Das komplette Interview mit Mille Petrozza (Kreator) und Silenoz (Dimmu Borgir) findet ihr in unserer aktuellen METAL HAMMER-Dezemberausgabe.
Als eines der fettesten Live-Pakete des noch verbleibenden Jahres mischen Kreator und Dimmu Borgir ab dem 1.12. unter dem Titel „The European Apocalypse“ die Hallen hierzulande auf. Wir trafen uns vor dem Sturm mit Mille Petrozza und Silenoz zu einem Gespräch über alte Zeiten, aktuelle Anforderungen und philosophische Hintergründe.
METAL HAMMER: Wagen wir mal einen Vergleich: Nach 25 respektive 35 Jahren – wie hat sich in euren Augen die Stellung von Metal in der Gesellschaft verändert? Gelten wir noch als „gefährliche Außenseiter“?
(Schweigen)
Mille: Puh, eine gute Frage. Was macht einen denn in der heutigen Gesellschaft zum Außenseiter?! Ich habe mich immer fehl am Platz gefühlt, doch das lag nicht daran, dass ich gegen die Gesellschaft sein wollte. Ich fühlte mich eher, als gäbe es nur wenige Menschen, die verstehen, was ich da mache und zu sagen versuche. Wenn man ein Teil der Gesellschaft ist, gibt es viele Menschen, die einem sagen, dass man dieses und jenes nicht tun kann – es ging noch nicht einmal darum, Rebell oder so etwas zu sein, sondern einfach nur, Musik zu machen. Als ich damit anfing, haben viele Freunde gemeint: Das wird doch nichts, was willst du denn wirklich machen, was soll dein echter Job sein? Gesellschaft ist ein großes Wort dafür…
„Die meisten haben keine Ahnung, welche Opfer man dafür bringt.“
Silenoz: Da hast du einen guten Punkt erwischt: Wir hatten das vorher schon – viele Menschen, die nicht in Bands spielen und keine Künstler sind, stellen sich das alles sehr leicht vor. Man spielt, geht auf Tour, reist, blabla. Doch die meisten haben keine Ahnung, was dahintersteckt, welche Opfer man dafür bringt.
M: Da sind das Handwerk, die Kunst und die Arbeit – diese drei Dinge! Die Arbeit ist das viele Reisen – drei Tage Anreise, um anderthalb Stunden irgendwo zu spielen. Das Handwerk sind die nötigen technischen Fähigkeiten, das ganze Potenzial, die Organisation. Die Kunst ist die Vision dahinter.
S: Diese drei Dinge gehen Hand in Hand. Das Sahnehäubchen ist das Spielen vor Publikum, den eigenen Fans. Nichts kann damit mithalten – zumindest für mich: Dieses Gefühl ist unschlagbar!
M: Das geht mir genauso – es geht um den Moment! Doch die Frage drehte sich ja eigentlich um die Stellung des Metal. Ich meine, Metal hat sich weiterentwickelt, die Szene hat sich verändert. Erinnere dich mal daran, in welchen kleinen Hütten wir damals gespielt haben, obwohl es damals mit Krisiun und Richthofen schon eine große Tour war! Ein fettes Paket vor 800 oder auch mal tausend Leuten. Die Läden waren voll und manchmal ausverkauft, doch immer noch kleine Clubs. Nun spielen wir zum Teil vor 7.000 Leuten!
S: Wenn ich heute darüber nachdenke, wie groß mir Maiden damals erschienen… Sie sind jetzt natürlich noch viel größer! Für die ganze Metal-Gemeinschaft ging es nach oben, viele Bands sind über die Jahren hinweg stark gewachsen.
M: Die Szene ist wesentlich organisierter. Einige Leute sagen, die Bands verkaufen sich, doch vielleicht verkauft sich der Metal selbst.
S: Irgendwie hängen wir ja alle voneinander ab: Natürlich würden wir als Band genau dasselbe tun wie im Moment, wenn wir nicht so viele Fans hätten. Doch sie motivieren uns selbstverständlich!
M: In künstlerischer Hinsicht geht es ja nur darum. Ich will nicht pathetisch klingen – doch wenn man spürt, dass man zum Künstler berufen ist, sollte man genau das tun. Selbst wenn man daheim Kassetten aufnimmt und nur vor seinen Freunden spielt, man sollte es tun! Wenn man rausgeht und sich als Teil dieser Gemeinschaft zeigt, umso besser – ich halte die Metal-Szene für eine großartige Gemeinschaft! Innerhalb dieses Genres gibt es so viele verschiedene Untersparten – ich bin kein Fan jeder einzelnen Richtung, doch ich denke, dass das Genre etwas Gemeinschaftliches an sich hat, um nicht familiär zu sagen.
S: Ja, das empfinde ich auch so. Egal, ob man jung oder alt – jung im Herzen – ist. Man trifft überall Leute aus Bands, mit denen man gespielt hat, die man seit zwanzig oder 30 Jahren kennt.
M: Das ist das Schöne daran! Ich hätte niemals damit gerechnet, mit Iron Maiden zu spielen – nun gehen wir in Südamerika mit Judas Priest auf Tour. Zwar nur drei Konzerte, aber immerhin! Mein 14-jähriges Selbst hätte nur gesagt: „No fucking way!“ Das ist so wunderbar – man ist ein Teil dieses Ganzen, das größer ist als das Leben selbst! Mit 14 habe ich Iron Maiden, Judas Priest und Def Leppard in der Dortmunder Westfalenhalle gesehen – erst live, eine Woche später im Fernsehen. Das war un-fass-bar gut! Nun bin ich ein Teil davon! Manchmal kann ich das immer noch nicht so recht glauben.
S: In den Achtzigern hatte ich noch keine Instrumente, sondern habe mit der Fliegenklatsche vor dem Fernseher gestanden und darauf gespielt… Wenn ich daran zurückdenke, wirkt es, als hätte ich die ganze Sache damals schon gespürt und dann mein Leben lang daran festgehalten…
M: Wenn wir heute auf der Bühne stehen, sind wir doch eigentlich immer noch die Jungs, die damals vor dem Fernseher standen. Nun haben wir echte Gitarren, spielen unsere eigenen Songs und alles ist etwas realer – doch im Kopf ist es kaum ein Unterschied. Nur, dass man ein paar Leute vor sich hat, und nicht nur den Spiegel.
S: Vielleicht sind diese Leute der Spiegel deiner selbst.
M: Jetzt wird es philosophisch!
„Die Metallica-Nummer mit Orchester hat nicht gepasst.“ (Mille + Silenoz)
MH: GODS OF VIOLENCE zieren symphonische Spuren, an denen Fleshgod Apocalypse beteiligt waren. Silenoz, würdest du Kreator die Zusammenarbeit mit einem echten Orchester empfehlen – und, Mille, wäre das überhaupt denkbar?
S: Natürlich würde ich das empfehlen, wenn das Setting stimmt! Sie haben bewiesen, dass sie das gut in ihre Musik einpassen können.
M: Ihr schreibt eure Musik dahingehend, dass Orchester-Arrangements hineinpassen. Das läuft bei uns ganz anders. Bei uns bestünde die Gefahr, dass es dann so klingt wie damals, als Metallica diese Orchesternummer gemacht haben. Ich bin großer Fan von Metallica, versteht mich nicht falsch, doch in meinen Augen hat das nicht gepasst. Dabei hatten sie beste Voraussetzungen…
S: Michael Kamen! Nichts konnte schiefgehen. Ich meine aber auch, dass es nicht passte. Doch ich spreche ihnen meinen Respekt dafür aus, dass sie es versucht und umgesetzt haben.
M: Absolut. Doch auch aus diesem Grund haben wir nie weiter darüber nachgedacht. Unsere Musik beinhaltet so viele Gitarren und Riffs – wir haben gar keinen Raum für ein Orchester! Diese Balance könnt ihr wirklich gut: Wenn die Riffs kommen, schweigt das Orchester…
S: Wir versuchen, die symphonischen Stellen vorher auszumachen, und halten dort die Gitarren im Hintergrund – und andersherum. Wir haben beim Komponieren die orchestralen Klänge schon im Hinterkopf. Wenn das Material gitarrenorientierter klingt, halten wir das Orchestrale im Hintergrund.
Das komplette Interview mit Mille Petrozza (Kreator) und Silenoz (Dimmu Borgir) findet ihr in unserer aktuellen METAL HAMMER-Dezemberausgabe.