Also erst einmal müsst ihr mir versprechen, dass ihr ins Kino geht und euch „Gran Torino“ anschaut! Clint Eastwood ist in Bestform und pulverisiert in Sachen Misanthropie, unkorrekter Witze und angekotzt in die Kamera gucken sämtliche Rekorde, selbst seine eigenen bisherigen Toppergebnisse „Dirty Harry“ und „Heartbreak Ridge“ sind dagegen Blumenpflücken. Das wollte ich mal als erstes loswerden, damit auch diejenigen, die sich mein Gesülze nur die ersten paar Zeilen durchlesen, das auch mitbekommen.
Wer Fußball scheiße findet, braucht auch gar nicht weiter lesen. Wer dagegen wie ich Fußball liebt oder zumindest mal geliebt hat, der wird in diesen Tagen auch auf dem besten Wege sein, das zu verabscheuen, was aus diesem Sport geworden ist, da bin ich mir sicher.
Neulich fahren wir in unserer Auswärtsspiel-Clique mal wieder einige Stunden durch unsere Republik um eine ordentliche Packung zu bekommen, aber egal, so was schluckt man runter. Fußballfans sind ohnehin wie geprügelte Hunde die trotzdem immer treu zu ihrem Herrchen zurück gelaufen kommen. Dass mein Verein die letzten fünf Spiele in Folge verloren hat, ist natürlich zum speien, aber das regt mich nicht so sehr auf, es kommen auch bessere Zeiten. Vielleicht.
Was mich allerdings richtig aufregt ist, dass wir ca. eine Stunde damit verbracht haben einen scheiß Parkplatz am Stadion zu finden, während direkt am Stadion hunderte freier Parkplätze zu sehen waren, diese aber nur für Sponsoren und VIP Fahrzeuge zugänglich gemacht wurden. Nach einem langen Fußmarsch dann noch ewig in der Schlange vorm Einlass stehen, während irgendwelche VIPs durch ihren extra Eingang mit einem Glas Sekt hereinspazieren. So was beobachtet man mittlerweile in allen Stadien hierzulande zwischen Liga eins und vier!
Und was heißt hier überhaupt Stadion?! Wenn ich mir die meisten zweckdienlichen zusammengezimmerten Schuhkartons so ansehe, kommt mir die Stadionwurst vom FDGB Pokal Finale 1989 wieder hoch. Ein Stadion hat für mich vier Flutlichtmasten, ein Marathontor und genügend Stehplätze, basta. Aber das passt ja nicht zum angestrebten Familienimage des sauberen Sports. Mein Vater hat mich damals mit zum Fußball genommen, auch ohne dass er 35 Euro für ne Familien-Loge ausgeben musste.
Die Namen der Stadien kennt auch keine Sau mehr, da die Sponsoren ständig wechseln. Mein Lieblingssport ist zur bloßen Geldmacherei verkommen, Manager wechseln die Vereine wie Angestellte in der freien Wirtschaft und sehen nur noch Zahlen und keine Tradition. Spieler sind Söldner, die zum Saisonende eher an den nächsten Arbeitgeber denken, als ans Toreschießen. Ja, ich sollte mal im hier und heute leben: Sportmarketing, Entertainment, Einschaltquoten und Werbegelder statt Stehplatz, Schreie, Freude und Tränen. Ich sehe wirklich kaum noch Emotionen, diese gecasteten Boygroups da auf dem Rasen schießen ihre Tore doch für die Spielerfrauenbitches in der VIP Loge und nicht mehr für die Stehplatzkurve und das Emblem auf ihrer Brust.
Wenn dieses neue Fußballzeitalter mir aalglatte, haargegelte Neutralkicker wie Kurányi, Klose und Co. beschert, dann setzt mich bitte in die Zeitmaschine! Ich bin jetzt auch noch nicht seit Jahrzehnten im Stadion unterwegs, aber selbst ich kann mich an Typen wie Basler, Augentaler, Effenberg, Uli Stein, Sammer und Toni Schumacher erinnern. Das waren doch richtige Männer, denen ich geglaubt habe, dass sie auf dem Spielfeld brennen und für einen Sieg dem Gegner mit der Eckfahne den Schädel einhauen würden. Solche Spieler würden heute ja auch gar nicht mehr ins Mannschaftsgefüge unserer Bundestrainermuschi passen und der DFB hätte sie sicher eh schon lange in den Knast gesteckt. Natürlich gibt es ein paar solcher Kämpfertypen auch noch heute, aber Leute wie Alexander Voigt, Sascha Rösler oder Torsten Frings sind vom Aussterben bedroht.
Es regiert der glattpolierte Glanz, der Event-Faktor ohne Zwischenfälle oder Reibereien. Neulich wurde hier in Thüringen das Hassderby zwischen Erfurt und Jena wegen ein paar Rauchbomben unterbrochen, darüber hätte sich noch vor fünf Jahren kein Schwein aufgeregt, heutzutage zahlt aber ein Verein wahrscheinlich schon für eine etwas zu doll rußende Zigarette im Fanblock 10.000 Euro Strafe. Wie bezeichnend ist es denn, dass Fangruppen in bestimmten Vereinen die Absetzung von Managern fordern müssen um etwas zu verändern!? Da sieht man, wer nun wirklich die Zügel in der Hand hat und welche Rolle der reine Sport noch spielt.
Wenn ich eine Mannschaft wie Dynamo Dresden zum Auswärtsspiel nach Sandhausen schicke, dann ist doch klar, dass da Welten aufeinander prallen und Probleme vorprogrammiert sind. Bei einem Spiel Lübeck gegen Kiel weiß nach Jahrzehnten jeder, was ihn erwartet. Wenn aber Eintracht Braunschweig mit seinem Mob in Paderborn einreitet, dann ist zu erwarten, dass in Ostwestfalen die ländliche Idylle wackelt. Und wir sind da in Deutschland noch ganz gut dran. Wenn man sieht, wie Fankultur in England systematisch vernichtet wurde und in legendären Arenen im Mutterland des Fußballs nur noch Stille und Geschäftsterminstimmung herrscht, dann ist das einfach nur zum heulen.
Und was noch schlimmer ist: Ich als Fan, Konsument und Fernsehzuschauer trage ja tagtäglich selber zu diesem Niedergang bei! Ich kann aber eigentlich gar nichts dagegen tun. Soll ich etwa meinem geliebten Verein den Rücken kehren und nur noch in der Bezirksliga Fußball gucken?! Tut es euch nicht auch weh, wenn ihr Traditionsvereine wie den Europapokalsieger 1. FC Magdeburg in der vierten Liga, den legendären 1. FC Lok Leipzig gar in der fünften Liga kicken seht oder ein Fan von Preußen Münster oder Rot Weiß Essen nach Kleve zum Auswärtsspiel muss, während mannschaftsgewordene Sponsonrenhobbies wie Ingolstadt, Wehen, Ahlen etc. die zweite Liga zum Gähnen langweilig machen?! Von Hoffenheim will ich gar nicht erst anfangen, obwohl ich sagen muss, dass die Art und Weise wie Hoffenheim die Bundesliga-Dinosaurier aufgescheucht hat auch etwas Erfrischendes hatte. An der Misere der großen Traditionsvereine sind sicher nicht nur betriebswirtschaftliche Unzulänglichkeiten schuld, viele Vereine sind auch einfach dem DFB System zum Opfer gefallen.
Versteht mich nicht falsch, ich will hier keine Gewalt im Fußball glorifizieren oder Ausschreitungen gut heißen, aber ich geh Samstags verdammt nochmal zum Fußball und nicht ins Theater! Ich will keinen langweiligen Fast Food Freizeitpark mit überdachtem Logensitz, ich will Kampf, Pyros und Stimmung – klingt fast so als sollte ich zum Eishockey gehen…
Früher war alles besser?! Ja, beim Fußball war es das!