Zehn Jahre! So alt wird, wie wir wissen, kein Borstenvieh, und auch die allerwenigsten Bands halten so lange durch. Die eigenwilligen Berliner mit dem unaussprechlichen Namen haben es indes geschafft, und gut 1.500 Fans wollten gratulieren. Ins Vorprogramm luden sie Wolfram Huschke, genau wie sie ein Pionier der streichharten Klänge. Zur Erinnerung: 1995, also schon ein Jahr, bevor Apocalytica ihr erstes Opus veröffentlichten, brachte der glatzköpfige Cellist seine erste Scheibe DIABOLICA heraus. Knochenharte Heavy-Klänge auf vier Saiten mit allen möglichen Effektgeräten und seltsamen Gesangseinlagen. Huschke rockt, aber er bietet auch Klassi keinlagen und schräge Töne – ein Individualist zwischen Jirni Hendrix, Johann Sebastian Bach und Jeff Hanneman. Unterhaltsam ist seine Show noch dazu, das Publikum war also bestens aufgewärmt, als der Bogenschwinger nach einer Dreiviertelstunde sein Instrument Verbeugungen machen ließ und die Rampe räumte. Die Inchies führten dann, wie von ambitionierten Künstlern nicht anders zu erwarten, ihr letztes Werk MITTEN IM KRIEG nahezu vollständig auf. Die Live-Fassungen der kompakten, dunkel-melancholischen Songs wurde von einer farbenfrohen Lichtshow untermalt. Zu ‚Birthing Of A Day‘ ging standesgemäß eine Sonne auf, ‚Endless Rail‘ wurde von einer Projektion endloser Schienen begleitet, und so weiter… Die Platte mag vorzüglich geeignet sein, bei Kerzenschein und Rotwein eine Reise nach innen zu erleben – für eine Komplettaufführung ist sie dagegen schlicht zu lang. Könnte man gemütlich in einem Konzertsaal sitzen, wäre es vielleicht okay, aber spätestens nach dem vierten Titel schmerzte der Rücken, taten die Füße weh. 45 Minuten MITTEN IM KRIEG hatte etwas von der Schulstunde eines Musikpädagogen.
Als die Mannen um den geigenden Frontmann Robert Beckmann dann endlich auf U-Musik umschalteten, besserte sich die Laune der Fans sofort – schließlich waren sie an diesem Freitagabend auch erschienen, um abzutanzen und ihre Sorgen über Bord zu schmeißen. Zu Titeln wie Wer‘, ‚You Chained Me Up‘ und ‚Wars Only Wars‘ hupfte fast die gesamte Halle dankbar mit und vertrieb per Adrenalin die bohrenden Ruckenschmerzen. Als zusatzliche Entschädigung für den „Musikunterricht“ im ersten Teil gesellten sich dann etliche illustere Gäste zum „No Guitars Quintett“. Alexander Veljanov, Frontmann der Klassik-Grufties Deine Lakaien, sang eine stilvolle Version eines Titels seiner neuen CD THE SWEET LIFE, auf der Inchies-Cellist B. Deutung mitgewirkt hatte. Es folgten In Extremo, die zusammen mit den Inchtabokatables den Song ‚Herr Mannelig‘ zum Besten gaben sowie eine gemeinsame Version des ‚Palästina Liedes‘. In Extremo-Vokalist Micha bemerkte zufrieden, dies sei das erste Mal, dass die Inchies jy mit Gitarrenbegleitung gerockt hät£ ten. Zum gelungenen Finale wurden dann sämtliche Bassisten auf die Bühne gebeten, die jemals bei der vielleicht eigenwilligsten deutschen Band Dienst getan hatten. Unter den drei Bassern befand sich auch eine Gestalt mit Afro-Perücke und Bart. Schaute man genauer hin, entwickelte der Typ starke Ähnlichkeit mit Olli Riedel von Rammstein. Ja, auch der war eine Zeit total inchtabokatable.