Vor wenigen Tagen kündigten Iron Maiden die Veröffentlichung ihres 17. Studioalbums SENJUTSU an. Erscheinen soll dieses bereits am 3. September. Für die meisten mindestens genauso interessant ist die Enthüllung des neuen Eddie. Wie das Musikvideo zur ersten Single-Auskopplung ‘The Writing On The Wall’ eindrücklich demonstriert, präsentiert sich dieser in der blutverschmierten Rüstung eines Samurai. Im vorindustriellen Japan sorgten Samurai für die Sicherheit des Kaisers. Sie selbst gehörten einer Elite an, die außerordentliches Kampftraining genoss und in der Gesellschaft hoch angesehen war. Später bildeten die Samurai sogar die herrschende Militärklasse Japans.
Weshalb es heute keine Samurai mehr gibt und inwiefern die uralte Tradition im Metal weiterlebt, wird im Folgenden beleuchtet.
Gyze: Japanische Folklore
Erst im vergangenen Januar veröffentlichten Gyze aus Japan ihre Single ‘Samurai Metal’. Von Online-Magazinen beschrieben wurde dieses Ereignis etwa mit folgenden Worten: „Samurai metal is now a thing and it’s absolutely wild in the best way!“ Oder: „Japanese samurai metal has arrived and it’s glorious!“ Ob es sich bei Samurai Metal wie angedeutet um ein eigenständiges Genre handelt oder nicht, ist durchaus diskutabel. Was die besondere Musik von Gyze und – wie sich im Verlauf der vorliegenden Recherchen herausstellte – vieler weiterer Bands jedoch einzigartig macht, ist die Kombination traditioneller japanischer Elemente mit verschiedenen Metal-Subgenres. Im Wesentlichen handelt es sich also um eine Spielart, welche dem Folk Metal zuordenbar ist.
Gyze gelten als wichtige Vertreter des japanischen Folk-Metal. Bislang veröffentlichten sie vier Studioalben, mehrere EPs und erspielten sich auf Tour mit Battle Beast und Majesty auch in Europa Bekanntheit.
Ningen Isu: Reminiszenz
Während in Gyzes Musikvideo zur Single ‘Samurai Metal’ ebenjene Kämpfer auch in Erscheinung treten, lassen sich Ningen Isu auf anderer Ebene von der Kultur ihrer Heimat beeinflussen. Etwa dient ihnen die japanische Literatur als Inspirationsquelle. Entsprechend ist selbst ihr Band-Name an eine gleichnamige Kurzgeschichte des Schriftstellers Edogawa Ranpo angelehnt. Für Interessierte: Die deutschsprachige Ausgabe findet sich unter dem Titel ‘Der Sesselmann’. Im Rahmen ihrer Texte behandeln Ningen Isu unter anderem buddhistische Themen. Außerdem üben alte japanische Traditionen, wie die der Samurai, Einfluss. Besonders ist, dass die Lyrics nicht in der japanischen Hochsprache verfasst sind. Stattdessen werden sie im Tsugaru-Dialekt gesungen, der selbst für die meisten Japanerinnen und Japaner schwer zu verstehen ist. Neben den ausgeprägten japanischen Elementen ist der Einfluss zahlreicher Hard Rock-, Prog Rock- und Heavy Metal-Bands, die insbesondere ab den Siebziger Jahren aktiv waren, spürbar.
Genau wie bei Live-Auftritten tragen die Band-Mitglieder auch im Musikvideo zu ‘Heartless Scat’ die traditionelle Kleidung ihrer Heimat. Die Band aus Hirosaki, einer Großstadt im Norden der Hauptinsel Japans, veröffentlichte nach ihrem Debüt NINGEN ISU im Jahr 1989 weitere 21 Studioalben. Am 4. August wird ihr 23. Langspieler KARUKO erscheinen.
Whispered: Clash der Kulturen
Zwar stammen die bereits vorgestellten Bands beide aus Japan, doch gibt es auch solche, die das Symbol der Samurai in ihr musikalisches Schaffen einfließen lassen, und eigentlich nicht Teil der dortigen Kultur sind. Etwa kommen Whispered aus Finnland – und hegen seit ihrer Jugend ein starkes Interesse für die japanische Lebensart. Besonders zentrale Themen sind die Mythologie des Landes und der Kriegerkult der Samurai. Entsprechend definieren Whispered ihre Musik als „True Finnish Samurai Metal“. Ein Clash der Kulturen – könnte man meinen. Tatsächlich verträgt sich die auf den ersten Blick ungewöhnliche Mischung ziemlich gut. Durchmengt wird Melodic Death Metal mit traditionellen Instrumenten aus Japan und sogar typischen Rhythmen. Im Songwriting spielt außerdem die dortige Sprache eine wichtige Rolle.
Im unten stehenden Musikvideo zu sehen ist das typische Langschwert der Samurai. Das sogenannte Katana wurde in Kombination mit dem kürzeren Wakizashi zwar als Hauptwaffe genutzt, doch war es – nicht wie in vielen Hollywood-Darstellungen angedeutet – bei Weitem nicht das ausschließliche Kriegswerkzeug der Samurai. Tatsächlich beherrschten sie als außerordentlich ausgebildete Kämpferelite viele weitere Waffen: Bis ins 14. Jahrhundert war nicht etwa das den Samurai vorbehaltene Schwerterpaar – zu japanisch: Daishō – Hauptbestandteil ihrer Ausrüstung, sondern Pfeil und Bogen. Erst nachdem alle Pfeile abgeschossen waren, kam es zum Nahkampf mit Katana und Wakizashi.
Das Ende der Samurai
Im Rahmen der Meiji-Restauration von 1868 bis 1889 wurde Japan zugunsten der Machtwiederherstellung des Kaisers und im Zuge der Modernisierung des Landes umstrukturiert. Dies ging mit der Abschaffung des einflussreichen Standes der Samurai einher. Ab 1873 wurden Japaner ungeachtet ihres Standes zur allgemeinen Wehrpflicht eingezogen. So verloren die Samurai ihren Sonderstatus. Wenig später wurde ein Gesetz erlassen, welches ihnen außerdem verbot, ihre traditionelle Kleidung und Waffen in der Öffentlichkeit zu tragen. Sogar ihr typischer Haarknoten wurde untersagt. Die Samurai rebellierten im Rahmen zahlreicher Aufstände gegen die Maßnahmen der Regierung – und verloren gegen die neu aufgestellten Truppen aus Wehrpflichtigen. Bei der Schlacht von Shiroyama (1877) – der letzte Kampf Japans bei dem moderne Soldaten auf traditionell ausgerüstete Krieger trafen – kam auch einer der einflussreichsten Samurai ums Leben: Saigō Takamori.