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Während sich Fridén seinen tiefsinnigen Überlegungen hingab und versuchte, einen Schluss aus der herausfordernden Zeit zu ziehen und Handlungsanweisungen abzuleiten, hatte sich seine Band bereits einmal mehr personell verändert – und Chris Broderick rekrutiert. Die Bekanntschaft mit dem Act Of Defiance-Gitarristen geht bereits auf die Zeit zurück, als jener bei Jag Panzer (1997-2008) sowie als Live-Mitglied bei Nevermore spielte (ein paar Jahre lang zockte er auch für Megadeth). 2019 hatte er die Schweden auf deren US-Tournee als Ersatz für den verhinderten Niclas Engelin unterstützt.
„Wir traten ein paar Mal mit nur einem Gitarristen auf, aber eigentlich wollen wir das nicht. Unsere Musik ist für zwei Gitarren gemacht! Wir mussten eine schnelle Lösung finden und jemanden rekrutieren, den wir kannten und im Nightliner haben wollten. Eine wochenlange Tournee birgt schließlich recht vertrauliche Situationen. Außerdem musste er unsere Songs in kürzester Zeit lernen. Da fiel uns Chris ein, der sofort zusagte! Danach ist er einfach bei uns geblieben“, feixt der Sänger, der Broderick als sehr angenehmen, freundlichen und bescheidenen Menschen beschreibt. „Er spielt den ganzen Tag Gitarre. Björn und er passen spielerisch sehr gut zusammen, obwohl beide verschiedene Stile bedienen und Hintergründe haben. Ich glaube, für Björn ist es eine tolle Herausforderung, Chris um sich zu haben und von ihm motiviert zu werden – aber auch andersherum.“
Fleißiger Arbeiter
Gelotte wiederum beschreibt den neuen Mann als fleißigen Arbeiter, der sein Handwerk beherrscht. Der Gitarrist führt – noch immer spürbar begeistert – aus, wie fantastisch es für seine Band war, Broderick im Studio zu haben und den neuen Stücken gemeinsam den letzten Schliff zu verpassen. „Manchmal saß ich einfach nur da und hörte ihm zu. Ich musste gar nicht viel eingreifen, er kam selbst mit so vielen tollen Ideen an“, berichtet er, und schildert, der gemeinsame Prozess habe ihm sowohl Spaß bereitet als auch Druck von den Schultern genommen.
„In meinen Augen bin ich kein Lead-Gitarrist. Ich schreibe gerne Riffs und spiele sie, kann auch Soli aufnehmen. Doch das sind nicht die Bereiche, in denen ich mich am wohlsten fühle. Chris hingegen will genau das und verwendete all seine Energie darauf, einige richtig verrückte Soli zu spielen. Das stachelte mich wiederum dazu an, einige Passagen einzubauen, die gut zu seinen Ideen passten – ganz klassisch, wie Glenn Tipton und K.K. Downing: Zwei Gitarristen solieren jeder für sich. Wir sprachen im Team darüber, dass es schön wäre, längere Soli als wichtigen Teil einiger Stücke einzubauen. Der gesamte Prozess war wirklich inspirierend! Ich glaube, ich habe noch nie so viel Gitarre gespielt wie heute – und zwar wegen ihm.“
Gelottes Euphorie lässt sich beim Hören des (sicher nicht grundlos) von einem gefühlvollen Gitarrenintro eingeleiteten FOREGONE durchaus nachvollziehen: Während harte Nummern wie etwa ‘Meet Your Maker’ oder ‘In The Dark’ an die brachialen Anfänge der Band erinnern, merkt man den unzähligen verspielten, von herrlichen Gitarrenmelodien und Soli durchzogenen Passagen förmlich an, wie viel Spaß die Musiker bei der Ausarbeitung hatten.
Steter Wandel bei In Flames
Dies tröstet ein wenig über die Tatsache hinweg, dass In Flames eine personell inkonstante Truppe bleiben und an so gut wie jeder Platte andere Leute beteiligt sind. Jesper Strömblad ging bereits 2010 als letztes Originalmitglied von Bord, und mit Niclas Engelin hat sich 2021 (leider ohne offizielle Erklärung) die letzte Konstante mit Gesicht aus der Band verschiedet – Bassist Bryce Paul Newman spielt seit 2017 (live) respektive 2018 (offiziell) bei In Flames, Schlagzeuger Tanner Wayne seit 2018.
Den steten Wandel empfindet Fridén nicht unbedingt als störend. Er will das Ganze positiv sehen und erklärt, durch jedes frische Mitglied ergebe sich eine neue Herausforderung. „Bei uns läuft es doch schon seit frühen Tagen so. Ich denke, wir werden jedes Mal ein bisschen stärker. Menschen verlassen die Band aus ganz unterschiedlichen Gründen, niemand wurde je gefeuert“, beteuert der Sänger. „Wer nicht dabeibleiben will, macht etwas anderes. Dann stößt jemand dazu, der wieder hungriger ist. Momentan fühlt es sich extrem gut an, zu In Flames zu gehören. Wir kamen kürzlich von einer zweimonatigen US-Tournee zurück; einige sind müde, manche kränkeln. Doch es gibt keinerlei Drama, alle sind glücklich und wir verstehen uns im alltäglichen Leben wirklich gut. Wer uns aktuell live sieht, wird feststellen, dass wir nie zuvor besser klangen.“
Welche tiefsinnigen Gedankenspiele Fridén beschäftigen und wie weit die musikalische Band-Verganenheit Einfluss auf die Gegenwart hat, lest ihr im kompletten In Flames-Interview in der METAL HAMMER-Februarausgabe 2023.
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