Maik Weicherts Kolumne: Zu viel gezahlt im Land der Dichter und Denker

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Heaven Shall Burn Maik Weichert
Heaven Shall Burn 19.03.2010 Session
Weimar – , Germany

Was gibt es nicht alles für Vollidioten in der Werbung: Marcel D´Avis z.B.! Falls der mir irgendwo mal im Dixiklo auf einem Festival begegnet, wisch ich mir mit seiner Kundenservicekompetenzgrinsefresse den Arsch ab – aber wahrscheinlich soll der Typ wirklich nur nerven und bezwecken, dass sogar irgendwelche Spinner in ihren Kolumnen sich über ihn aufregen. Ich bin mir aber sicher, dass der in seinem Kuhkaff (wo immer es auch sein mag), das ihm diesen nur nervig zu überspielenden Dialekt verliehen hat, nicht mehr zum Weinfest gehen kann, ohne gleich `nen Bembel oder Maßkrug über die Omme gezogen zu bekommen. Gleich danach kommt glücklicherweise eine Werbung mit Mrs. Jovovich, das stimmt natürlich versöhnlich. Doch gleich bei den darauffolgenden Werbefilmchen habe ich das Gefühl der Idiot sitzt nicht im Fernseher sondern davor.

Die meisten von Euch kennen sicher auch diese Werbung: „Gleiches Hotelzimmer unterschiedlicher Preis“ bzw. „ Die Passagiere A und B sowie X und Y haben zuviel bezahlt, nur Passagier Z hat verglichen blabliblubb…“ Ich habe den Werbespot zwar schon tausendmal gesehen, aber erst heute kommt mir ein unangenehmer Gedanke – wahrscheinlich waren meine Hirnzellen nicht ganz so auf Durchzug geschaltet wie sonst. Die das biblische Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg ad absurdum führende und an die niederen Neidinstinkte des Reisekonsumenten appellierende Werbebotschaft hatte eine Erinnerung in mir empor geholt:

Ich saß mit „meiner“ Band im Flugzeug, um auf einem Festival in Asien zu spielen. In den früheren Jahren der Band gab es dafür ja noch nicht die Millionengagen wie heute, also musste man da hart kalkulieren – und die Gage plus Merch-Einnahmen haben kaum für die Flüge gereicht. Da saßen dann auch andere Bands mit im Flugzeug – aus Belgien, Frankreich, Niederlande. Einige der Kollegen kannte man schon flüchtig und man kam schnell ins Gespräch. Nach kurzer Zeit war klar, dass wir die Einzigen waren, die für ihre Flüge selbst bezahlt hatten. Die anderen Bands hatten die Flüge einfach bei irgendeiner staatlichen Stelle beantragt und bezahlt bekommen, von der Gage mussten sie nichts abgeben. Jetzt wusste ich auch, warum der Veranstalter eine offizielle Einladung des Kultusministeriums geschickt hatte! Während also die anderen Krachmacher sozusagen als Kulturbotschafter ihres Landes unterwegs waren, hatte die deutsche Kulturpolitik für uns nur die selbstfinanzierte Rolle als Pauschaltourist übrig gehabt.

Auch in den meisten nordischen Ländern werden Bands dermaßen gefördert und unterstützt, dass es kein Wunder ist, dass so viele großartige Künstler aus diesen Ländern den Sprung in unsere CD-Regale schaffen. Auch das kleine Island gönnt sich den Luxus, mit Hilfe staatlich akquirierter Sponsoren die isländische Kultur, für die Künstler kostenfrei, mit Icelandair in alle Welt zu exportieren. Und was macht das Land der Dichter und Denker?! Natürlich gibt es hier auch Fördertöpfe bei denen man sich bewerben kann, aber wenn man dann sieht, dass diese an ihrer Kulturschaffenheit fast erstickenden Gralshüter des deutschen Kulturkanons lieber ein paar minder begabte Musikstudenten vor einer handvoll gelangweilter Diplomaten in irgendeinem Obstlieferantenland den armen Bach zum zweiten Mal zu Tode tröten lassen, als wirklich nachhaltig gefragte Nachwuchskünstler zu supporten merkt man schnell, dass die deutsche Kulturpolitik den Schuss ganz sicher noch lange nicht hörten wird. Sollen die doch lieber mal eine junge Teutonen-Metal-Band durch die Welt schippern und von den Nibelungen erzählen lassen, als den hundertsten Laienchor die Chance zu geben, auf der chinesischen Mauer den Wagner zu vergewaltigen! Okay, okay, das Goethe-Institut hat mal ein paar zu Deutschrockern gealterte Punker, ich glaube durch den Kaukasus geschickt. Das einzig Positive daran war wohl, dass in der Zeit niemand in Deutschland auf deren Konzerte musste.

Ich verstehe einfach nicht, warum man es jungen Bands in Deutschland so schwer macht den Sprung ins Ausland oder überhaupt aus dem stickigen Proberaum zu schaffen. Statt Unterstützung der Tour-Aktivitäten gibt es den ersten Brief vom Finanzamt, sobald man ein Konzert gespielt hat, bei dem man für die 50 Euro Spritgeld das erste Mal eine Rechnung unterschrieben hat. Jeder der bereits versucht hat einen Proberaum zu finden, kann ein Lied davon singen, von den gut ausgestatteten Proberaumkomplexen, die Nachwuchs-Bands in anderen Ländern zur Verfügung stehen, kann man hier nur träumen. Spielt man in den Niederlanden in einem kleinen Club für Nachwuchs-Bands, so ist der mit Technik ausgestattet, die hier nicht einmal in manchen Stadthallen hängt. Hierzulande verlässt sich alles auf die Eigeninitiative. Gäbe es nicht so viele gute Streetworker oder ehrenamtliche Helfer, so viele aufopferungsvolle Musikenthusiasten und Hobbyveranstalter, würde es hier noch finsterer aussehen. Statt aber diese Menschen zu unterstützen werden deren Initiativen in der Kulturpolitik unseres Landes quasi schon vorausgesetzt, es ging doch bis jetzt immer irgendwie.

Wie viele Blind Guardians könnten Japan erobern und wie viele Tobi Sammets Südamerika rocken, wenn man es dem Nachwuchs nicht so schwer machen würde, nach oben zu kommen? Jeder Kulturaustauschfurz irgendwelcher Vertreter der „Hochkultur“ findet in den Medien Beachtung („Briefmarkenfreunde Castrop Rauxel zum Kulturaustausch bei den anonymen Numismatikern Seoul“). Aber wenn z.B. In Extremo Mexiko platt machen, interessiert das Feuilleton das einen Scheiß.

Was ich damit sagen will? Wieder mal keine Ahnung. Aber sobald ich Kulturstaatsminister bin und ihr habt eine Grindcore-Band, dann könnt ihr eure formlosen Anträge für die Flugreisen nach Papua Neuguinea direkt bei mir einreichen!

 

Axel Jusseit Krefeld Germany
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