Maik Weicherts Kolumne: Rechtes Attentat in Passau und blinder Aktivismus – wer profitiert?

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Heaven Shall Burn Maik Weichert
Heaven Shall Burn 19.03.2010 Session
Weimar – , Germany

Wer kennt das Gefühl nicht, wenn er z.B. in einer Verkehrskontrolle oder im Fußballstadion auf seinen Freund und Helfer trifft. Da stehen einem wahlweise ein viel zu frustrierter, dicker, älterer Herr, oder ein viel zu cooler, übermotivierter, machtbesessener Fast-Noch-Abiturient gegenüber.

In beiden Fällen verlässt man den Ort der Begegnung leider viel zu oft mit dem Gefühl, dass man dem grünen Männchen zwar mindestens die Hälfte seiner abgesonderten Verwaltungsakte verwaltungsrechtlich um die Ohren hauen könnte, aber in der jeweiligen Situation machtlos ausgeliefert war. So eine Art exekutiver Willkürexzess in Verbindung mit Kontrollverlust, ein wirklich frustrierendes Gefühl für rechthaberische Psychopathen wie mich. Ja selbst meine Helden Toto und Harry schießen gern mal über das Ziel heraus und überschreiten die Grenze vom Ordnungshüter zum Provokateur in unterhaltsamer Regelmäßigkeit.

Die Polizei spiegelt ja auch nur einen Querschnitt der Bevölkerung wider und so ist es auch schon rein statistisch nicht verwunderlich, dass es auf den Polizeirevieren dieser Republik genug Gestalten gibt, die mit bloßem Auge nicht von einem Vollidioten zu unterscheiden sind und die von einem gewöhnlichen Arbeitsmarktversager nur die, auf unerklärliche Weise vorhandene, Eignung zum Polizeidienst unterscheidet.

Aber genauso trifft man dort auch feine Menschen: Witzige Gesprächspartner, patente Sportkameraden, diskussionsfreudige Stammtischbrüder etc. – ganz normale und nette Leute eben. Doch leider treten diese dann in unserer Wahrnehmung oft nicht ins Licht – ich kann euch die Namen von unzähligen Polizeibeamten bzw. –angestellten (die sozusagen schon programmiert frustrierte Variante eines Polizeibediensteten) nennen, die sich um meine Verachtung bemüht haben, aber von einem couragierten Beamten wie zum Beispiel den Polizeichef von Passau hört man nur etwas, wenn er fast zum Mordopfer wird. Die Polizei hat ein Image Problem – oft zu Recht aber eben nicht völlig.
In den Jahren seines Dienstes hat sich Alois Mannichlden Ruf erworben, rigoros und engagiert gegen Rechtsextremisten vorzugehen. Jaja, für einige (Maul)Helden in den Plena der besetzten Häuser dieser Republik ist selbst ein solcher Beamter ein Bullenschwein, aber ich bin ehrlich gesagt schon froh, dass es solche Polizisten gibt – aber das kann man an dieser Stelle nicht ausdiskutieren.

Dass Mannichl für dieses Engagement fast mit dem Leben bezahlen musste, ist schon tragisch genug, doch dass so etwas nun wieder quasi reflexartig von Politikern als Aufhänger für eine politische Debatte benutzt wird, ist der Gipfel der Charakterlosigkeit. Da schaut man betroffen in die Kameras und fordert im gleichen Atemzug mit den Genesungswünschen an den Angegriffenen ein Parteiverbot für die NPD, obwohl man sich die ganze Zeit einen Scheißdreck darum geschert hat. Versteht mich bitte nicht falsch – wir brauchen nicht darüber zu diskutieren, was von der NPD zu halten ist und ob ein solches Sammelbecken für verfassungsfeindliche Politikversager eigentlich verboten gehört. Doch was würde das denn an den eigentlichen Umständen in unserem Lande ändern, die für das Erstarken von Rechtsextremismus verantwortlich sind? Die erneut losgebrochene Diskussion um ein Parteiverbot offenbart doch nur die Hilflosigkeit und Ignoranz der Verantwortlichen. Schließlich muss man ja irgendetwas sagen, irgendeine Art von politischer Reaktion erwartet die Bevölkerung doch von ihren Vertretern. Diese wieder aufgebrachte Diskussion offenbart also nur die Hilflosigkeit der Behörden.

Es gilt immer noch die Frage: „Wer profitiert?“ als kriminalistische Grundregel.
Da kann man ja fast auf die Idee kommen, dass der Beamte von linken NPD Gegnern angegriffen wurde und nicht von Rechtsradikalen. Vielleicht sollte ich einfach in den Wald gehen und einen Jogger anschießen, dann wird vielleicht auch die Jagd endlich verboten – man könnte diesen blind-aktionistischen Politmechanismus wohl durchaus positiv instrumentalisieren, *hüstel.

Wer glaubt denn bitte noch, dass ein Parteiverbot der NPD die Rechtsextremen irgendwie treffen könnte?! Erstens sind die allerwenigsten Rechtsextremisten dort organisiert, und zweitens würden die NPD-Kader schnell neue Schutzräume finden. Da hilft auch ein Verbot etwaiger Nachfolgeorganisationen nicht. So sehr wie die NPD von V-Männern durchsetzt ist, fällt es ohnehin schwer daran zu glauben, dass ein Verbotsverfahren erfolgreich sein könnte. Man hat schon einmal den Fehler gemacht, blind nach vorn zu stürmen und nicht einmal zu schauen, welche verwertbaren Beweise man in der Hand hat. Das Grundgesetz schützt bis zu einem gewissen Grad eben leider auch Furunkel am Arsch der Demokratie – wie die NPD. Wie weit dieser Schutz wirklich geht, wird sich auf absehbare Zeit leider nicht feststellen lassen. Solange dieses V-Mann System auf diese Weise durchgezogen wird, wird das Bundesverfassungsgericht jedem Antragsteller den Verbotsantrag weiter um die Ohren hauen – da liefern NPD-Mitglieder und -Kader halbgare und erfundene Berichte an den Verfassungsschutz und erhalten dafür auch noch ordentliche Vergütungen, es scheint ja fast schon zum guten Ton zu gehören als Mitglied auf einer Kommandoebene einer rechtradikalen Organisation eine V-Mann Vergütung zu beziehen – das ist mittlerweile wohl sogar schon Teil des Finanzkonzeptes solcher Vereinigungen! Sozusagen eine Art versteckte Parteienfinanzierung.

Ich fürchte, meine Schlussfolgerung wird relativ unspektakulär und schon tausendmal gehört sein, aber es ist nun mal so: Eine Organisation wie die NPD zu verbieten mag richtig und wichtig sein, aber es ändert an den Gedanken und Motivationen dieser Leute gar nichts. Der Ansatzpunkt muss viel tiefer in der Gesellschaft liegen, es muss für solche Vereinigungen viel schwerer sein, Nachwuchs zu rekrutieren und Menschen zu begeistern. Die Gründe, nicht die Symptome müssen bekämpft werden – die NPD ist die Eiterbeule, aber nicht der Erreger an sich. Das bedeutet aber eben auch, dass nicht in erster Linie die Politik handeln muss, sondern jeder einzelne von uns etwas beizutragen hat. Klingt so bieder und abgegriffen wie eine Sonntagsrede ich weiß – aber manchmal klingt die Wahrheit eben so.

 

Axel Jusseit Krefeld Germany
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