Sommerzeit ist Festivalzeit. Es ist aber auch die Zeit, in der die Montage noch etwas beschissener sind als sonst. Man schlurft ins Büro, die Uni, die Schule, in den Betrieb oder auf die Baustelle und fühlt sich wie der lebende Beweis für ein Leben nach dem Tod. Festivals schlauchen. Ich habe keine Ahnung, ob das schon immer so war, oder ob ich wirklich langsam zu alt bin. Jedenfalls denke ich jetzt erst so richtig darüber nach.
Am allerschlimmsten ist der unausweichliche Festival-Sonntag. Hier sind sämtliche Höhepunkte erreicht: wahlweise maximaler Sonnenbrand und Staublunge mit anschließender Halsentzündung, oder heftige Erkältung mit regendurchweichten Klamotten. Hier hat man spätestens am Sonntag endgültig das Gefühl, dass alles, was am Donnerstag noch Sauerstoff war, jetzt Schlamm ist. Waren das die Hippie-Zeltnachbarn mit ihren beschissenen Regentänzen?! Naja, Zeltnachbarn bei Festivals sind sowieso eine eigene Kolumne wert…
Wart ihr schon mal nur an einem Sonntag auf einem Festival, seid weil ihr eine bestimmte Band sehen wolltet oder aus Zeitmangel lediglich mit einer Tageskarte frisch geduscht und ausgeschlafen an einem Sonntag auf einem Festival aufgeschlagen? Wenn man die ganze Abwärtsspirale dort nicht vom Mittwoch oder Donnerstag an mitgemacht hat, wähnt man sich wirklich auf dem Wüstenplaneten. Irgendwie erschütternd, faszinierend und lustig-skurril zugleich.
Wer hat sich an einem Festival-Sonntag noch nicht die Frage gestellt, „warum tue ich mir das eigentlich an?!“ Und dann auch noch die Gewissheit, dass es am Montag wieder losgeht mit der Maloche, was auch nicht unbedingt stimmungsfördernd ist. Es gibt so viele geile Bands auf dem Festival, auf die man sich die ganzen Wochen und Monate vorher gefreut hat und jetzt spielen die am Sonntag! Entweder hat man selbst gar keinen Bock mehr drauf, oder irgendjemand aus der Kumpel-Crew will schon vorher die Zelte abbauen und dann vielleicht von Band XY noch ein/zwei Songs gucken, dann gleich abhauen, weil er/sie noch dies und das zu tun hat und Stau und überhaupt.
Das Festival Gelände sieht schon aus wie eine MAD MAX Kulisse, man hat vielleicht sogar geschafft, noch nicht auf so ein leckeres Dixi-Klo zu gehen, aber jetzt, wo die Plastikschüsseln den maximalen Versifftheitsgrad erreicht haben, muss man der Natur doch klein oder besser groß beigeben. Herzlichen Glückwunsch.
Der latente Geruch von Pisse begleitet einen den ganzen kilometerlangen Weg vom Zeltplatz zur Bühne und das erste positive Gefühl des Tages steigt in einem auf: man ist froh, nicht den Anfängerfehler gemacht zu haben, sein Zelt zu nah am Zaun aufzustellen. Vor den Essensständen sieht es aus, als hätte einer eine Biokompostanlage samt angrenzendem Kuhstall und Gülletank in die Luft gesprengt, während man geschüttelt von leichtem Hungerekel an die Mittagsbüchse Ravioli Nummer vier für diesen Festivaltrip denkt.
Aber auch für Bands ist der Sonntag kein Zuckerschlecken. Man steigt gut gelaunt aus dem Bus und begegnet Festival-Mitarbeitern, die zwar noch tapfer ihr Bestes geben und einen guten Job machen, aber denen man trotzdem deutlich anmerkt, dass marodierende skandinavische Alkoholikerbanden, südamerikanische Fäkalhumoristen und zentraleuropäische Möchtegern-Rockstars in den vorigen Tagen extrem an den Nerven genagt haben.
Auch wenn man auf der Bühne steht merkt man, dass die Leute einfach fertig sind. Die Fans geben ihr Bestes, aber es tut ihnen weh, und jeder liegt schon mit den Gedanken in der heißen Badewanne. Es ist wirklich so, dass fast jede Band sich ärgert auf einem coolen Festival an einem Sonntag spielen zu müssen, die Akkus sind dann einfach leer. Da beißt die Maus keinen Faden ab!
Was will ich damit sagen? Wieder mal keine Ahnung. Wahrscheinlich mag ich Zweitages-Festivals einfach lieber. Vielleicht sollten alle Festivals so konzipiert sein, dass der Samstag der letzte Tag ist, das ist irgendwie entspannter. Einen Festivalsonntag gibt es dann nur noch vorm Pfingstmontag!