Maik Weicherts Kolumne: Computer-Metal

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Heaven Shall Burn Maik Weichert
Heaven Shall Burn 19.03.2010 Session
Weimar – , Germany

Vor zwei Wochen war es soweit: ich musste meinen alten treuen Begleiter ausräumen und einem gierig grinsenden Gebrauchtwagenhändler übergeben. Ich glaube selbst der Dieter, der Thomas, der Heck hätte Mitleid mit mir gehabt. Aber was will man machen?

Zwei Autos kann und will ich mir nicht leisten und es war schon lange Zeit für einen Neuen. Das neue schicke Gefährt kann allerdings den Abschiedsschmerz nur etwas übertünchen, immerhin hat mich mein treuer Begleiter 265.000 Km lang zuverlässig transportiert – ich kam mir vor wie Lucky Luke der Jolly Jumper zum Abdecker bringen soll.

Am schwersten war natürlich das Ausräumen, meine Güte was lagen da für Schätze drin, die sich im Laufe der Jahre im Chaos selbst vergraben hatten – mein Vater sagte immer, der einzige Weg die Karre aufzuräumen sei, das Dach abzusägen und das ganze einfach auszukippen…

Aber ich wollte gar nicht so sehr über den automobilen Trennungsschmerz philosophieren, sondern viel mehr über die vielen geilen CDs und Tapes, die ich beim Aufräumen gefunden habe. Kennt jemand von euch noch MEGATRENDS IN BRUTALITY vom Comecon? Damals noch mit L.G. Petrov am Gesang und locker in den Top 10 für den schlechtesten Drumcomputer aller Zeiten. Oder noch so ein Skandinavisches Projekt: Overflash – THRESHOLD TO REALITY. Auch ne Platte mit fürchterlichem Drumcomputer, aber auch geil irgendwie.

Naja, jedenfalls schieb ich die alten Tonkonserven rein und bin völlig überrascht, dass das gar nicht mehr so grausam nach Drumcomputer klingt! Ich weiß noch genau, wie komisch ich damals den Sound fand, aber jetzt klingt es fast „normal“. Absolut krass, wie sich in den letzten zehn Jahren mein Gehör für so was verändert hat. Man hört heute kaum noch ein Schlagzeug wie es wirklich im Proberaum klingt, alles ist getriggert und mit Computersounds belegt – wenn man damals noch einen Drumcomputer nach drei Sekunden sofort erkannte, dann stört einen das heute gar nicht mehr wirklich. Ganz im Gegenteil, hört euch z.B. mal die alte Tiamat Platte CLOUDS an (hab ich unterm Beifahrersitz gefunden). Da hört man einen fast natürlichen Drumsound wie er damals modern war – aber mit heutigen Hörgewohnheiten klingt das total schrottig. Wirklich enorm, wie die moderne Studiotechnik unser Gehör verändert hat. Ich dachte immer, im Metal sei alles traditionell und da verändert sich nicht viel, aber so ein A/B Vergleich zeigt das Gegenteil.

Aber es ist ja wirklich so: Heute wird im Studio nur noch nachbearbeitet. Die Gitarrenspuren nimmt man gleich noch als Clean-Spur auf, damit der Mixer/Produzent sie noch mal durch einen anderen Verstärker oder Computer jagen kann, Vocals werden mit allerlei Effekten nachbearbeitet und die Wörter manchmal sogar einzeln eingesungen, viele Bands programmieren die Bassdrum ganz und gar und legen beim Einspielen die Beine hoch oder das Drumming wird gleich ganz programmiert, das merkt heute keiner mehr. Und wenn mal jemand wirklich was spielt, dann wird alles mit nem BeatDetective aufs Klickraster gezogen damit es schön gerade klingt.

Missversteht mich nicht – ich hab nichts dagegen, meine eigene Band z.B. wäre wahrscheinlich ohne diese ganzen Hilfsmittel auch gar nicht in der Lage, Platten zu veröffentlichen. Aber krass finde ich das trotzdem immer wieder, wenn ich im Studio bin. Wenn ich schlecht geschlafen habe oder meine Finger mal nicht so wollen, dann kann ich die Gitarren-Riffs in drei Sekundenstückchen zusammenbasteln lassen, kein Problem. Würde man heute eine Platte ganz traditionell einspielen, die Leute würden den Sound einfach scheiße finden und wüssten nicht mal warum. Wahrscheinlich ist das genauso, als ob man einmal Chemo-Chips mit Gechmacksverstärker gegessen hat: da schmecken dann die laschen Bioknabbereien auch nicht mehr wirklich.

Natürlich funktioniert ein halbwegs analoger Sound noch bei manchen Bands, aber das sind dann eher die Ausnahmen die die Regel bestätigen.

Das Positive an diesem ganzen Krams ist aber auch, dass man mit wirklich wenig Geld echt gute Sound-Ergebnisse erzielen kann und man einer Band heute zum Glück nicht mehr am Demo-Sound anhört, ob sie die dicke Kohle hat oder nicht. Einen Snare Sound für den Metallica damals um die halbe Welt geflogen sind bekommt man heute in einer Internet- Tauschbörse für lau.

Natürlich verringern sich mit einem solch inflationären Auftreten von fetten Gitarrenwänden und Monsterdrums auch die akustischen Heldentaten, die aus der Masse herausstechen – alles klingt irgendwie gleich glatt und ist Standard fett. Im Handschuhfach hab ich die LOVE AT FIRST STING von den Scorpions gefunden, alles noch auf Band aufgenommen, jedes Solo sitzt perfekt, jeder Schlag hat Gefühl und die Stimme ist genau wie sie sein muss. Was bei so einer Platte noch an handwerklichem Talent und Zeit drin steckt ist heute fast gar nicht mehr machbar – die meisten Bands heute wären gar nicht in der Lage so was analog zu produzieren. Da gibt’s kein „schneid mich mal da rein“, oder „rück´ mal den Ton gerade“ oder „kopier den Refrain halt dahin“. In der Zeit, in der heute eine Band drei Songs mit dem Notebook aufnimmt und inklusive drei T-Shirt Designs alles auf eine Myspaceseite hochgeladen hat, haben die alten Helden gerade mal das Mikro vor der Gitarrenbox richtig positioniert.

Nein, das soll kein „früher war alles besser“ Gesülze sein. Wie gesagt: ohne die neue Technik wäre ich wahrscheinlich gar nicht in einer Band unterwegs! Mir ist nur wichtig, dass ihr euch bewusst seid, wenn ihr mal eine olle Kamelle im Radio hört oder eine alte Platte findet, mit wie viel Zeit, Geduld, Liebe, Leidenschaft und Talent diese Sachen aufgenommen wurden, damit sie genauso klingen wie sie klingen. Hört mal auf die dynamischen Unterschiede und die Tiefe die solche Songs haben, eben weil sie nicht bis unter die Dachlatte fett und laut aufgeblasen und hochgemastert sind – dann begreift man sehr schnell warum z.B. Platten wie NUMBER OF TEH BEAST, APPETITE FOR DESTRUCTION oder MASTER OF PUPPETS heute von keiner Myspace-Band geschrieben werden, ja sogar von ihren eigenen Erschaffern schwerlich erreicht werden. Studioarbeit ist heute Rechen- und Fleißarbeit und kein künstlerisches Handwerk mehr. Dadurch wird Vieles einfacher, aber es bleibt eben auch etwas auf der Strecke. Der Bodensatz und der Durchschnitt werden sicher besser, aber der Topklasse fehlt dadurch immer öfter die entscheidende Magie.

Axel Jusseit Krefeld Germany
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Kreator-Mastermind Mille Petrozza schiebt die Schuld an der harten Zeit für den Metal in den Neunzigern nicht dem Grunge zu. Dies erörterte der Thrash-Metaller in einem neuen Interview mit Kahler Guitar And Bass Bridges. Konkret ging es darum, wie er und seine Band-Kollegen die Neunziger Jahre überlebt haben. Die richtigen Leute Darauf entgegnete Mille Petrozza: "Zu der Zeit hatten wir alle Angst. Es war nicht so, dass ich dachte, es sei vorbei. Doch ich erinnere mich daran, wie ich in den Neunzigern versucht habe, eine meiner Jackson-Gitarren zu verkaufen. Niemand wollte sie kaufen. Jeder wollte eine Les Paul oder Fender --…
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