Jeff Hanneman: Ich bin kein Faschist

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Jeff Hanneman spricht. Das mysteriöseste aller Slayer-Mitglieder nimmt Stellung zu seiner Vergangenheit, seiner politischen Einstellung und seiner Macke, dem Sammeln von Nazi- Orden und Bierkrügen.

>>> blättert als Abonnent durch das Original-Layout in METAL HAMMER 12/2001

Scherben pflastern ihren Weg, die Straße zur Berliner Arena ist übersät von zerborstenen Flaschen und weggeworfenen Dosen. Schon bevor eine Band der „Tattoo The Planet 2001“-Tour auch nur einen einzigen Ton gespielt hat. haben sich tausende Fans eingefunden. Die immer wieder erschallenden „Slayer, Slayer-Rufe sind eine unüberhörbare Warnungan sämtliche Support-Bands. Vor den Dresch-Dämonen zu spielen, zählt zu den härtesten Jobs im gesamten Rock-Geschäft.

Auf dem Weg in die geräumige Halle, ein ehemaliges Busdepot, passieren die gespannten Fans einen unscheinbaren, silbergrauen Tourbus. Kaum einer ahnt, dass in genau diesem Bus die Herren Araya und Hanneman sitzen und in entspannter Atmosphäre ein Interview geben. Die Nachricht, dass ihr neues Album GOD HATES US ALL auf Platz neun der deutschen Charts eingestiegen ist. quittieren beide mit ungläubigem Staunen. „Ein Riesendank an unsere Fans“, lässt Tom Araya (40) über den HAMMER ausrichten, und auch Jeff Hanneman (37) lacht begeistert. Haben sie jemals drüber nachgedacht, kommerziellere Musik zu machen? „Nicht wirklich“, meint der blonde Gitarrist, „wir mögen die Musik, die wir spielen. Sie zu opfern, um mehr Platten zu verkaufen, käme uns nicht in den Sinn. Wir sind nicht reich, aber verdienen genug Kohle, um zu leben.‘ Ein Slayer-Album verkauft in den USA durchschnittlich eine halbe Million Kopien, damit seien sie zufrieden.

Weniger zufrieden sind die Thrash-Titanen mit ihrer Plattenfirma, American Recordings. Vor jeder Veröffentlichung – so auch vor GOD HATES US ALL – wechselte diese den Vertrieb. .Das ist der Fehler von Rick Rubin, er ist der Boss der Company. Die Firma hatte die ganze Zeit rumgenervt, wir sollten uns beeilen. Am Ende hatten wir die Scheibe rechtzeitig im Kasten, das Cover fertig und in allerletzter Minute fiel uns auch noch der Titel ein. Dann hieß es auf einmal, wir wechseln den Vertrieb“, schildert Tom den Stress. immer noch verärgert. Die Band habe jedoch aus dem Frust eine Tugend gemacht und das Album noch einmal abgemischt, wie Hanneman verrät.“.Am Ende war es eine gute Sache, mehr Zeit zu haben. Mit etwas Abstand stellten wir fest dass noch einiges zu verbessern war.“

Dann begannen die Probleme mit dem Cover. Wie sollte es ursprünglich aussehen? „Das können wir dir nicht sagen, sonst müssten wir dich umbringen“, meint Araya diabolisch und schüttelt sich vor Lachen. Der Herr hatte schon immer einen etwas anderen Humor. Das Original sähe aus wie eine Bibel, berichten die beiden. „Wir haben sie verunstaltet und Slayer drauf geschrieben.“ In Deutschland zumindest ist das Booklet Teil der CD. darüber hat die Vertriebs firma freilich einen weißen Karton mit vier goldenen Kreuzen geschoben. Chefredakteur „Zacke“ Zahn sah eine gewisse Ähnlichkeit mit einem Hakenkreuz, be richte ich den Metallmannen, die lachend abwinken: „Damit haben wir nichts zu tun.es war ihr Vorschlag, aber wir waren einverstanden damit.“

Von dereinst so bärenstarken Aufstellungder „Tattoo The Planet“-Tour sind nur noch Slayer. Bioha zard und Cradle Of Filth übriggeblieben. Was ist mit den anderen Combos, fragen sich viele. .Einer derTy pen von Vision Of Disordcr hatte wohl einen Ver wandten im World Trade Center, als es zerbombt wurde. Das ist einer der Gründe, aus denen sie absag ten“. berichtet Araya. „Pantera waren bereits in Irland, als sie sich entschlossen, wieder nach Hause zu fliegen.“ Lag es an den Drogenproblemen von Pantera-Frommann Phil Anselmo? Selbst Trommler Vinnie Paul beschwerte sich in der Presse überden nimmersatten Schreihals. .Ich kann dir eines sagen: Als wir mit ihnen durch die Staaten tourten. haben sie sich gut verstanden. Phil war in großartiger Form“, entgegnet Tom. StaticX wiederum hätten ein Problem mit ihrem Trommler gehabt, der es vorzog, zu Hause zu bleiben.

Auch die Metal Institution häUt so ihre Zweifel, ob es geraten wäre, über den groisen leien zu (liegen. .Wir haben miteinander telefoniert und am Ende entschieden, dass wir Fuck Yeah – kommen“, meint Jeff. Araya hatte am meisten Zweifel: .Was mich am Ende überzeugte, war die Tatsache, dass viele Fans schon Karten gekauft hatten. Unsere Familien sagten alle: Geht nicht!‘ Ich wollte ei gentlich bis zuletzt nicht fahren, aber ich fühlte Verant wortung für die Kids-Kommen wir zum Image von Slayer und damit zur Politik. Die vier“.Trommelfellzerstörer“ haben aus ihrer rechten Gesinnung nie einen Hehl gemacht. So änderten sie zum Beispiel Minor Threats Punk Hymne ‚Guilty Of Being White‘ zu Guilty Of Being Right‘. Kerry Kinggab an anderer Stelle zu Protokoll, er hasse es, Steuern zu zahlen:.Nur weil ich über die Jahre gelernt habe. Geld zu ver dienen, heilst das noch nicht, dass ich das mit dir teilen soll. Motherfucker“. schäumte er. Hanneman sagt offen, er verabscheue die demokratische Partei in den USA. weil sie angeblich die Freiheiten der Amerikaner einschränken wolle. Als einziger in der Band ist er zu den letzten Wahlen gegangen und hat – wen wohl? George W. Bush gewählt. .Das habe ich allerdings in erster Linie getan, weil ich AI Gore nicht haben wollte. Gores Frau und sein Vize Joe Lieberman hatten angekündigt. Rock-Bands zu zensieren. Sie hassen uns und wollten eine neue Form von Zensur für Platten einführen. Außerdem hätten Eltern von Kindern das Recht bekommen. Plattenfirmen für Texte zur Rechenschaft zu ziehen. Das halte ich für falsch.“

Von allen Slayer-Mitgliedern ist Jeff Hanneman sicher das rätselhafteste. Lange Jahre zog er es vor. keine Interviews zu geben und die extrovertierteren Kollegen Araya und King sprechen zu lassen. .Mein Großvater kam nach Amerika als er fünf war. Seine Familie stammte aus Pommern, das heute Polen ist. Die Familie meiner Mutter kommt aus Schwerin. Sie hat meinen Vater in Wisconsin getroffen. Viele Verwandte von mir sind noch in Wisconsin, sie sprechen immer noch deutsch. Die meisten leben von der Landwirtschaft. Ich habe sie 15 Jahre nicht mehr gesehen, nachdem ich zu Slayer ging, verlor ich den Kontakt.“

Sein Vater machte ihn mit der Welt der Nazis bekannt. Hanneman senior kämpfte im zweiten Weltkrieg, freilich aul deramerikanischen Seite..Er sammelte Souvenirs und gab mir einen Nazi-Orden als ich klein war. Später leerte er dann seinen Schrank und schenkte mir Armbänder, Medaillen und so weiter. Anfangs hatte ich wenig Ahnung vom Krieg, obwohl mein Vater und zwei meiner Brüder, die im Vietnam-Krieg gekämpft hatten. Zuhause immer über Gefechte redeten. Ich mochte die handwerklichen Fähigkeiten der Macher von Orden. Flaggen und Uniformen. Dann fing ich an. Bücher zu lesen.“ An dieser Stelle unterbricht Araya und beschreibt, dass Jeff bei jeder Deutschland-Tour Vorträge hielt, welche Schlachten und Verbrechen an den Orten passiert waren, an denen sie gerade vorbei fuhren. .Ich beschäftigte mich mit dem zweiten Weltkrieg. Heute sammle ich nicht mehr so viel Nazi Zeug, in den späten Achtzigern war das noch anders. Heute kaufe ich hauptsächlich Bierkrüge.“ Er stimmt offensichtlich mit Lemmy überein, der einmal sagte: „Die bösen Typen haben das beste Design.“ Hanneman nickt, „die Nazis sahen einfach cooler ausgesehen.“ Als Deutscher, der die Täter von damals nur mit Abscheu betrachtet, frage ich mich, was ist so faszinierend am Nazitum? „Wir schreiben nun mal über das Böse, seien es Serienmörder oder üble Typen im Krieg – und das waren die Nazis ohne Zweifel. Mein Interesse dafür hat also mit Slayer zu tun. Lemmy hat mir auch mal erzählt, dass Hitlerdererste Rockstar war“, lacht Jeff lauthals.

Immer wieder wurde Hanneman für seinen Song Angel OfDeath angegriffen, den er über den Arzt Joseph Mengele schrieb, der im Konzentrationslager Auschwitz entschied, wer ins Gas zu gehen und wer zu arbeiten hatte. „Ich las zwei Bücher über Mengele. die mich beeinflussten. Wir schreiben die Musik zuerst, so hatte ich die se Melodie und keinen Text“, entsinnt er sich. „Die jüdischen Frauen haben ihn wirklich so genannt, weil er gute Manieren hatte, gut aussah und höflich war. Freilich war er ein Psycho. deshalb tauften sie ihn Todesengel.“ Mit Faschismus habe er jedoch nichts zu tun, bekräftigt Jeff immer wieder: „Ich bin kein Faschist, sondern ich glaube an die Demokratie.“

Slayer ist eine Band, die ich nach all den Jahren immer noch sehr differenziert betrachte. Zweifellos ist das Energie Level ihrer Hochleistungsmucke unerreicht. Dagegen scheinen sie kompositorisch ihren Zenit mit REIGN IN BLOOD (1986) erreicht zu haben, einen besseren Song als ‚Angel Of Death‘ werden sie nicht mehr schreiben können. Und weltanschaulich habe ich auch nach diesem erstaunlich offenen Gespräch immer noch ein zwiespältiges, ja ungutes Gefühl bei dieser Band, der beinah jedes Mittel recht scheint, uns Rock Fans zu schocken.

Weitere historische Interviews findet ihr in DAS ARCHIV – Rewind!

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