Kennt noch jemand den Song „Droste hörst Du mich“ von Mark´ Oh!? Fabula est, dass der junge aufstrebende Techno DJ damit seinem verhassten Mathelehrer ein auswischen wollte. Sicher ohne Zweifel ein absoluter Scheiß-Song (zumindest aus heutiger Sicht hält sich die Nachwirkzeit des Werkes in Grenzen), aber die Idee finde ich ganz witzig, einem ehemaligen Lehrer, der scheinbar ein ziemlicher Klappspaten gewesen sein muss auf dem Wege des Musikfernsehens den Mittelfinger zu zeigen.
Auch ein mir musikalisch weitaus sympathischerer Herr namens Angus Young hat schon mehrfach in Interviews durchblicken lassen, dass er nicht gerade ein Liebling der Lehrer war und gleich mehrere Pädagogen bei ihm eine eher finstere Zukunftsprognose abgaben.
Mir soll es diesmal also um die lieben Lehrer gehen. Man macht sich gar nicht wirklich bewusst, wie prägend diese Spezies für das Leben von jungen Menschen sein kann. Die meisten Schüler verbringen mit ihren Lehrern mehr Zeit des Tages, als mit ihren Eltern. Und die meisten Lehrer verbringen umgekehrt mit ihren Schülern auch oft mehr Zeit, als mit ihren eigenen Kindern.
Haben wir nicht alle Erinnerungen an bestimmte Lehrer? Arschlöcher, Versager, Spinner, Respektspersonen, gute Freunde, witzige Unterhalter – eigentlich findet sich alles an menschlichen Charakteren auch im Lehrerzimmer.
Ja genau: Lehrer sind Menschen.
Das ist eine Erkenntnis, die zumindest mir erst einige Zeit später kam. Ich hab doch nicht im Traum daran gedacht, dass der ganze Stress, den man als Schüler machen kann, auf einen Menschen trifft – ein Lehrer ist doch so ein extra gezüchtetes Ding: unzerstörbar und jederzeit angriffsbereit. Erst wo jetzt einige Freunde von mir selber Lehrer sind, oder noch Lehramt studieren, merke ich, dass die Pädagogen-Kaste tatsächlich keine Robotersekte ist. Auf einmal bin ich auf der anderen Seite, ich kenne Lehrer privat!!! Krass….
Okay manchmal hat man sich als Kid auch auf Klassenfahrt schon gewundert, warum auch die Lehrer plötzlich ganz anders waren. Aus dem verbiesterten Pedanten wurde auf einmal ein unterhaltsamer Lagerfeuer-Caruso und aus der distanzierten Englischtante eine offenherzige Landheimmutti.
Ich kann mich noch dran erinnern, wie ich einmal eine meiner Lehrerinnen fragte, warum sie sich für so wenig Kohle im Monat den Stress gibt und sich mit pubertierenden Besserwissern wie mir herumschlägt. Ich fand die Frage total witzig und provokant. Aber sie antwortete mir nur mit einem mild verständnislosen Lächeln: „Ach Maik, du wirst schneller Lehrer, als du dir vorstellen kannst“.
Hm, das ließ sich für mich noch nicht richtig einordnen, aber nun weiß ich, glaube ich, was gemeint war. Man möchte studieren, interessiert sich für Sport oder Naturwissenschaften oder eine Sprache, aber sieht nicht besonders viele berufliche Perspektiven. Dann macht man es eben gleich auf Lehramt, dann hat man zumindest etwas in der Hand und muss seine erworbenen Kenntnisse nicht im normalen Wissenschaftsbetrieb an den Mann bringen. Ist das Lehrerzimmer also eine Art zweiter Arbeitsmarkt für Studienwillige? Naja, das so absolut zu formulieren wäre sicher ungerecht, aber wenn ich dran denke, wie viele Knallos ich an der Uni getroffen habe, die allen ernstes Lehrer werden wollten, dann ist zumindest etwas Angst um das zukünftige Bildungsniveau angebracht. Einige von denen hätten noch nicht mal einen Goldhamster bändigen können. Die Idiotenquote in Lehramtsstudiengängen war fast so hoch wie in Jura oder BWL – nur dass Anwälte oder Buchhalter eben keine Jugendlichen ausbilden.
Ich kann mich an genug Lehrer erinnern, die fachlich über jeden Zweifel erhaben waren, aber eben als Pädagoge völlig ungeeignet schienen. Warum sind die denn nicht an der Uni gescheitert? Wird da nicht nach einer persönlichen Eignung geschaut1?
Ich bin der festen Überzeugung, dass man zwar einige didaktische Kniffe und Grundlagen erwerben und ausbauen kann, aber zum Lehrer muss man grundsätzlich geboren sein. Die Klassenzimmertür geht auf und dann steht da entweder jemand im Raum, der die Meute im Griff hat und klar kommt – oder eben nicht. Da gibt es nichts, was man auf der Uni vermitteln könnte. Klar, die Zeiten des finsteren Frontalunterrichts sind vorbei, aber das steigert meiner Meinung nach die Anforderungen an das natürliche pädagogische Talent nur noch.
Schüler sind wilde Tiere – die haben kein Mitleid oder irgendwelche Gnade, jedes Defizit, sei es auch noch so klein, wird aufgedeckt und bearbeitet. Jede noch so kleine Schramme kann sich so über die Jahre oder Jahrzehnte zu einer riesigen Delle entwickeln, die man auch nicht mehr mit Alkohol oder Antidepressiva zuspachteln kann.
Leute die von einer ruhigen Beamtenlaufbahn träumen und dies mit ihrem fachlichen Interesse verbinden wollen, sind auf jeden Fall falsch in diesem Beruf. Da sind Nervenschäden, Burn-Outs und Selbstmorde vorprogrammiert. Ich sehe jetzt erst, was an diesem Beruf alles dranhängt, wenn ich bedenke, wie meine Freunde im Bekanntenkreis noch nach der Schule bis spät Abends an den Vorbereitungen für den nächsten Tag sitzen. Oder wenn ich mich daran erinnere, wie mein Sportlehrer seine Wochenenden opferte, um uns zu irgendwelchen Wettkämpfen zu fahren. Dann muss da schon Leidenschaft und Liebe für diesen Beruf sein, sonst hält man das nicht aus, sonst wird alles nur noch Frust und Krampf, sowohl für Lehrer als auch Schüler.
Ein nine to five Bürojob ist das sicher nicht. Ich bin mir aber nicht sicher, ob das jedem Lehramtsstudenten so bewusst ist.
Ich bin selbst etwas geschockt von diese erwachsenen Einsichten, die mir hier grad aus dem Hirn purzeln – schließlich waren Lehrer immer so etwas wie ein respektierter Klassenfeind für mich. Scheiße, ich bin zu alt – Einsichten kommen zuerst, dann Altermilde, später Rheuma und dann nur noch Senilität.
Okay okay, soweit bin ich noch lange nicht und mein Hass auf dumme Leute hinterm Lehrertisch wird nie ganz vergehen. Nur werde ich dann wohl eher irgendwann mal auf einem Elternabend dagegen kämpfen und nicht mehr im Unterricht, hehe.
Neben den vielen talent- und leidenschaftslosen Kollegen, machen den durchaus vorhandenen guten Lehrern aber auch noch genug andere Faktoren das Leben schwer. Ich lasse jetzt mal den mittlerweile herrschenden gesellschaftlich faktischen Konsens außen vor, dass Erziehung in der Schule stattfindet und nicht zu Hause – das wäre ein Thema für sich…
Wenn ich nur schon daran denke, was ein Bank-Yuppie oder ein blasser Verwaltungsbeamter an Kohle verdient, dann fragt man sich – wenn die Kinder einer Gesellschaft so wertvoll sein sollen – ob man nicht langsam mal anfangen sollte, die Leute ordentlich zu bezahlen, die wirklich Verantwortung für die Zukunft und die Ausbildung unserer Gesellschaft tragen? Dann würden eventuell auch die Ausschussquoten in den Lehrerseminaren sinken und viel mehr fähige Leute diesen Berufsweg einschlagen.
Stattdessen werden gerade in Ostdeutschland die meisten Lehrer schon gar nicht mehr verbeamtet, sondern müssen mit aufgezwungenen Teilzeitregelungen und halbgaren Angestelltenverhältnissen klar kommen. Hilfsarbeiter, ohne fundierte schulische Ausbildung, die nie wirklich fähige Lehrer hatten, verdienen als Leiharbeiter am Fließband oftmals genauso viel oder gar mehr, als ein studierter Pädagoge. Versteht mich nicht falsch – es sei dem Leiharbeiter gegönnt und er hat es auch verdient, aber braucht man dann überhaupt noch Lehrer zum glücklich sein?
Völlig unerfahrene Referendare werden gezwungen, entgegen jeder gesetzlichen Regelung schon vollen Unterricht zu übernehmen und erhalten dabei oft noch nicht einmal Rückendeckung von ihren ohnehin total überlasteten Mentoren an den Schulen. Was soll auch anderes dabei rauskommen, wenn frustrierte und überlastete Lehrer neue Lehrer ausbilden als noch mehr frustrierte Pädagogen?! Wie kann denn jemand, der gelernt hat seinen Job zu hassen, junge Menschen erfolgreich formen?!
Angesichts dessen könnte man sich durchaus die Frage stellen, wann denn der erste Lehrer mit einem Schüler zusammen Amok läuft!
Darüber hinaus steckt unsere Republik entgegen jeglicher europäischen Entwicklung bildungspolitisch immer noch in einem fast mittelalterlichen System von Kleinstaaterei fest, das mit der gepriesenen Föderalismusreform nur noch schlimmer geworden ist. Man kann ja, im Hinblick auf die Ergebnisse irgendwelcher Pizza-, Pisa- und Pastastudie,n viel besser mit viel Geld an den Symptomen herumlaborieren, als grundsätzlich etwas an den großen Denkfehlern und Systemmängeln zu beheben. Und das in einem Land, in dem so viel Fortschrittliches in pädagogischer Hinsicht erdacht wurde! Lang, lang ist´s her…
Also wenn euch in der Schule, oder später mal beim Elternabend, ein pedantisches Arschloch oder eine frustrierte Ziege als Klassenleiter gegenüberstehen, gibt es zwei Möglichkeiten: entweder die Person war schon so und ist aufgrund der unzureichenden universitären Ausbildung und Kontrolle nicht ausgesiebt worden, oder das arme Schwein ist erst beim Marsch durch die deutsche kulturpolitische Wüste dazu geworden.
Jedem Lehrer, der dennoch seinen Beruf liebt, der ehrlich Interesse an den jungen Menschen hat, der seine Freizeit für seine Passion opfert, und der unter diesen Verhältnissen nicht zum frustrierten Pädagogikzombie verkommen ist, gebührt mein tiefster Respekt. Das ist dann doch schon wieder fast unmenschlich.