Da schlürfe ich morgens zum Küchenschrank und streusel mir im Halbschlaf mein Lieblingsmüsli in die Schüssel, nur um einige Sekunden später fast zu kotzen. Bääääägs, was ist das denn? Schmeckt irgendwie total nach Anis oder so nem Zeug… Ihr müsst wissen, Anis ist bei mir auf einer Ekelstufe mit Sülzwurst und Olaf Henkel Interviews. Vom Brechreiz nun hellwach guck ich auf die Packung und sehe einen großen knallgelben Sticker: „Neu! Mit verbesserter Rezeptur!“ Ey, verbessert am Arsch!!! Mein Lieblingsmüsli ist gestorben und ich hab es nicht mal mitbekommen, na toll, kann ich mir was Neues suchen, fakk.
Jetzt mal abgesehen von dem Müsli – das ist zwar ärgerlich, aber wird mich nicht umbringen – warum muss denn ALLES ständig besser werden? Schneller, höher, weiter, schöner. So viele liebgewonnene Dinge werden auf einmal verändert und werden als „moderner-besser“ verkauft. Zum Beispiel die niedliche Dampflokomotive auf den Verkehrschildern oder das Ampelmännchen. Herrscht da wirklich Innovationsdruck!? Muss man so viele Dinge wirklich einstampfen und glattbügeln?! Muss man gute Traditionen wirklich als alten Zopf betrachten, der abgeschnitten werden muss? Ich bin sicher kein Konservativer, aber jeder Furz, den irgendein „Visionär“ ausbrütet, muss in die Tat umgesetzt werden. Man ist hierzulande so versessen darauf, State Of The Art zu sein, dass es mitunter wirklich arg nervig werden kann. Aber das ist „nur“ nervig, das ständige Geschrei nach Wachstum und Verbesserung hat auch eine wirklich kranke Dimension:
Alles muss ständig wachen und besser werden, das ist das Tagesgebet, was man auf der Nordhalbkugel täglich um die Ohren gehauen bekommt. Ohne Wachstum geht unser System den Bach runter, Wachstum ist der Garant der Freiheit, des Fortschrittes und des Wohlstandes – warum sehe ich nur jedes Mal Grinse-Guidos Fratze vor mir, wenn ich an so was denke…?
Ewiges Wachstum ist absurd – ich hab mal von einem Kabarettisten gehört, dass etwas, was immer weiter wächst, ein Krebs ist. Ich denke, damit liegt man gar nicht so falsch, irgendwann wird es krankhaft! Immer mehr, immer produktiver. Wie soll man denn Produktivität steigern und Wachstum generieren?! Mann muss entweder mehr verkaufen, oder das Produzierte mit weniger Leuten produzieren oder die Produkte mit noch billigeren Rohstoffen herstellen – am besten aber an allen Schrauben stellen. Da werden wir in Zukunft wohl jedes Jahr die Abwrackprämie beantragen müssen und einmal im Monat einen Fernseher kaufen – natürlich vom Zeitarbeiter-Gehalt oder vom Arbeitslosengeld, weil man in der produktiven Wirtschaft ja nicht mehr gebraucht wird und schon lange wegrationalisiert worden ist.
Das Optimum interessiert in der Marktwirtschaft eines kapitalistischen Systems niemanden, die Akteure wollen das Maximum und dass ist nie das Beste für den Menschen an sich. Die Aktien müssen steigen. Warum sind wir einfach nicht zufrieden? Versteht mich nicht falsch, ich will nicht, dass wir alle als 2,30m große, blaue Indianer um einen Urwaldbaum hüpfen, aber man muss sich doch auch nicht von den Medien zum Konsumzombie wandeln lassen und dieses Mehr, Mehr, Mehr ins Hirn pflanzen lassen!
Einfach mal relaxen und zufrieden sein mit dem, was man hat. Das ist nämlich bei den meisten von uns wirklich nicht schlecht, das merkt man aber immer erst, wenn man an die guten alten Zeiten zurück denkt!
Ui, ich sehe grad, dass Maybritt Illner das gleiche Thema im ZDF am Wickel hat. Guckt einfach mal in die Mediathek da rein, da können wir die gesellschaftskritische Komponente der Kolumne hier abkürzen *hüstel.
Also zurück zu meinem Anfangsgedanken, so genannte Veränderungen, die einem als Verbesserung verkauft werden nerven mich auch als Musik-Fan wahnsinnig. Es kommt viel zu oft vor, dass man sich auf ein Release einer seiner Lieblinge freut, man schon ordentlich angeheizt ist durch die Promo im Vorfeld und das beste Album seit XXX oder das beste Album überhaupt versprochen bekommt. Ich will den Musikern auch gar nicht absprechen, dass sie der Meinung sind, dass dem so ist, aber meistens ist man dann maßlos enttäuscht und die Fortentwicklung bzw. Verbesserung geht mit einem gehörigen Qualitäts- und Identitätsverlust einher. Sollte man es vielleicht Metallica-Alben-Sydrom nennen? Ich will keinen Stillstand, aber mir wäre sehr oft ein Traditionsbewusstsein, ein Besinnen auf die eigenen Stärken und eine Treue zur eigenen Kunst viel lieber.
Wollten die letzten Motörhead-Alben besser sein als AE OF SPADES? Sicher nicht. Sind sie trotzdem geil? Auf jeden Fall!!!
Was will ich mit alldem sagen? Wieder mal keine Ahnung. Ich bin einfach nur von zu vielen vermeintlichen Innovationen enttäuscht, habe in letzter Zeit zu viele beschissene Platten gekauft und habe viel zu viele Freunde mit Burn Out Syndrom.