Gefühls. Heavy Metal war einmal die Avantgarde des Untergrundes. Schneller, härter, lauter, unangepasster und technischer. Diese Zeit scheint verdammt lange her.

Das Gegenteil der Metal-CSU sind moderne Bands wie Deafheaven, die von Teilen der Black Metal Szene nach ihrem Debüt (oder spätestens nach dem pinken Cover von SUNBATHER) am liebsten gelyncht worden wären. In Flames, deren Fans angesichts der konsequenten Weiterentwicklung nach wie vor mit ”THE JESTER RACE 2 or GTFO“ reagieren. Periphery, die von Kuttenträgern belächelt werden obwohl sie gezeigt haben, wohin der Weg des Progressive Metal führen wird. Parkway Drive, die „Surferboys“ die ihren „Hardcore“ spielen (und ganz nebenbei vielleicht eine der einflussreichsten Metal(core)-Bands der Gegenwart sind.) After The Burial. Und ja: Babymetal. Das Kunstprodukt. Der „Scheiß aus Japan“, der einfach jede Genrekonvention ignoriert, jede Grenze überwindet und damit vielleicht viel entscheidender ist als Bands, die seit Jahrzehnten den gleichen Stiefel herunterspielen.

Natürlich ist es wichtig die Wurzeln zu kennen. Natürlich sind KILL ‚EM ALL, REIGN IN BLOOD, KILLERS oder TO MEGA THERION wegweisende, herausragende Alben. Aber ich teile die oft gehörte Ansicht „jetzt lieber in den Achtzigern zu leben“ zu keinem Moment. Denn das würde bedeuten, ohne HORIZONS oder IOWA, ohne SUNBATHER, ohne NOCTURNAL und ohne A SENSE OF PURPOSE leben zu müssen. Der Konservatismus der Metal-Fans hat in bestimmten Bereichen seine Vorteile: Bands verdienen (etwas) mehr Geld durch Verkäufe, die Fans sind treuer und die Szene insgesamt beständiger. Trotzdem gilt: Ohne neuen Impulse gibt es keinen Fortschritt. Und den braucht auch der Metal, um „nie zu sterben“.

Euer Eike

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