Auf irgendeiner Metal-Show in irgendeinem kleinem Club irgendwo im Lande geh ich zur Bar und bestell mir eine Bionade, da höre ich es hinter mir feixen „Hehe guck mal, der Metalcore-Spasti trinkt `ne Limo“. Ich dreh mich um und schaue in die pickeligen Gesichter von zwei maximal 16 Jahre alten Nachwuchsmetallern, die sich noch im Stadium des „lange Haare halb über die Ohren wuchern“ befinden. Mit Sodom– und Tankard-Shirts und einer ordentlichen Metalkutte, die Mutti bestimmt an einem einzigen Nachmittag mit Aufnähern ausgestattet hat.
Okay, mein Neaera-Shirt muss ja nicht jedem gefallen und Limo saufen bei nem Metal-Konzert ist auch nicht grad ne Heldentat, aber ich hab schon bei Sodom und Kreator meinen Beitrag im Moshpitt geleistet, da sind deren Eltern noch zu 2 Unlimited in der Dorfdisko rumgehampelt.
Ich hol also tief Luft und will grad einen Schwall von Lebensweißheiten, gut gemeinten Ratschlägen und Testfragen nach alten Sodom-Mitgliedern von oben herab über die beiden Nachwuchs-Thrasher ergießen, da ergreift mich auf einmal eine Erkenntnis, die ich eine halbe Minute vorher noch absolut gar nicht für möglich gehalten hätte:
Es ist doch schön, dass es so etwas gibt! Ich schau mich im Raum um und sehe altgediente 40-jährige Grindcore-Haudegen, 15-jährige Metalcore-Kids und alles was man sich in der Bandbereite dazwischen denken kann. Ist es nicht gut, dass es im Metal ständig Nachwuchs gibt? Diese Altersstruktur in der Szene ist doch etwas Fantastisches! Und ist es nicht besser, dass diese jungen Leute die Rebellion auch noch durchziehen? War ich nicht genauso, als ich mich mit meinem Napalm Death-Shirt über die Weicheier mit dem Dream Theater-Shirt ausgelassen habe, die nur hinten herumstanden und einen Saft getrunken haben, ohne zu diven und zu moshen?! Was wäre das für eine traurige Veranstaltung heute Abend, wenn alle wie ich hinten an der Wand lehnen würden und angestrengt die Bands analysieren?
Das ist doch grad das schöne an unserer Musik, dass hier die Rebellion Tradition ist. Die Liebe zu einer Band wie Iron Maiden wird heute von Eltern an ihre Kinder weitergegeben und trotzdem ist die neue Generation rebellisch und bringt neue Energie in die Szene. Der Spirit ist der gleiche, aber wird immer wieder aufgefrischt und weiter getragen. Wenn ein 15-jähriger Metaller nicht härter und extremer rüberkommen will, nicht mehr Metal sein will als alle anderen, dann stimmt doch etwas nicht! Was wäre der Metal ohne die ganzen jungen wilden pickeligen Kids, die sich ohne professionelle Routine und geschäftliche Absichten einfach zusammen rotten und neue, frische Bands an den Start bringen oder supporten? Waren Slayer nicht auch mal so eine Band? Oder Kreator? Oder Sepultura?
Grad fand ich die beiden Gestalten noch skurril und irgendwie zum belächeln. Doch plötzlich ist mir klar, dass alles in Ordnung ist! Alles ist so, wie es sein sollte, ich bin hier einer vom ruhigen Semester und schau mir die Show von hinten an. Die beiden dagegen werden vorn am Bühnenrand die Kuh fliegen lassen und sich zu recht über mich Langweiler aufregen.
Also, Respekt den Rotznasen!