Göteborgs und Stockholms Finest machen gemeinsame Sache und bieten gewohnt erstklassiges Entertainment. Metal Hammer lauschte dem Schweden-Schmaus beim Tourauftakt in Hannover.
Graveyard und Imperial State Electric, beide Meister ihres Fachs, beide aus dem Land der wohl qualitativ hochwertigsten Banddichte, beide eine musikalische Zeitreise in die 60er und 70 Jahre unternehmend, beide auf ganzer Linie überzeugend, aber doch beide auf höchst unterschiedliche Art und Weise.
Als Imperial State Electric ohne große Umschweife um 20 Uhr die Bühne des noch etwas luftig besetzten Capitols betreten, scheint noch niemand wirklich zu ahnen, mit welchem Kaliber an Live-Band sie es hier zu tun haben. Gut, als Schlagzeuger Thomas Eriksson den Startschuss zu ‘Let Me Throw My Life Away‘ aus dem aktuellen Opus HONK MACHINE trommelt, schallen die Gitarren noch etwas dünn durch den Raum. Es dauert aber nicht lange, dann spielt sich das Quartett um Hellacopters-Legende und Chef-Kommandant Nicke Andersson in einen wahren Rausch aus Rock’n’Roll, Power Pop und einem gesunden Schuss Boogie-Woogie. Ansagen gibt es so gut wie keine, die Schweden feuern lieber mit stilechten Posen aus allen Rohren. Ihre Munition hört auf Namen wie ‘Another Armageddon‘, ‘Faustian Bargains‘ oder ‘Deja Vu‘ und fräst sich ausnahmslos in die Gehörgänge der Anwesenden. Wenn Andersson und Gitarrist Tobias Egge nicht gerade dabei sind stimmlich perfekt zu harmonieren, schütteln sie sich gegenseitig ein Solo nach dem anderen aus dem Ärmel und erobern damit das Publikum im Sturm. Aber auch Dolf “El Mustache“ de Borst stellt seine Gesangs- und Tanzqualitäten bei ‘Reptile Brain‘ unter Beweis, als er kurzerhand seinen Viersaiter an Egge abtritt. Wenn es überhaupt etwas zu meckern gibt, dann an der Tatsache, dass nach ‘Throwing Stones‘ 45 Minuten später schon viel zu früh Schluss ist. Mit dieser Demonstration machen Imperial State Electric schon zum Tourauftakt klar, dass sie kein Support, sondern viel mehr ein gleichwertiger Co-Headliner sind.
In puncto Bühnenperformance können Graveyard da nicht mithalten. Zu introvertiert ihr Auftreten, zu intim viele ihrer Songs. Doch gerade hier liegen die Stärken der Göteborger: Neben ihren dreckigen Blues-Oden wie dem Opener ‘Magnet Shunk‘, dem Titelsong ihres genialen zweiten Langeisens HISINGEN BLUES oder dem alten ‘Lost In Confusion‘ überzeugt die Truppe vor allem, wenn sie das Tempo drosselt.
So lassen sich auch wieder auf der neuen Scheibe INNOCENCE & DECADENCE solch zurückhaltende Stücke ausmachen: ‘Exit 97‘, ‘Too Much Is Not Enough‘ oder das Joakim Nilsson-Solo ‘Stay For A Song‘ werden so betörend und leidenschaftlich vorgetragen, dass im Falle von Graveyard die angesprochene Intimität absolut Trumpf ist. Mut beweisen die Herren auch bei der Songauswahl: Sonstige Stammhalter wie ‘Evil Ways‘, ‘Thin Line‘ oder ‘Endless Night‘ sucht man heute vergebens, stattdessen halten neben der Promotion für das aktuelle Album auch selten gehörte Songs wie ‘RSS‘ Einzug in die Setlist. Mit der Kommunikation halten sie es dagegen wie ihre Vorgänger und beschränken ihre Pausen auf ein Minimum, wodurch ein mitreißender Songfluss entsteht, dessen Facetten mitunter auch sehr düstere (‘An Industry Of Murder‘) und bisweilen hypnotische (‘Blue Soul‘) Züge annehmen.
Besonders Joakims gewaltiges Timbre trägt einen großen Teil zu dieser fesselnden Wirkung bei, die mit einem extrem dynamischen ‘Uncomfortably Numb‘ ihren vorläufig letzten Höhepunkt findet. Die lässige Singleauskopplung ‘The Apple & The Tree‘ spart man sich noch für den Zugabenteil auf, ehe das aggressive ‘Ain’t Fit To Live Here‘ und der Übersong ‘The Siren’ den Schlusspunkt eines durchweg hochklassigen Abends markieren.